Moody's stuft Rückversicherungsbranche ab

Ausblick "negativ" nach "stabil" - Trend zu höheren Preisen vorerst nur bis 2021 sicher - Swiss Re will mehr Kooperation mit dem Staat

Moody's stuft Rückversicherungsbranche ab

Die Rückversicherungsbranche wird traditionell beim Versicherertreff in Monte Carlo von den Ratingagenturen unter die Lupe genommen. Auch wenn das Treffen in diesem Jahr ausfällt, haben S&P, Moody’s und A.M. Best ihre Analysen vorgestellt. Swiss Re tritt währenddessen vehement für höhere Preise ein.tl Frankfurt – Zwei Mal “negativ”, ein Mal “stabil” – so sehen die Ausblicke der drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und A.M. Best für den globalen Rückversicherungsmarkt aus. Moody’s hat erst gestern ihren bisher “stabilen” Ausblick geändert. Dabei sind die Einflussfaktoren auf diese Bewertungen bei allen gleich. Das sind das Niedrigzinsumfeld (und die sich daraus ergebenden sinkenden Anlageerträge), anhaltende Belastungen aus Großschäden und insbesondere Naturkatastrophen, geringere Ergebnisbeiträge aus der Abwicklung von Schadenreserven und nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie. Für Moody’s ist insbesondere die anhaltende Unsicherheit bezüglich der tatsächlichen Belastungen aus Schäden im Zusammenhang mit der Pandemie ein Grund, den Ausblick für die Branche zu senken.Die Schadenbelastung durch Covid-19 beziffert S&P bei den Top 20 der globalen Rückversicherer auf bisher etwa 12,2 Mrd. Dollar (Swiss Re in einer Präsentation gestern: 20 Mrd. Dollar im ersten Halbjahr) bei einem Schaden für die gesamte Erst- und Rückversicherungsbranche von 35 bis 50 Mrd. Dollar (Swiss Re: 50 bis 80 Mrd. Dollar). S&P Director Johannes Bender verwies bei einer virtuellen Präsentation gestern als ersten Belastungsfaktor für die Branche auf die Tatsache, dass die Branche ihre Kapitalkosten nicht verdient (siehe Grafik). “Wir werden unseren Ausblick erst dann wieder auf ,positiv` ändern, wenn die Branche nachhaltig ihre Kapitalkosten verdient. Das wird frühestens im Laufe des Jahres 2021 der Fall sein.” “Soziale Inflation” nimmt zuIn seiner Präsentation gestern im Rahmen des ausgefallenen Versicherertreffs in Monte Carlo verwies Group Chief Underwriting Officer Thierry Léger von Swiss Re auf die “soziale Inflation” als wichtigen Faktor für steigende Großschäden. Damit sind die immer zahlreicheren Massenklagen bei Haftpflichtfällen gemeint, bei denen Swiss Re nicht davon ausgeht, dass der Gesetzgeber diesem Trend in den nächsten Jahren Einhalt gebieten wird.Stärken der Rückversicherer sind ihre gute Kapitalausstattung (laut S&P haben sich die Rückversicherer im ersten Halbjahr 2020 knapp 10 Mrd. Dollar Eigen- und Hybridkapital beschafft) und die seit dem Vorjahr steigenden Preise für Deckungen, die Erstversicherer bei Rückversicherern abschließen. Die auf die Assekuranz spezialisierte Ratingagentur A.M. Best gewichtet diese beiden Faktoren so stark, dass sie alle Belastungen ausgleichen und damit weiterhin einen “stabilen” Ausblick für die Branche rechtfertigen.Die Preise werden auch 2021 “signifikant” steigen, da ist sich Bender für S&P sehr sicher. “Das hätten wir sogar vor Covid-19 prognostiziert.” Dies liege an der Entwicklung beim alternativen Kapital, den zunehmenden Großschäden und den Herausforderungen am Kapitalmarkt. Eine Prognose der Preisentwicklung nach 2021 will Bender nicht abgeben. “Wie sich 2022 entwickelt, wird davon abhängen, wie sich das traditionelle und das alternative Kapital entwickeln.” Das alternative Rückversicherungskapital ist nach Zahlen von Aon Securities 2019 auf 95 Mrd. Dollar (minus 2 Mrd. Dollar zum Vorjahr) und im ersten Quartal weiter auf 91 Mrd. Dollar zurückgegangen, nachdem es in den Jahren zuvor jeweils deutlich zugelegt hatte. Ein wieder zunehmendes Kapitalangebot bedeute für die Erstversicherer mehr Risikodeckungskapazität, was wiederum die Preise für traditionelle Rückversicherungsdeckungen unter Druck setzen würde.Swiss Re zeigt sich mit der bisherigen Preisentwicklung unzufrieden. In der Unfallversicherung in Europa und dem Nahen Osten (EMEA) habe man im eigenen Buch zwar Preissteigerungen feststellen können. Diese reichten aber nicht aus, um die Auswirkungen der niedrigen Zinsen auszugleichen, sagte Léger. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass der aus Sicht der Rückversicherer positive Preistrend auch 2021 anhalten werde. “Mit der wirtschaftlichen Erholung wird die Nachfrage nach Versicherungen wieder zunehmen”, sagte Léger gestern. “Covid-19 hat das Risikobewusstsein geschärft und Deckungslücken offengelegt.” Es werde aber schwieriger, bestimmte Risiken zu zeichnen, weil die zugrunde liegenden Risikomodelle angesichts von Pandemien wie Covid-19, sozialer Inflation und dem Klimawandel immer unsicherer werden.Moses Ojeisekhoba, CEO Reinsurance bei Swiss Re, kündigte deshalb häufigere Modellupdates und formlose Szenariomodelle an. Angesichts der Erfahrungen in der Pandemie plädierte er außerdem für eine klarere Sprache beim Deckungsumfang. “Die Versicherungswirtschaft kann aber bei Ereignissen wie der Covid-19-Pandemie nicht alles zahlen. Wir müssen daher mehr mit dem Staat kooperieren im Sinne einer Public Private Partnership.”