Volatiler und tendenziell niedriger als der Euribor

Unicredit versucht sich anhand der Testphase an einer Prognose für den hybrid berechneten Zinssatz

Volatiler und tendenziell niedriger als der Euribor

lee Frankfurt – Wie erstellt man einen transaktionsbasierten Zinssatz für einen Markt, auf dem kaum etwas gehandelt wird? Mit dieser Quadratur des Kreises beschäftigt sich das European Money Markets Institute (EMMI), seitdem 2011 bekannt wurde, dass Händler verschiedener Großbanken den bislang auf der Basis von Expertenschätzungen erhobenen Referenzzinssatz Euribor zu ihren Gunsten manipuliert haben.Nach dem gescheiterten Versuch, einen neuen Benchmarkzins auf der Basis erfolgter Transaktionen zu berechnen, setzt das EMMI auf eine hybride Methodik. Sofern nicht ausreichend transaktionsbasierte Daten vorliegen, wird dabei auf Daten vergleichbarer Transaktionen sowie auf Schätzungen zurückgegriffen, die jedoch nicht im Ermessen der Bank liegen, sondern aus internen Modellen abgeleitet werden müssen. Kurze Laufzeiten unter DruckDie an der neuen Euribor-Berechnung beteiligten Banken überprüfen dabei täglich, welchen Beitrag sie für jede Laufzeit leisten können. Diese werden gerundet und dann in einem volumengewichteten Durchschnitt zusammengefasst. Wenn eine Bank keine tatsächlichen Transaktionen (Level1) vorweisen kann, kann sie Daten vergleichbarer Transaktionen (Level 2) verwenden. Erst wenn auch das nicht möglich ist, kommen Schätzungen ins Spiel mit sogenannten Level-3-Assets, also Papieren, für die es weder direkte noch indirekte Marktbewertungen gibt.Die neue Methode wurde von Mai bis Juli 2018 getestet. Um keine unerwünschten Marktreaktionen zu verursachen, hat das EMMI die Ergebnisse mit zeitlichem Abstand veröffentlicht. Der Hybrid-Euribor liegt demnach durchschnittlich niedriger als der herkömmliche Referenzzins (siehe Grafik).Das spiegelt nach Einschätzung von Unicredit-Analyst Luca Cazzulani die hohe Überschussliquidität an den Märkten wider, die den Zinssatz insbesondere bei kürzeren Laufzeiten unter Druck setze. Da sich die Institute seit der Finanzkrise unbegrenzt viel bei der Europäischen Zentralbank leihen dürfen, sei es unwahrscheinlich, dass die Banken Einlagen mit kurzer Laufzeit annehmen – es sei denn, sie sind billiger als die Einlagefazilität.Gleichwohl weist der Analyst in seinem Kommentar zur Euribor-Reform darauf hin, dass die Ergebnisse der Testphase mit Vorsicht zu interpretieren seien. So sei der hybrid berechnete Zinssatz in großem Maße von Level-3-Assets abhängig. Je nach Laufzeit habe der Anteil zwischen 57 % bei einem Monat und 79 % bei zwölf Monaten gelegen. Das dürfte nach Einschätzung des Analysten die Auswirkungen des in die Testphase fallenden Anstiegs italienischer Anleihen und anderer für Transaktionen relevanter Schocks deutlich abgemildert haben. Zudem seien die zugrunde liegenden Volumina insbesondere bei den längeren Laufzeiten sehr moderat gewesen, was zum Teil zu hohen Ausreißern nach oben wie nach unten führte.In der Summe war der neue Zinssatz aber auch deshalb volatiler, weil er zum Teil auf tatsächlichen Transaktionen und im Falle illiquider Vermögenswerte auf Schätzungen basierte, die Marktvariablen beinhalten. Zudem weist der Analyst darauf hin, dass sich die Beiträge der an der Berechnung des Zinssatzes beteiligten Banken von einem Tag auf den anderen von einem Level auf das andere verschieben konnten.Wahrscheinlich aus denselben Gründen sei die Korrelation bei den verschiedenen Laufzeiten geringer als beim herkömmlichen Euribor, schreibt Cazzulani. Der Experte geht davon aus, dass diese Eigenschaft ein strukturelles Merkmal des neuen Zinssatzes sein wird. Fremdkapitalkosten steigenWie sich der Hybrid-Euribor seit August 2018 entwickelt hat, ist nicht bekannt. Es sei jedoch interessant, dass sich das Fixing des herkömmlichen Euribor nach dem Abschluss der Testphase aufwärts entwickelt hat, ohne dass dies auf steigenden geldpolitischen Erwartungen beruht habe. Cazzulani zufolge deutet das auf einen Anstieg der Fremdkapitalkosten der Banken hin.Für den Versuch einer Prognose für die künftige Entwicklung des Hybrid-Euribor stützt sich der Analyst zusätzlich auf die unbesicherten Kapitalmarktmittel-Transaktionen, die der EZB für die Geldmarktstatistik gemeldet wurden. Auch diese Kennzahl misst die Fremdkapitalkosten der Banken und verzeichnete zuletzt einen leichten Anstieg. Cazzulani hält sie für einen guten Indikator, auch wenn die Daten anders aggregiert werden als die Daten im Hybrid-Euribor.Auf dieser Grundlage erwartet der Analyst, dass kurze Laufzeiten unter der neuen Erfassungsweise auf relativ niedrigeren Niveaus fixiert werden als der aktuelle Euribor. Mittlere Laufzeiten von sechs und zwölf Monaten dürften dagegen auf ähnlichen Niveaus festgelegt werden, schreibt er im Marktkommentar.