Strukturdebatte

Liebe Banken, herzlich willkommen im Wettbewerb!

Nachdem im privaten Bankenlager zuletzt vermehrt der Sinn des dreigliedrigen Bankensystems in Deutschland in Zweifel gezogen worden ist, gibt Sparkassenpräsident Helmut Schleweis Kontra.

Liebe Banken, herzlich willkommen im Wettbewerb!

Über Jahrzehnte war die deutsche Finanzwirtschaft in einem heftigen Streit um Strukturen und vermeintliche Wettbewerbsvorteile mit sich selbst beschäftigt. Die Finanzkrise 2007/2008 war dann eine scharfe Zäsur. Allenthalben wurde erkannt, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine stabilisierende Rolle im deutschen Bankenmarkt haben und ein notwendiges dezentrales Pendant zur mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft sind. Die mit eigenem Kulturwandel beschäftigten Großbanken stellten denn auch ihre zuvor pausenlosen politischen Attacken auf die strukturellen Grundlagen der dezentralen Verbünde ein.

Die Strukturdebatte irritiert

Das war die Grundlage, um in den letzten Jahren viele gemeinsame Interessen zu entwickeln, die den deutschen Finanzmarkt stärker gemacht und seine Rolle in der EU gestärkt haben. Die European Payments Initiative (EPI), mit der die europäische Finanzwirtschaft ge­meinsam – wesentlich getragen von den deutschen Sparkassen – wettbewerbsfähige Infrastrukturen aufbauen will, ist ein jüngstes und sehr wichtiges Beispiel.

 Vor diesem Hintergrund irritiert die im privaten Bankensektor neu aufflammende Strukturdebatte. Eine – letztlich rasch zurückgezogene – Studie der Deutschen Bank, wobei ich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing seine Beteuerung abnehme, dass sein Institut an solchen politischen Attacken weder interessiert noch darauf angewiesen ist. Ein Commerzbank-Chef Manfred Knof, der vor Analysten sagt, dass es für die Profitabilität des deutschen Bankensystems besser wäre, wenn man die anderen beiden Säulen, sprich Volksbanken und Sparkassen, ab­schaffen könnte. Ein ehemaliger Hauptgeschäftsführer des privaten Bankenverbands, der gestern in dieser Zeitung dafür plädierte, die alte Debatte um vermeintliche Wettbewerbsvorteile wieder zu eröffnen. Man könnte das alles für ungelenke Versuche halten, von eigenem Marktversagen abzulenken. Tatsächlich bezieht es seine Relevanz daraus, dass sich einzelne Vertreter der privaten Finanzindustrie wieder politisch stark (oder im Markt schwach) genug fühlen, die Existenzgrundlage vor allem der Sparkassen in Brüssel und – nach der Bundestagswahl – in Deutschland auf politischem Wege anzugreifen. Nun sind weder die Debatte noch die Argumente neu: Bereits 1916 hatte es seitens des privaten Bankgewerbes geheißen, man dürfe die Konkurrenz zu den Sparkassen nicht übertreiben, da diese doch letztlich nur Kundenkreise bedienten, die „als eigene Bankkundschaft nicht begehrenswert“ seien. Diese Überheblichkeit gegenüber dem Retailgeschäft mit der breiten Bevölkerung war ein grundlegender Fehler, der seitdem nicht mehr korrigiert werden konnte. Hinzu kamen individuelle Managementfehler bei einzelnen Banken. Manche Bank, deren Repräsentanten heute gegen öffentlich-rechtliche Strukturen zu Felde ziehen, wäre ohne Staatshilfen gar nicht mehr am Leben.

Ich möchte deshalb dafür werben, den Wettbewerb der Zukunft bei den Kunden – und nicht auf politischem Weg – auszufechten. Genauso deutlich aber auch: Die wesentlichen Narrative der privaten Banken teilen wir überhaupt nicht: Ein wettbewerbsintensiver Finanzmarkt mag die Profite privater Banken stören – für Kunden ist diese Art von Effizienz, die sich in niedrigen Preisen äußert, sehr vorteilhaft. Die europäische Bankenunion muss für die Menschen Vorteile bringen, nicht für Großbanken. Deshalb werden wir Abenteuer großer Banken nicht mit den für unsere Kunden gebildeten Sicherungsmitteln absichern. Eine europäische Einlagensicherung mit Überweisung dieser Sicherungsmittel nach Brüssel wird deshalb unsere Zustimmung nicht finden. Darin sind wir uns mit den Genossenschaftsbanken und vielen anderen europäischen Retailbanken einig. Und ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile genießen heute diejenigen, die kraft ihrer Institutsgröße über eine implizite Staatshaftung und damit über Ratingvorteile verfügen.

Im 21. Jahrhundert einfinden

Wir können nun die rund hundert Jahre alte Strukturdebatte wieder aufgreifen oder uns endlich im 21. Jahrhundert einfinden. Die Bundesregierung hat in ihrer jüngsten Sustainable-Finance-Strategie klar herausgestellt, dass es in Deutschland viele Kreditinstitute gibt, die – Zitat – „zusätzlich zu ihrer Profitorientierung auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Gemeinwohlorientierung oder Förderung ihrer Mitglieder bei ihrer Geschäftstätigkeit berücksichtigen“. Dies komme dem Gedanken von Sustainable Finance schon sehr nahe. Damit ist alles gesagt. Wer den Blickwinkel nur auf die Maximierung der eigenen Rendite verengt, hat die Anforderungen von Nachhaltigkeit nicht verstanden. Die Sparkassen laden deshalb zu einem Wettstreit ein, wer Kunden die besten Leistungen bietet, wer den größten Beitrag zum Gemeinwohl erbringt und wer dabei das höchste Vertrauen von Kundinnen und Kunden erreicht. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Vorständen von Großbanken und Bankenverband: Herzlich willkommen im Wettbewerb!