Im Gespräch:Markus Rupprecht, PwC

PwC baut Supply-Chain-Finance-Beratung auf

Markus Rupprecht baut für PwC ein Supply-Chain-Finance-Team auf. Große Hoffnung setzt er auf den digitalisierten Wechsel, der das Geschäft grundlegend verändern könnte.

PwC baut Supply-Chain-Finance-Beratung auf

Im Gespräch: Markus Rupprecht

PwC baut Supply-Chain-Finance-Beratung auf

Markus Rupprecht kommt vom Fintech Traxpay – Digitaler Wechsel könnte den Markt verändern und Abhängigkeit der Banken von Plattformen reduzieren

phh Frankfurt
Von Philipp Habdank, Frankfurt

PwC Deutschland steigt ins Beratungsgeschäft zur Lieferkettenfinanzierung ein. Der Wirtschaftsprüfer und Strategieberater hat dazu Markus Rupprecht an Bord geholt, wie der Gründer des Supply-Chain-Finance-Unternehmens Traxpay im Gespräch mit der Börsen-Zeitung bestätigt. Bei dem Fintech, an dem auch die Deutsche Bank beteiligt ist, war Rupprecht vor rund einem Jahr ausgeschieden. Für PwC will er nun ein Team aufbauen, das Banken und Unternehmen zu Supply-Chain-Finance-Themen (SCF) berät. Zur Supply Chain Finance zählen vor allem die Finanzierungsformen Factoring, Reverse Factoring und Dynamic Discounting.

Beim Factoring verkauft ein Unternehmen seine Forderungen aus Lieferung und Leistung fortlaufend an ein Factoring-Institut und sichert sich dadurch sofortige Liquidität. Beim Reverse Factoring geht die Initiative vom Abnehmer der Ware aus, der seine Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung an einen Factorer verkauft, der die Rechnung dann begleicht. Hinter dem Dynamic Discounting steht ein flexibles Skonto-Management mit maximalem Skonto für schnell bezahlte und geringerem Skonto für langsamer bezahlte Rechnungen.

Warum PwC jetzt Supply Chain Finance für sich entdeckt hat

Rupprecht und sein Team, das im ersten Jahr auf rund sechs Köpfe anwachsen soll, werden bei PwC-Partner Holger Kern angedockt, der den Bereich Financial Services Transformation leitet. PwC stellt sich gerade neu nach verschiedenen Plattformen auf. Unter „Financial Services Transformation“ fallen Kern zufolge alle transformatorischen Ansätze aus den Bereichen Banking, Capital Markets, Insurance und Asset/Wealth Management.

Rupprecht selbst steigt als Senior Executive Advisor bei PwC ein. Seinen Wechsel vom Fintech zum Beratungskonzern begründet er damit, dass sich die Supply-Chain-Finance-Welt in den nächsten drei bis fünf Jahren grundlegend verändern werde. „Ein Fintech ist deutlich agiler darin, Lösungen zu bauen“, räumt Rupprecht ein. Gleichwohl habe er die Erfahrung gemacht, dass es als Start-up unendlich viel schwerer sei, etablierte Spieler im Unternehmenskundensegment (B2B) von diesen Lösungen zu überzeugen. „Darum habe ich mich für eine etablierte Marke wie PwC entschieden.“

Revolutioniert der digitale Wechsel Supply Chain Finance?

Dass PwC die Supply Chain Finance ausgerechnet jetzt für sich entdeckt, liege zum einen daran, dass der weltweite Handelsfinanzierungsmarkt stark wachsen werde. Laut Rupprecht soll die Handelsfinanzierung vor allem aber vor nichts Geringerem als einer digitalen Revolution stehen. Im Fokus stünde dabei die Digitalisierung von Handelsdokumenten im Kontext eines bereits 2017 von den Vereinten Nationen beschlossenen „Model Law on Electronic Transferable Records“ (MLETR). „Das Thema hat nun Europa erreicht“, sagt Rupprecht. So sei in Großbritannien bereits 2022 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden.

Das Thema hat nun Europa erreicht.

Markus Rupprecht, PwC Deutschland

Ein deutsches Pendant befinde sich derzeit noch in der Diskussion. „Mit der Umsetzung der Initiative in deutsches Recht rechne ich noch in diesem oder im nächsten Jahr“, sagt Rupprecht. Dadurch würde ein altes Finanzierungsinstrument plötzlich wieder interessant, das bis dato komplett in Vergessenheit geraten ist: der Wechsel. Weil das Wechselgesetz in Deutschland noch nie verändert worden sei, brauche es dafür immer noch Papier und Unterschrift, was das Finanzierungsinstrument natürlich impraktikabel macht. Sollte der Wechsel künftig jedoch als digitales Dokument anerkannt werden, könnte das die Supply Chain Finance verändern – so Rupprechts Erwartung.

Digitaler Wechsel entlastet Unternehmens-Rating

Laut Rupprecht könnten vom digitalen Wechsel sowohl Unternehmen als auch Banken profitieren. Für Unternehmen hat das vor allem bilanztechnische Gründe. „Beim Reverse Factoring geht es immer um die Frage, wie verkaufte Rechnungen bilanziert werden“, sagt Rupprecht. Unternehmen hätten großes Interesse daran, dass der Posten in der Bilanz weiter eine Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung bleibt und keine Bankverbindlichkeit wird, weil das für die Bonität, das Rating und damit die Finanzierungskonditionen des Unternehmens besser sei. Rupprecht zufolge gibt es nach HGB einen Posten „Wechselverbindlichkeit“, der auch beim Weiterverkauf keine Bankverbindlichkeit werde, sondern eine Handelsverbindlichkeit bleibe. Es ist aber noch nicht ganz klar, wie das Ganze nach den internationalen Bilanzierungsvorschriften IFRS und GAAP aussehen würde.

Beim Reverse Factoring geht es immer um die Frage, wie verkaufte Rechnungen bilanziert werden.

Markus Rupprecht, PwC Deutschland

Für Banken würden durch den digitalen Wechsel verglichen mit dem heutigen Reverse Factoring die Eintrittsbarrieren sinken, Rechnungen zu kaufen. Laut Rupprecht müssen Banken bisher für alle involvierten Lieferanten einen ausführlichen Know-Your-Customer-Prozess (KYC) durchführen, was hohe Kosten verursache. „Deswegen brauchen Lieferanten auch eine gewisse Größe, damit es sich für die Bank lohnt, diesen Aufwand zu betreiben“, sagt Rupprecht.

Vorteile für Banken im KYC-Prozess durch digitalen Wechsel

Der digitale Wechsel würde den Banken helfen, dass sich jede Partei, die den Wechsel unterschrieben hat, dazu verpflichtet, diesen zu bezahlen. „Es reicht also, wenn die Bank die Bonität des Hauptunternehmens ausführlich prüft“, so Rupprecht. Für die kleineren Lieferanten würde dann ein deutlich kostengünstigerer „KYC-Lite“-Prozess ausreichen. Der Wechsel liefere Banken noch einen weiteren Vorteil: einen unmittelbar vollstreckbaren Titel, sollte der Wechselbetrag nicht fristgerecht bezahlt werden – und zwar gegen alle Parteien, die den Wechsel unterzeichnet haben.

Der Wechsel liefert Banken einen unmittelbar vollstreckbaren Titel.

Markus Rupprecht, PwC Deutschland

SCF-Plattformen könnten der Verlierer sein

Ein möglicher Verlierer des digitalen Wechsels könnten hingegen die Supply-Chain-Finance-Plattformen sein, die sich zwischen Unternehmen und Banken geschaltet haben. Deren zentrales Argument ist laut Rupprecht, dass sie das Onboarding der vielen Lieferanten in die SCF-Programme übernehmen. „Der digitale Wechsel würde das Reverse Factoring über die Plattformen nicht von heute auf morgen verdrängen“, sagt Rupprecht. Banken hätten Interesse daran, ihre bestehenden Programme weiterzuführen. Langfristig habe der digitale Wechsel aber schon das Potenzial, das bisherige Reverse Factoring abzulösen und die bestehenden Plattformen zu kannibalisieren.

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