Steigendes IR-Budget verdeutlicht wichtige Funktion

Nicht nur ein Muss zur Erfüllung internationaler Standards, sondern auch ein Investment in die Optimierung der Kapitalkosten

Steigendes IR-Budget verdeutlicht wichtige Funktion

Im Kapitalmarkt erfordern gesetzliche Veröffentlichungspflichten der jeweiligen nationalen und internationalen Regularien sowie die kontinuierliche Kommunikation zu Investoren, Analysten und weiteren Stakeholdern nicht nur zuverlässige Prozesse und eine Infrastruktur im Unternehmen, sondern auch ein externes Budget zur Finanzierung der Aufgabenfelder. Für die meisten Unternehmen sind die initialen Kosten eines Börsengangs noch absehbar und kalkulierbar. Wie verhält es sich aber mit den fortlaufenden Kosten und dem für den Kapitalmarkt zur Verfügung stehenden Budget nach dem Börsengang?Für Investor-Relations-(IR)-Verantwortliche stellen sich Fragen wie: Welchen Umfang hat dieses Budget bezogen auf die Pflichten, zum Beispiel der Veröffentlichung von Finanzberichten, der Durchführung der Hauptversammlung und der Ad-hoc-Publizität? Wie hoch ist das Budget auch für die Kür in der Investoren- und Analystenkommunikation? Wer plant das Budget und welche Positionen werden von der IR-Abteilung verantwortet? Eine aktuelle Marktstudie von DIRK und EY beschäftigt sich deshalb mit Fragen und Einblicken rund um die Budgetplanung und die Kosten der IR bei gelisteten Unternehmen im DACH-Raum. Umfassendes PflichtenheftDie Pflichten für börsennotierte Unternehmen werden sowohl durch Regularien in der EU als auch durch nationale Gesetze definiert. Dazu gehören etwa die ESMA-Leitlinien, IFRS-Standards, Richtlinien zu Märkten für Finanzinstrumente (Mifid I und II), die Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (2013/50/EU) sowie Verordnungen wie etwa die Marktmissbrauchsverordnung. Fortlaufende Transparenzpflichten spiegeln sich zudem in den Anforderungen der verschiedenen Börsensegmente wider, zwischen denen die Emittenten wählen können. Sie sind der Ausgangspunkt und bestimmen den Rahmen für die Budgetplanung in der IR.Neben den gesetzlichen Pflichten als Mindestanforderungen bestimmt die “Kür” am Kapitalmarkt den Umfang des gesamten Budgets der Investor-Relations-Abteilung. Sie ist wichtig für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens an der Börse. Die Finanzkommunikation erfolgt über mehrere Kanäle nach klaren unternehmensspezifischen Regeln der IR-Strategie. Zu den goldenen Regeln zählen insbesondere die Grundsätze der “One Voice Policy” und der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Den Dialog pflegen, Informationsbedürfnissen nachkommen und damit Vertrauen schaffen, diese Aspekte zählen zwingend zum Modus Vivendi der Investor Relations.Pflicht und Kür in der IR verzahnen sich idealerweise im jährlichen Finanzkalender. Hier werden die wichtigen wiederkehrenden Veröffentlichungen und Events an die Investoren kommuniziert. Pflichtveröffentlichungen wie Jahresabschlüsse und Halbjahres- und Quartalsinformationen, aber auch Investorenkonferenzen und Analystenveranstaltungen, also die Kür der IR, sorgen für einen vollen IR-Kommunikationskalender. Er ist eng mit den gesetzlichen Vorgaben verknüpft, insbesondere im Hinblick auf alle internen Prozesse, die eine Einbeziehung des Vorstands und Aufsichtsrats beinhalten. Unter anderem auch deshalb ist bei der Mehrheit der Befragten der Vorstand für die Planung des externen IR-Budgets verantwortlich. Berichte an CFO oder CEORund 90 % der für die genannte Studie befragten Unternehmen berichten direkt an den Vorstand, entweder an den Chief Financial Officer (CFO) oder an den Chief Executive Officer (CEO). Direkte Berichtslinien an die Unternehmenskommunikation oder die Finanzabteilung gibt es hier und da auch, sie sind jedoch in der Minderheit. Die Steuerung und Verantwortung für das IR-Budget obliegt bei über 90 % der Unternehmen der IR-Abteilung allein. Bei kleineren Unternehmen verantwortet die Unternehmenskommunikation das IR-Budget.Die Bedeutung einer effektiven Finanzkommunikation von Unternehmen mit ihren Investoren nimmt weltweit zu. Damit einhergehend steigt auch der Bedarf an das IR-Budget. So berichten 96 % der Unternehmen von einer steigenden oder zumindest gleichbleibenden Zahl von Aufgaben und Positionen, die vom IR-Budget abgedeckt werden. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt dabei an, dass das IR-Budget heute mehr Aufgaben und Positionen als noch vor fünf Jahren umfasst. Der Umfang des IR-Budgets und die Zahl der Aufgaben sei in den letzten Jahren damit deutlich gestiegen. Dabei deckt das für die IR-Abteilung zur Verfügung stehende Budget insbesondere IR-Marketinginstrumente (wie zum Beispiel Roadshows, Investor Days, die Jahrespressekonferenz und Webcasts), die Pflichtberichterstattung (Erstellung, Organisation und Disclosure von Finanzberichten und kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten), Kosten für Service Provider und für die Hauptversammlung ab.Auch die Höhe des IR-Budgets hat sich innerhalb der letzten fünf Jahre verändert. So geben knapp 50 % der Befragten an, dass das IR-Budget expandiert ist. Die Höhe ist dabei abhängig von der Unternehmensgröße. 41 % der Unternehmen können auf ein externes IR-Budget (ohne Personalkosten) von bis zu 250 000 Euro bauen, 42 % der Befragten auf ein darüber hinausgehendes Budget von bis zu 750 000 Euro. Große Auswahlindexunternehmen können auch auf deutlich größere Budgets zurückgreifen. EinsparmöglichkeitenDas Internet macht Finanzinformationen so umfassend und so schnell verfügbar wie noch nie, stellt durch Meinungen und Analysen in Echtzeit eine weltweite Öffentlichkeit her und macht dadurch besonders börsennotierte Unternehmen quasi auf Mausklick vergleichbar. Investoren können auf vernetzten Plattformen weltweit in Hochgeschwindigkeit fast rund um die Uhr handeln. Diese durch die neuen Technologien getriebene Entwicklung wirkt sich auf die Finanzkommunikation und die Organisation in Unternehmen und deren Organe aus. Zudem sind neue Medien und eine veränderte Kommunikation internationaler Investoren eine Herausforderung für etablierte Governancestrukturen und nationale gesetzliche Grundlagen.Gerade diese Entwicklungen und die Digitalisierung ermöglichen nach Meinung der befragten Unter-nehmen in Zukunft Einsparmöglichkeiten im IR-Budget. So sieht die überwiegende Mehrheit insbesondere in interaktiven Online-Formaten für den Geschäftsbericht (Non-Print) und im Bereich der digitalen Hauptversammlung Einspar- und Effizienzsteigerungspotenziale für die Zukunft. Zudem erkennen einige Unternehmen etwa in IR-Chatbots und Avataren Möglichkeiten, IR-Budget zu sparen. In- und OutsourcingViele IR-Abteilungen kapitalmarktorientierter Unternehmen machen sich die Unterstützung durch externe Dienstleister zunutze. Neben Kosten spielen hierbei auch organisatorische Gründe eine entscheidende Rolle. Insbesondere Webcasts und Conference Call Services werden von den meisten Unternehmen ausgelagert. Aber auch die Hauptversammlungslogistik, die Wertpapierabwicklung, die Technik und das Catering werden häufig von externen Dienstleistern übernommen. Dagegen verbleiben vor allem die Offenlegung beziehungsweise Veröffentlichung und Erstellung beziehungsweise Organisation von Finanzberichten, die kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten und sonstigen Pflichtdokumente, die IR-Hotline, die IR-App und das interne Training rund um IR und die Financial Disclosures im Unternehmen.Ein großer Kostenblock im IR-Budget ist die Hauptversammlung. Hier müssen vielfältige Vorbereitungen getroffen werden. Für 45 % der befragten Unternehmen liegen die externen Kosten unter 100 000 Euro; 32 % kalkulieren darüber hinaus mit Kosten bis zu 200 000 Euro. Die höchsten Kosten stellen für 41 % die Hauptversammlungsdienstleister und für 34 % die Veranstaltungsräume bei der Hauptversammlung dar. Ebenfalls nennenswerte Anteile der Kosten entfallen auf das Catering sowie die Rechtsberatung.Die IR-Abteilung hat sich in den letzten Jahren zu einer wichtigen Funktion in der Unternehmensorganisation von börsennotierten Unternehmen entwickelt. Dies zeigt sich am steigenden Budget, das der IR zur Verfügung steht, an der zunehmenden Zahl an Positionen, für die das Budget verwendet wird, und nicht zuletzt an der direkten Berichtslinie der IR-Abteilung an den Vorstand. Die aktuelle Befragung verdeutlicht überdies, welch hohen Anteil alleine das Pflichtenheft der Kapitalmarktregularien im IR-Finanzkalender und IR-Budget abbildet und welcher Teil für die Kür im Kapitalmarkt bei vielen Unternehmen übrig bleibt. Mit zunehmender weltweiter Vernetzung der Kapitalquellen und steigender Internationalität der Investoren ist das IR-Budget nicht nur ein Muss zur Erfüllung internationaler Standards, sondern auch ein unternehmensindividuelles Investment in die Optimierung der Kapitalkosten.—Martin Steinbach, Head of IPO and Listing Services bei EY