Im InterviewKeita Kubota, Neuberger Berman

„Das Schiff Japan hat seinen Motor endlich gestartet“

Nicht nur Nachholeffekte bei Konsum und Industrieproduktion locken derzeit viele ausländische Investoren nach Japan. Auch die Reform der Corporate Governance macht Japan-Aktien attraktiv.

„Das Schiff Japan hat seinen Motor endlich gestartet“

Im Interview: Keita Kubota

„Das Schiff Japan hat seinen Motor endlich gestartet“

Manager des Neuberger-Berman-Fonds: Japan bietet wegen der Reformen eine einzigartige Gelegenheit

Nicht nur Nachholeffekte bei Konsum und Industrieproduktion locken derzeit viele ausländische Investoren nach Japan, meint Fondsmanager Keita Kubota von Neuberger Berman. Auch die Reform der Corporate Governance mache Japan-Aktien attraktiv.

Herr Kubota, der Nikkei 225 hat in diesem Jahr bis zu knapp 30% zugelegt. Wie sehen Sie die weiteren Perspektiven?

Die weitere Entwicklung hängt teilweise von den US-Zinsen ab. Aber fundamental betrachtet sind wir recht positiv eingestellt. Japan wird besser abschneiden als die anderen Märkte.

Was stimmt Sie so zuversichtlich?

Japan war bis Oktober 2022 im Covid-Lockdown mit geschlossenen Grenzen. Wir sahen nun eine V-förmige Erholung beim Privatkonsum, sowohl lokal getrieben als auch durch den Tourismus von Ausländern. Die Zahl der Besucher liegt erst bei 70% von vor der Pandemie, aber der Konsum ist höher als 2019, weil der schwache Yen das Einkaufen günstig macht. Demnächst dürfen auch die Chinesen wieder reisen, die vor Covid die größte Besuchergruppe stellten.

Wie sieht es aus mit der Industrieproduktion?

Die japanischen Autobauer erhalten nun mehr Halbleiter und fahren ihre Produktion wieder hoch. Die Autoindustrie leistet in Japan einen der höchsten Beiträge aller Sektoren zum Bruttoinlandsprodukt. Auch anderen Herstellern wie denen von Musikinstrumenten hilft die bessere Chipversorgung. Der einzige negative Punkt ist die Erholung in China, die langsamer verläuft als anfangs von uns erwartet. Aber insgesamt befindet sich Japan in besserer Verfassung als die USA und Europa.

Reichen diese Sonderentwicklungen, um die Welle von ausländischen Aktienkäufen zu erklären?

Nicht nur. Japanische Unternehmen werden in diesem Jahr ein kräftigeres Gewinnwachstum erzielen als Firmen in den USA und Europa. Man sollte vor dieser Erholung in Japan investieren. Regierung, Finanzaufsicht und Börse strengen sich auch alle an, den fundamentalen Zustand der Unternehmen zu verbessern. Damit meine ich insbesondere die Corporate Governance. Japanische Firmen werden sehr konservativ geführt im Vergleich zu anderen Ländern. Sie restrukturieren und konsolidieren nicht, obwohl in vielen Sektoren sehr viel Wettbewerb herrscht und der Markt insgesamt schrumpft.

Wie gehen Regierung und Börse mit diesem Sonderproblem um?

Zum Beispiel hat die Börse im Februar die Unternehmen zu einem Kurs-Buch-Verhältnis von mindestens 1 aufgefordert, um die Überkapitalisierung der Bilanzen abzubauen. Andernfalls mache eine Notierung keinen Sinn. Keine andere Börse der Welt hat eine solche klare Vorgabe gemacht. Mit dem besseren Kurs-Buch-Verhältnis steigt auch der Gewinn. Der damalige Premier Shinzo Abe startete die Strukturreform inklusive Corporate Governance vor zehn Jahren. Anfangs waren diese Maßnahmen nicht viel mehr als eine Show. Ein Drittel der Direktoren sollte unabhängig sein, aber der Präsident oder Chairman wählte seine Golfkumpel aus.

Zehn Jahre Reform waren nur Show?

Nun, Japan ist wie ein großes Schiff, eine Kursänderung erfordert viel Anstrengung. Abe und seine Verbündeten arbeiteten hart, damit das sinkende Schiff über Wasser blieb. Jetzt springt der Motor an, jetzt beginnt die Phase 2. Und wenn in Japan etwas in Bewegung gerät, dann bewegt sich alles sehr schnell. Diesen Kipppunkt haben wir erreicht. Nicht alle werden mitmachen. Aber wenn nur 20% bis 30% der Firmen nach hohen Zielen streben, wird es die Richtung des Aktienmarktes verändern. Es gibt jedenfalls eine breite Front von Akteuren, darunter die Regierung und die Börse, die höhere Aktienpreise sehen wollen. Kurz gesagt: Japan wird sich ziemlich stark revitalisieren und ist daher eine einzigartige Kaufgelegenheit.

Die Bank of Japan (BoJ) hat am Freitag überraschend beschlossen, die Obergrenze für die 10-jährige Rendite auf 1% zu erhöhen, während die Kontrolle der Zinskurve unverändert blieb. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?

Die Änderung der Geldpolitik lag nicht außerhalb des von den Marktteilnehmern erwarteten Rahmens, und die Marktreaktion hielt sich in Grenzen, abgesehen von einer leichten Stärke des Yen und einem leichten Anstieg der 10-jährigen Rendite. Die BoJ könnte ihre Politik weiterhin schrittweise anpassen und dabei die Marktreaktionen beobachten. Aber ihre Priorität wird darin bestehen, der japanischen Bevölkerung eine inflationäre Einstellung zu vermitteln. Wir sehen dies positiv, da es ein notwendiger Schritt zur Normalisierung der Wirtschaft mit einer akkommodierenden Geldpolitik ist.

In der Vergangenheit verabschiedeten sich viele Auslandsinvestoren nach anfänglich starkem Engagement ja wieder. Wird sich diese Entwicklung nicht wiederholen?

Ich denke nicht. Ich komme gerade von einer dreiwöchigen Roadshow in den USA und Europa zurück. Meiner Meinung nach sind viele Anleger im Ausland immer noch skeptisch eingestellt. Aber die Haltung vieler japanischer Manager zu den genannten Themen hat sich geändert, der Druck ist viel größer als vor zehn Jahren. Der Chairman von Canon, Fujio Miterai, wäre in diesem Jahr fast abgesetzt worden, das gab es bei einem Nikkei-Unternehmen noch nie. Wir starten hier von einem sehr niedrigen Niveau, so dass das Aufwärtspotenzial sehr groß ist.

Anscheinend haben schon einige Auslandsinvestoren die Veränderungen erkannt. Aber die Japaner selbst investieren bislang eher nicht in Aktien.

Premier Fumio Kishida will das Vermögen der Haushalte verdoppeln. Der einzige Weg dazu sind Aktien. Bisher liegen 55% der privaten Vermögen auf Bankkonten. Die letzten 20, 30 Jahre war das wegen der Deflation nicht falsch. Aber die Inflation wird die Einstellung zu Aktien ändern. Und die jüngeren Generationen, die den Zusammenbruch des Nikkei 1989 nicht miterlebt haben, haben mehr Vertrauen in Aktien. Außerdem werden nächstes Jahr die Kapitalsumme und die Laufzeit von steuerfreien Aktienanlagen erhöht. Wegen der neuen Lage werden Privatanleger mehr Aktien kaufen.

Welche Rolle spielen Inflation und Löhne in Ihrer Analyse?

Im vergangenen Jahr war die Inflation höher als die Lohnsteigerungen. Aber in diesem Jahr gehen die Löhne in einem Tempo wie zuletzt vor 30 Jahren nach oben, während die Kosteninflation im zweiten Halbjahr zurückgeht. Das ist positiv für den Konsum.

Viele Investoren sind mit dem schwachen Yen beschäftigt. Wie lautet Ihre Einschätzung?

Aus der Sicht von ausländischen Investoren ergibt es Sinn, japanische Aktien zu kaufen, indem sie sich dafür Yen leihen, so wie es Warren Buffett getan hat. Aber wer japanische Aktien in Euro kauft, kann an der künftigen Aufwertung des Yen teilhaben und der Markt schneidet dazu besser ab als anderswo. Also kann man auf zweierlei Weise gewinnen.

Wie investiert Ihr eigener Fonds in japanische Aktien?

Beim Neuberger Berman Japan Equity Engagment Fund konzentrieren wir uns auf kleine und Mid-Cap-Unternehmen. Dieser lukrative Markt wurde – übrigens nicht nur in Japan – viele Jahre lang übersehen. Wir erklären den Firmen, dass sie sich und wie sie sich ändern müssen. Wenn das Führungsteam unsere Ideen verwirklichen will, dann investieren wir, falls nicht, lassen wir sie links liegen.

Also agieren Sie nicht als Aktivisten?

Nein, wir sind „freundliche“ Aktionäre, die einen kontinuierlichen Wandel sehen wollen. Wir kaufen keine 10% und üben damit Druck aus. Wir investieren in Firmen, die sich verändern wollen, aber nicht wissen wie und auf unseren Rat hören. Wir sagen ihnen zum Beispiel, dass sie ihre Bilanzen auf Englisch veröffentlichen und mehr Zahlen als vorgeschrieben veröffentlichen sollen, auch ESG ist ein wichtiger Faktor. Und wir kaufen Unternehmen, die ihren Umsatz zu 70% oder 80% im Ausland machen. Diese Aktien sind allein deswegen preiswert, weil sie in Japan notiert sind, was keinen Sinn ergibt.

Können Sie zwei Beispiele aus Ihrem Fonds nennen?

Wir haben zum Beispiel Anteile an Amada gekauft, ein direkter Wettbewerber von Trumpf in Deutschland, und von Ricoh, dem Weltmarktführer für A3-Druck. Das Kurs-Buch-Verhältnis ist jeweils unter 1, aber beide sind Spitzenklasse auf ihrem Geschäftsfeld. Der Fair Value ist viel höher. So macht ein Unternehmen in Japan traditionell alles selbst, aber warum brauchen Firmen wie Amada und Ricoh eine eigene Finanzierungs- und eine Logistikeinheit für die Produktauslieferung?

Wie erfolgreich war diese Strategie bisher?

Unser Fonds wurde im Dezember 2019 direkt vor der Pandemie gestartet. Seitdem haben wir 450 Basispunkte besser abgeschnitten als der MSCI Japan Smallcap.

Das Interview führte Martin Fritz.

Das Interview führte Martin Fritz.

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