Finanzstabilität

Neues Instant-Payment-System Fed Now stellt US-Banken vor Probleme

Die US-Notenbank will ihre Instant-Payment-Lösung FedNow im Juli an den Start bringen. Sofortzahlungen sollen die Service-Qualität erhöhen, Analysten sorgen sich um die Finanzstabilität. Denn das neue System könnte Bank Runs beschleunigen.

Neues Instant-Payment-System Fed Now stellt US-Banken vor Probleme

Neues Fed-Zahlungssystem weckt Stabilitätssorgen

Analysten fürchten durch breite Einführung von Instant Payments beschleunigte Bank Runs – Notenbank-Angebot startet in schwieriger Marktphase

Die US-Notenbank will ihre Instant-Payment-Lösung Fed Now im laufenden Monat an den Start bringen. Sofortzahlungen sollen die Service-Qualität und damit die Kundenzufriedenheit erhöhen, Analysten sorgen sich indes um die Finanzstabilität. Denn durch das neue System könnten sich Bank Runs beschleunigen.

Von Alex Wehnert, New York

Ein neues Zahlungssystem der Federal Reserve sorgt an der Wall Street für Unruhe. Die Notenbank will ihre Instant-Payment-Lösung Fed Now Ende des laufenden Monats an den Start bringen – doch Marktteilnehmer befürchten, dass das ambitionierte Projekt den ohnehin schon angeschlagenen US-Finanzsektor zusätzlich destabilisieren wird.

Im Rahmen des derzeitigen elektronischen Standardsystems Automated Clearinghouse (ACH) vergehen zwischen Auftrag und Abschluss einer Transaktion mitunter mehrere Tage, in der Zwischenzeit kann die Bank des Überweisungsstellers die Mittel anderweitig nutzen. Finden Instant-Payment-Lösungen jedoch weite Verbreitung, fallen dadurch nicht nur Ertragsmöglichkeiten weg – in unsicheren Phasen besteht auch die Gefahr, dass sich Bank Runs noch beschleunigen.

„Bei Sofortzahlungssystemen ist für Kreditinstitute ein hohes Betriebsrisiko inhärent“, sagt Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie beim japanischen Finanzdienstleister Nomura in New York. Kreditkartenanbieter hätten die verbundenen Probleme schon vor längerer Zeit lösen müssen, die Federal Reserve und kleinere Teilnehmer an ihrem neuen Instant-Payment-System stünden noch vor dieser Aufgabe. „Sie müssen ihre Risikokontrolle wohl darauf ausrichten, dass in Girokonten gehaltene Mittel kurzlebiger sind – Finanzinstitute sollten also vermutlich mehr liquide Mittel vorhalten“, betont Hertrich.

Im laufenden Jahr haben die US-Banken relativ gesehen mit dem radikalsten Einlagenschwund seit mindestens 1974 zu kämpfen. Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie flossen ihnen noch in einem solchen Ausmaß Gelder von Sparern zu, dass sie Neukunden ablehnen oder an andere Institute verweisen mussten, um die Fremdmittelquoten nicht ausufern zu lassen. Doch die enorm restriktive Geldpolitik seit dem Frühjahr 2022 hat dazu geführt, dass die Renditen von Geldmarktfonds deutlich attraktiver geworden sind als die Verzinsung auf Sparkonten.

Harter Vertrauensverlust

Bankkunden schichten folglich Mittel um, die Assets von Cash-Vehikeln sind laut dem Branchenverband Investment Company Institute zuletzt auf ein Rekordvolumen von nahezu 5,5 Bill. Dollar geschnellt. Zusätzlich lösen die Zinsanstiege massive Verluste innerhalb der Wertpapierportfolios der US-Geldhäuser aus, was die Banken viel Vertrauen kostet – die Zusammenbrüche der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank stellen die bislang schärfsten Ausschläge der Krise im Sektor dar.

In deren Zuge brachen die US-Bankeinlagen gemäß Fed-Daten Mitte April auf unter 17,24 Bill. Dollar ein, was gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um über 976 Mrd. Dollar bedeutete. Ende Juni belief sich der Schwund auf mehr als 700 Mrd. Dollar. Die Fed will die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems durch neue Regeln erhöhen. Nach dem Willen von Notenbank-Vizechef Michael Barr sollen für große Finanzinstitute künftig Aufschläge von 2 Dollar pro 100 Dollar an risikogewichteten Aktiva fällig werden. Zudem fordert Barr einen einheitlichen Standard zum Risiko-Reporting der Geldhäuser.

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Seine Pläne sollen Teil der Umsetzung des Bankenpakets Basel III in den USA werden, die Regulierer schon vor der jüngsten Krise anstrebten. Seit den Turbulenzen peilt die Fed aber eine Ausweitung strengerer Kapitalvorgaben an. Bisher waren die härtesten Regeln für global aktive Geldhäuser und solche mit mindestens 700 Mrd. Dollar an Assets reserviert, nun sollen sie ab einer Bilanzsumme von 100 Mrd. Dollar gelten. In diesem herausfordernden Umfeld eröffnet die ebenfalls von langer Hand geplante Einführung von Fed Now neue Baustellen.

„Die Annahme vieler Beobachter ist, dass über kurz oder lang alle US-Giro- und Geschäftskonten an Fed Now angeschlossen sein werden – ich bin mir da nicht so sicher“, schränkt Hertrich ein. Denn gerade für viele mittelständische Unternehmer, beispielsweise in der Gastronomie oder im Einzelhandel, erschließe sich die Notwendigkeit von Sofortzahlungen nicht. Ihre Bestellungen würden in der Regel auch nicht taggleich geliefert, daher könnten sie ebenso gut per Scheck oder elektronischer Überweisung zahlen.

Diese Kunden griffen wohl nur auf Instant Payments zurück, wenn dadurch weder zusätzliche Kosten noch Mehraufwand anfielen. Für Hertrichs These spricht, dass auch das 2017 von US-Großbanken aufgelegte Sofortzahlungssystem RTP bisher auf verhaltene Resonanz stößt. Im ersten Quartal wurden darüber 52 Millionen Transaktionen in einem Volumen von 25 Mrd. Dollar abgewickelt – gegenüber den Billionensummen, die durch das US-Zahlungssystem fließen, nimmt sich dieser Wert gering aus.

Allerdings gehen Analysten davon aus, dass sich Fed Now bei Verbrauchern größerer Beliebtheit erfreuen wird. Denn über die Notenbank besteht eine Verbindung zu staatlichen Stellen, die Sozialleistungen und Fördermittel verteilten. In Pandemiezeiten habe beispielsweise Frustration geherrscht, weil Hilfen über Wochen und Monate nicht bei Bezugsberechtigten ankamen. Diese Probleme ließen sich durch ein staatlich kontrolliertes Instant-Payment-System lösen.

Bisher haben zwar erst 57 Finanzdienstleister die Zertifizierung für Fed Now abgeschlossen. Doch steht das System tausenden regionalen Instituten offen, die nicht an RTP angeschlossen sind. Auch Hertrich geht davon aus, dass das neue Zahlungssystem binnen eines Jahres weithin verfügbar sein wird: „Banken dürften darauf setzen, dass Kontoinhaber die Möglichkeit zu schnelleren Transaktionen als Service-Verbesserung werten und dies die Kundenbindung erhöht.“

Niedrige Gebühren

Über die Zeit seien indes noch Anpassungen an den Nutzungsbedingungen von Fed Now möglich. Für Standard-Überweisungsaufträge sollen gemäß den Plänen der Notenbank jeweils 4,5 Cent fällig werden, im laufenden Jahr will sie den beteiligten Instituten diese Gebühr aber ebenso erlassen wie die Teilnahmepauschale von 25 Dollar pro Monat. „In welchem Umfang die Banken über ihre eigenen Kosten hinausgehende Instant-Payment-Gebühren von ihren Kunden verlangen, wird sich über die kommenden ein bis zwei Jahre zeigen“, sagt Hertrich.

Analysten sehen weitere Optionen für das Risikomanagement. So könnten Banken den Zugang für bestimmte Kundengruppen begrenzen, die Möglichkeiten für Überweisungen in gewissen Zeitfenstern einschränken und Transaktionslimits setzen. Die Obergrenze für Zahlungen mit Fed Now ist auf 500.000 Dollar festgelegt. Bei Einführung des Systems ist ein Maximum von 100.000 Dollar eingestellt, das die Institute anpassen können. Die Gefahr gleichzeitiger Transfers von mehreren Konten ist damit aber nicht gebannt. Die Furcht vor beschleunigten Bank Runs dürfte sich an der Wall Street deshalb so schnell nicht legen.

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