Zinswende

Neben­wirkungen für Lebensver­sicherer

Die Zinswende bringt Entlastung bei der Zinszusatzreserve und den Solvenzquoten. Die Entwicklung hat aber kurzfristig auch Schattenseiten.

Neben­wirkungen für Lebensver­sicherer

ak Köln

 Die Zinswende ist für die Lebensversicherer nach Ansicht der Ratingagentur Assekurata zwar unterm Strich eine gute Sache, hat aber einige Nebenwirkungen. Nach Berechnungen der Analysten sind die Bewertungsreserven der Branche, die sich Ende 2021 noch auf 150 Mrd. Euro summierten, mittlerweile komplett abgeschmolzen. „Wir gehen davon aus, dass es aktuell schon 40 Mrd. Euro stille Lasten in den HGB-Bilanzen gibt“, sagte Assekurata-Lebensversicherungsexperte Lars Heermann bei der Vorstellung des jährlichen Branchenausblicks. Da die Papiere in der Regel bis zur Endfälligkeit gehalten und im Anlagevermögen verbucht seien, besehe ad hoc jedoch kein Abschreibungsbedarf.

Äußerst positiv wirkt sich der Zinsanstieg auf die Zinszusatzreserve (ZZR) aus. Dieser Puffer, den die Lebensversicherer seit 2011 zur Absicherung hoher langfristiger Garantieversprechen an die Kunden bilden müssen, ist auf knapp 100 Mrd. Euro angeschwollen. Sollte sich das aktuelle Zinsniveau fortschreiben, sieht Assekurata den Peak bei der ZZR erreicht und rechnet bereits für dieses Jahr mit einem leichten Abbau der Reserven.

Heermann verwies darauf, als wie sinnvoll die 2018 eingeführte modifizierte Berechnungsformel sich jetzt erweise. Die sogenannte Korridormethode führe dazu, dass die ZZR-Anforderungen direkt auf die Zinswende reagierten. Mit der alten Formel hätten die Unternehmen nachlaufend trotz steigender Zinsen noch weiter Mittel für die ZZR reservieren müssen. Das hätte branchenweit voraussichtlich zu einem Finanzierungsproblem geführt, da viele Lebensversicherer für die Dotierung der ZZR in den vergangenen Jahren Bewertungsreserven hatten auflösen müssen – die ja nun nicht mehr vorhanden sind.

Pessimismus bei Neugeschäft

Entspannung bringt die Zinswende – auch wenn sie aus Sicht der Branche etwas weniger abrupt hätte verlaufen können – auch bei Solvency II. Die Solvenzquoten steigen laut Assekurata deutlich an. Dadurch blickt die Branche auch etwas gelassener auf die anstehenden Solvency-II-Review, die erste große Überarbeitung des seit 2016 geltenden Aufsichtsregimes. Während vor einem Jahr viele von Assekurata befragte Assetmanager von Lebensversicherern noch davon ausgingen, dass die Review ihre Kapitalanlagestrategie stark beeinflussen werde, halten sie mittlerweile den Einfluss nur noch für gering. Denn mit steigenden Solvenzquoten können die Assetmanager freier und flexibler agieren.

Kurzfristig dürften die hohe Inflation und Rezessionssorgen jedoch auf das Neugeschäft der Lebensversicherer drücken. Assekurata prognostiziert, dass die Beitragseinnahmen der Branche in diesem Jahr um etwa 1% auf rund 97 Mrd. Euro sinken werden. Der Branchenverband GDV hatte zu Jahresanfang ein Wachstum von 1 bis 2% vorhergesagt.

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