GastbeitragEuropean Green Bond

Neuer globaler Goldstandard zur Finanzierung nachhaltiger Investitionen

Unter den Instrumenten nachhaltiger Finanzierung nehmen grüne Anleihen eine hervorgehobene Rolle ein. Bislang sind für diese Produkte private Marktstandards bestimmend. Diesen stellt der europäische Gesetzgeber nunmehr mit dem European Green Bond Standard ein staatliches Gütesiegel an die Seite. Offen ist, welcher Standard sich durchsetzen wird.

Neuer globaler Goldstandard zur Finanzierung nachhaltiger Investitionen

Neuer Goldstandard zur nachhaltigen Finanzierung

EU verabschiedet Verordnung zu European Green Bond – Wettbewerb der Standards für grüne Anleihen zu erwarten

Von Michael Born *)

Unter den Instrumenten nachhaltiger Finanzierung nehmen grüne Anleihen, deren Erlöse für ökologisch nachhaltige Zwecke verwendet werden, eine hervorgehobene Rolle ein. Bislang sind für diese Produkte private Marktstandards bestimmend, die insbesondere der Branchenverband ICMA setzt. Diesen stellt der europäische Gesetzgeber nunmehr mit dem European Green Bond Standard als Baustein zur Umsetzung des „Green Deal“ ein staatliches Gütesiegel für grüne Anleihen an die Seite. Private und staatliche Standards treten damit in Konkurrenz. Offen ist, ob und wie schnell sich das hoheitliche Siegel wird durchsetzen können.

Der Rat der EU hat die Verordnung über europäische grüne Anleihen sowie fakultative Offenlegungen zu als ökologisch nachhaltig vermarkteten Anleihen und zu an Nachhaltigkeitsziele geknüpften Anleihen am 23. Oktober 2023 angenommen. Vorausgegangen waren langwierige Verhandlungen im Trilog-Verfahren von Europäischer Kommission, Rat und Europäischem Parlament.

Damit geht ein Gesetzgebungsverfahren dem Ende entgegen, mit dem die EU nicht weniger als einen neuen Goldstandard für grüne Anleihen einzuführen sucht. Zugleich erhebt sie einen globalen Anspruch und will lediglich Emittenten aus bestimmten Drittländern mit hohem Risiko von ihrem neuen Standard ausschließen.

Freiwilliger Charakter

Das Verfahren war zwischenzeitlich durch die allgemeine Debatte um die Verhinderung von Grünfärberei (Greenwashing) in unruhiges Fahrwasser geraten. Der ursprüngliche Entwurf der Europäischen Kommission präsentierte sich noch als reine „Label“-Gesetzgebung: Nur dann, wenn Emittenten – freiwillig – die Bezeichnung als „europäische grüne Anleihe“ oder „EuGB“ (European Green Bond) verwenden, sollten sie nach Auffassung der Kommission gesetzliche Bedingungen einzuhalten haben. Insbesondere das Europäische Parlament hatte dagegen die Verordnung zu einer umfassenden Offenlegungsverpflichtung hin erweitern wollen: Auch alle übrigen Emittenten, deren Anleihen in der Union als „nachhaltig“ vermarktet werden, sollten demnach zu bestimmten Offenlegungen verpflichtet werden.

Durchgesetzt hat sich nun grundsätzlich der Ansatz der Freiwilligkeit. Eingeführt wird zum einen das optionale Gütesiegel, dessen Verwendung an die Einhaltung von anleihebezogenen Kriterien und von Anforderungen an Transparenz und externe Bewertung geknüpft ist. Als Kompromiss sind zum anderen allerdings auch für sonstige als ökologisch nachhaltig vermarktete Anleihen und an Nachhaltigkeitsziele geknüpfte Anleihen (Sustainability-Linked Bonds), die in der EU emittiert werden, fakultative Offenlegungen vorgesehen.

Verknüpfung mit Taxonomie

Die neue Verordnung weist Parallelen zu anderen aktuellen Reformen im Bereich der Regulierung nachhaltiger Finanzprodukte auf, die unter dem Akronym ESG (Environmental, Social, Governance) zusammengefasst werden. So wird für Investmentfonds im Rahmen einer von der Kommission geführten Konsultation die Fortentwicklung der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) von einem allgemeinen Transparenzregime hin zu einem System von Produktlabeln für nachhaltige Fonds diskutiert.

Die Qualitätsanforderungen des künftigen Gütesiegels sind in der Verknüpfung mit der Taxonomie-Verordnung zu sehen. Kern der anleihebezogenen Anforderungen sind die Vorgaben hinsichtlich der Verwendung der Erlöse von „europäischen grünen Anleihen“. Diese Vorgaben werden unter Verweis auf die Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten spezifiziert, die in der Taxonomie-Verordnung, dem Dreh- und Angelpunkt der europäischen ESG-Gesetzgebung, festgelegt werden. Grundsätzlich müssen daher alle Erlöse für Zwecke verwendet werden, die mit den Anforderungen der EU-Taxonomie im Einklang stehen.

Spät im Gesetzgebungsverfahren hinzugekommen ist allerdings eine Flexibilitätsreserve von 15 Prozent für Wirtschaftstätigkeiten, für die es noch keine technischen Bewertungskriterien (technical screening criteria) als weitere Anforderung unter der Taxonomie-Verordnung gibt oder für bestimmten Tätigkeiten im Kontext internationaler Unterstützung. Hintergrund ist, dass das Regime der Taxonomie-Verordnung noch unvollendet und seine Fortentwicklung oftmals auch Gegenstand politisch geprägter Debatten ist. Lediglich für die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind die finalen technischen Bewertungskriterien bereits in Kraft getreten.

Angaben zur nicht taxonomiekonformen Erlösverwendung sind in das für die Emission erforderliche Informationsblatt (Factsheet) aufzunehmen. Im Rahmen des für Investitions- und Betriebsausgaben zu erstellenden sogenannten CapEx-Plans ist zudem eine Frist festzulegen, bis wann die finanzierten Investitions- und Betriebsausgaben taxonomiekonform sein müssen.

Erlöse sind grundsätzlich im Einklang mit den zum Zeitpunkt der Emission der betreffenden Anleihe geltenden technischen Bewertungskriterien zu verwenden. Im Fall der Änderung der technischen Bewertungskriterien nach der Emission gewährt die Verordnung allerdings einen gewissen Bestandsschutz: Noch nicht verwendete Erlöse und Erlöse, die in einem CapEx-Plan enthalten sind, müssen erst spätestens sieben Jahre nach Anwendbarkeit der geänderten technischen Bewertungskriterien mit diesen übereinstimmen.

In Konkurrenz

Neben der dargestellten Produktregulierung von nachhaltigen Anleihen als erster Säule der Verordnung wird als zweite Säule ein neuer tätigkeitsbezogener Aufsichtsrahmen für externe Bewerter eingeführt. Die Aufsicht wird einheitlich auf Unionsebene durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) ausgeübt.

Mit der neuen Verordnung ist ein Wettbewerb der Standards für grüne Anleihen abzusehen. Bislang wird der Markt dominiert durch Anleihen, die (zumindest auch) mit den Green Bond Principles (GBP) des Branchenverbands International Capital Market Association (ICMA) übereinstimmen. Durch den freiwilligen Charakter des europäischen Siegels bleibt es Emittenten weiterhin möglich, sich ausschließlich an diesen Industriestandards zu orientieren.

Detaillierte Vorgaben

Die Konkurrenz von Gesetzgebung und Selbstregulierung besteht allerdings nur in Bezug auf grüne Anleihen. Anders als die Verordnung erfassen die Leitlinien der ICMA neben Green Bonds auch Social Bonds, deren Emissionserlöse für soziale Projekte zu verwenden sind, und Sustainability Bonds, deren Erlöse einer Kombination aus Umwelt- und Sozialprojekten dienen. Ein schneller Erfolg des neuen Gütesiegels für grüne Anleihen dürfte durch die detaillierten Vorgaben an deren Dokumentation wie insbesondere das Informationsblatt (Factsheet) behindert werden. Emittenten, die bereits grüne Anleihen begeben, werden zwischen dem Aufwand für eine Anpassung des für Zwecke der ICMA-Leitlinien erstellten Rahmenwerks (Framework) und dem zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einschätzbaren Nutzen einer Verwendung des europäischen Gütesiegels abwägen müssen.

Für Emittenten wird dabei auch eine Rolle spielen, dass grundsätzlich ein Prospekt gemäß der Prospektverordnung veröffentlicht werden muss, um die Bezeichnung „europäische grüne Anleihe“ oder „EuGB“ verwenden zu können (sofern nicht grüne Anleihen betroffen sind, die von öffentlichen Emittenten begeben oder garantiert werden). Als faktisches Hindernis für das neue Gütesiegel dürfte sich trotz der nunmehr in der Verordnung vorgesehenen Flexibilitätsreserve erweisen, dass Emittenten ausreichende taxonomiekonforme Projekte identifizieren müssen.

Gewisse Sogwirkung

Umgekehrt könnte sich eine gewisse Sogwirkung hin zum neuen Standard durch öffentliche Emittenten ergeben, denen zum einen die Auswahl entsprechender Projekte für die taxonomiekonforme Verwendung der Emissionserlöse leichter fallen dürfte als privaten Emittenten. Zum anderen werden öffentlichen Emittenten in der neuen Verordnung Erleichterungen und zusätzliche Flexibilität bei der Mittelverwendung gewährt. Angesichts dieser Faktoren ist noch offen, ob und wann sich der neue staatliche Goldstandard für grüne Anleihen durchsetzen wird.

*) Dr. Michael Born ist Counsel bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt.

Dr. Michael Born ist Counsel bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt.