Finanzstabilität

Zinswende belastet Banken in zweistelliger Milliardenhöhe

Der abrupte Zinsanstieg zieht hohe Bewertungsverluste für Banken nach sich. Allein Sparkassen und Kreditgenossenschaften büßen im Anleihebestand 22 Mrd. Euro ein. Die Bundesbank warnt vor Folgen für die Kapitalquote.

Zinswende belastet Banken in zweistelliger Milliardenhöhe

jsc Frankfurt

Die Zinswende kommt der deutschen Kreditwirtschaft nach Schätzung der Bundesbank vorerst teuer zu stehen. Weil der Wert von Anleihen bei steigenden Zinsen sinkt, fielen die stillen Bewertungsreserven von Sparkassen und Kreditgenossenschaften im ersten Halbjahr um 21,8 Mrd. Euro, wie die Deutsche Bundesbank im aktuellen Finanzstabilitätsbericht festhält. Die konkreten Abschreibungen auf Wertpapiere belaufen sich bereits auf 12,3 Mrd. Euro. Große und systemrelevante Institute schnitten etwas besser ab und nahmen Marktpreisverluste von 7,9 Mrd. Euro hin. Absicherungsgeschäfte und Gewinne im Handelsgeschäft begrenzten ihren Wertverlust.

Zwar stärkt die Zinswende mittelfristig die Ertragsaussichten der Banken, wie die Bundesbank betont. Kurzfristig aber belasten demnach die Wertverluste die Rechnung. Auch können Banken wegen der langen Zinsbindung vieler Darlehen die Erträge erst nach und nach steigern. „Ein abrupter Zinsanstieg ist problematisch“, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Frankfurt. Im Verhältnis zur Bilanzsumme sank der Zinsüberschuss der großen und systemrelevanten Häuser im ersten Halbjahr ab, während er bei den Sparkassen und Kreditgenossenschaften nach jahrelangem Rückgang stagnierte.

Die hohen Wertverluste sind für Geldhäuser aber nur teilweise ein Problem: Werden die Papiere bis zum Ende der Laufzeit gehalten, gleichen sich Gewinne und Verluste in der Bewertung wieder aus. Die stillen Reserven von Banken und Kreditgenossenschaften rangierten noch im vergangenen Jahr oberhalb der Marke von 20 Mrd. Euro, was eine Folge der über Jahre gesunkenen Zinsen ist – mit der Zinswende liegen die Reserven nun nahe der Nulllinie. Jedoch können etwaige weitere Wertverluste zeitweilig das Eigenkapital der Banken mindern. Die Liquiditätsreserven gaben ebenfalls etwas nach, befinden sich aber auf solidem Niveau, wie der Bericht zeigt.

Die Kapitalausstattung der Institute bleibt hoch: Der Überschuss liegt laut Bundesbank bei 150 Mrd. Euro, so dass sich derzeit keine branchenweite Kreditklemme wegen Kapitalproblemen abzeichnet. Allerdings warnt die Bundesbank vor Kreditausfällen und kritisiert die bislang moderate Risikovorsorge von Banken. „Kreditrisiken und Kreditausfälle werden ständiger Begleiter im Jahr 2023 sein“, sagte Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling. Zwar sank die Zahl der Unternehmens­insolvenzen in der Pandemie auf weniger als 4000 pro Quartal und damit auf einen Tiefstand. Dabei spielten staatliche Hilfen eine wesentliche Rolle, wie die Bundesbank festhält. Energie- und Rohstoffpreise, Lieferprobleme und Zinswende belasteten die Firmen jedoch, so dass die Zahl der Pleiten voraussichtlich wieder steigen werde – und mittelbar womöglich den Finanzsektor prägten.

Das Risiko eines Preisverfalls von Immobilien relativierte die Bundesbank am Donnerstag ein wenig. Zwar hatte sie noch im Februar eine auffällig hohe Bewertung von Immobilien in Großstädten hervorgehoben. „Wir haben nie vor einer Blase gewarnt“, schränkte Buch jedoch ein. Mehr und mehr Privatleute rechneten allerdings nicht mehr mit steigenden Preisen. Korrekturen seien möglich, eine Prognose aber schwierig, ergänzte Wuermeling. Grundsätzlich bleibe die Nachfrage im Verhältnis zum Angebot hoch. Während das Kreditneugeschäft an Unternehmen stieg, gab es bei Wohnimmobilien nach.

Spannung an Energiebörse

Die Energiekrise führte nach Ansicht der Bundesbank in diesem Jahr an der Strombörse in Leipzig zu „Spannungen im Finanzsystem“. Energieversorger müssen im Handel mit Derivaten zusätzliche Sicherheiten stellen. Weil den Energieunternehmen die Mittel dafür oft fehlten, sprang die Förderbank KfW mit Kredithilfen in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe ein. Der Finanzsektor profitiere indirekt von den Hilfen, sagte Vizepräsidentin Buch. „Das heißt aber nicht, dass sich der Finanzsektor auf den Staat verlassen darf.“ Aufseher diskutierten derzeit, wie das System der Sicherheiten im Derivategeschäft beschaffen sein sollte, sagte Buch – die Regeln könnten etwa „weniger prozyklisch“ sein und „mehr Puffer“ vorsehen. Das System der zentralen Gegenparteien sei aber grundsätzlich sinnvoll.