Weidmanns Napoletana-Research

Von Bernd Wittkowski, Frankfurt Börsen-Zeitung, 8.4.2017 Seit unserer Jugend haben wir die tiefe ökonomische Expertise, um nicht zu sagen: Allwissenheit, der Bundesbank bewundert, und bis heute vermögen uns die Volkswirte - in diesem Fall sind es...

Weidmanns Napoletana-Research

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtSeit unserer Jugend haben wir die tiefe ökonomische Expertise, um nicht zu sagen: Allwissenheit, der Bundesbank bewundert, und bis heute vermögen uns die Volkswirte – in diesem Fall sind es wohl “Betriebs-Wirte” – der Währungsbehörde, allen voran Präsident Jens Weidmann, immer wieder mit ihrer Sachkenntnis zu beeindrucken. Beim Deutschen Bankentag glänzte Weidmann jetzt mit der offenbar wohlfundierten Nachricht, in Deutschland gebe es mehr Bankfilialen als Pizzerien (vgl. BZ vom 7. April). “Wir haben nachgezählt”, versicherte er.Wenn die Bundesbank zur Höchstform aufläuft und die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auf Napoletana-Research trifft, kommen sogar Ergebnisse heraus, die bisher weder das Statistische Bundesamt (Destatis) noch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) kannte. Und “Ciao Italia”, der Verein italienischer Gastronomen, auch nicht.Dass Weidmann die Zahl der Bank- und Sparkassenfilialen parat hat – 2015 waren es gut 34 000 -, versteht sich von selbst, ist die Bundesbank doch (mit der BaFin) für die Bankenaufsicht zuständig. Aber die Pizzerien? Deren Zahl “wird nicht erhoben”, heißt es bei Destatis in Wiesbaden. Die sehr detaillierte Statistik des Dehoga Bundesverbandes listet Gasthöfe, Restaurants, Imbissstuben und viele andere Kategorien der 221 000 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen des Gastgewerbes auf. Nach Nationalitäten oder dem Speiseangebot, von Eisdielen mal abgesehen, differenziere man indes nicht, sagt ein Dehoga-Sprecher.Unsere letzte Hoffnung ist “Ciao Italia”, die müssten es doch genau wissen. Doch auch hier Fehlanzeige! Generalsekretär Enzo Cucuzza kann sich zwar erinnern, dass vor vielen Jahren um die 16 000 Pizzerien in Deutschland gezählt wurden, “echte italienische”, betont er. Doch eine aktuelle Zahl hat er nicht, und weil es längst auch pakistanische, türkische und andere “Pizzerien” gibt, haben die italienischen Pizzabäcker wohl ein wenig den Überblick verloren.Wie wir soeben durch investigative Recherchen erfahren, haben Weidmann und die 9 774 anderen Bundesbanker aber nun mangels verlässlicher statistischer Daten mitnichten selbst ganz Deutschland nach Pizza Caprese, Frutti di Mare oder Quattro Stagioni abgeklappert. Man hat, so viel pragmatische Schätztoleranz darf in der volkswirtschaftlichen Analyse sein, vielmehr die 73 000 von Destatis ermittelten Restaurants zugrunde gelegt und dann pizzamesserscharf geschlossen, dass gewiss nicht mehr als ein Drittel dieser Betriebe mit Tomatenscheiben, Käse und anderen Zutaten belegte Fladenbrote backt. Sollte diese Annahme zutreffen, gäbe es in der Tat mehr Bankfilialen als Pizzerien.Man merkt, dass die Bundesbank nicht nur nahezu allwissend ist, sondern auch äußerst reaktionsschnell. Hat doch jüngst die erste Sparkasse, und zwar die aus dem bayerischen Straubing, mit der Anpassung ihres Geschäftsmodells an das Nullzins- und Regulierungsumfeld Ernst gemacht und ihren Kunden eine weder mit Zinsen noch mit Buchungsgebühren belegte “Pizza Draghi” angeboten (vgl. BZ vom 22. Februar).Die Bankenaufsicht könnte vor völlig neuen Aufgaben stehen, schwant Weidmann. Die Bundesbank jedenfalls scheint gewappnet zu sein. ——–Mehr Bankfilialen als Pizzerien, Pizza in der Sparkasse und neue Aufgaben für die Bankenaufsicht.——-