Folgen von „Bernd“

Ringen um die Pflicht­versicherung

Die Flut an Ahr und Erft vor einem Jahr hat die Versicherer mit 8,5 Mrd. Euro so stark gefordert wie keine Naturkatastrophe in Deutschland zuvor. Streit gibt es um die Konsequenzen.

Ringen um die Pflicht­versicherung

ak Düsseldorf

 Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands haben die Versicherer etwa drei Viertel der Schäden abschließend beglichen. Der Rest hänge am Tempo des Wiederaufbaus, erläuterte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer Zwischenbilanz am Mittwoch. Der GDV bezifferte den gesamten Schaden aus dem durch „Bernd“ verursachten Hochwasser an mehreren kleineren Flüssen auf insgesamt rund 33 Mrd. Euro. Davon waren 8,5 Mrd. Euro versichert. 28000 Firmen waren durch Sachschäden oder Betriebsausfälle von der Flut betroffen. „Bernd“ war damit die bisher teuerste Naturkatastrophe in Deutschland.

Umstritten sind weiter die Konsequenzen, die aus der Katastrophe gezogen werden sollten. Die Versicherungswirtschaft stemmt sich weiter gegen eine Pflichtversicherung. Für diese hatte sich Anfang Juni die Ministerpräsidentenkonferenz ausgesprochen. Der Bund, namentlich das Justizministerium, soll nach dem Willen der Länderchefs bis Dezember einen verfassungskonformen Vorschlag für eine Pflichtversicherung ausarbeiten.

Die Assekuranz hält das für falsch. „Wir sind überzeugt, dass eine Pflichtversicherung nicht die richtige Konsequenz ist“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen vor Journalisten am Mittwoch. Seine Befürchtung: Das Problem schwerer Starkregen und Hochwasser, die im Zuge des Klimawandels häufiger werden dürften, würde bei den Versicherern quasi abgeladen. Der Anreiz zur Prävention fehle dann, argumentierte Asmussen. Der GDV plädiert weiterhin für ein Opt-out-Konzept. Danach würden Neuverträge in der Wohngebäudeversicherung nur noch mit der sogenannten Elementargefahrendeckung angeboten. Die Bestandsverträge aller Gesellschaften würden zu einem Stichtag umgestellt, so dass sie dann den Elementarschutz enthalten. Wer das nicht wolle, müsse aktiv widersprechen. Dafür braucht es ein Überleitungsgesetz des Bundes, was laut GDV rechtssicherer wäre als die von der Politik präferierte Pflichtversicherung. Asmussen plädierte außerdem für mehr Fokus auf Klimafolgenanpassung und Prävention, was zum Beispiel baulichen Hochwasserschutz von Gebäuden angehe.

Die Nachfrage nach Elementar­deckungen hat zwar nach dem Unwetter „Bernd“, das in Deutschland 186 Menschen das Leben kostete, zugenommen. Doch die Versicherungsdichte ist bundesweit nur um rund vier Prozentpunkte auf 50% gestiegen, wie die Zahlen des GDV zeigen. Im von „Bernd“ stark getroffenen Rheinland-Pfalz liegt sie nur bei 42%.

Am stärksten hatte die Flutkata­strophe die Provinzial getroffen. Die öffentlichen Versicherer sind traditionell stark in der Wohngebäudeversicherung, und die betroffenen Regionen an Ahr, Erft und Wupper lagen alle im Geschäftsgebiet des frisch fusionierten Konzerns. Der Bruttoschaden belief sich auf 1,6 Mrd. Euro, das Unternehmen fuhr im vergangenen Jahr einen Nettoverlust von 113 Mill. Euro ein.

Preise steigen

Nicht nur eine prognostizierte höhere Frequenz von Naturkatastrophenschäden dürfte die Preise branchenweit in der Wohngebäudeversicherung kräftig steigen lassen. Einen wesentlichen Einfluss hat der Baupreisindex, an den die Tarife der Versicherer gekoppelt sind. Durch die Inflation und die hohe Nachfrage nach Handwerkerleistungen steigen die Baupreise erheblich, wie Provinzial-Vorständin Sabine Krummenerl bei der GDV-Konferenz anmerkte.

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