Aktienselektion

Defensive Aktien sind gefragt

Bei der Auswahl geeigneter Aktien hilft die Relative-Performance-Matrix. Derzeit zeigt sie, dass in Europa die Lebensmittel- und Konsumsektoren wieder interessant sind.

Defensive Aktien sind gefragt

Von Christian Henke*)

Hüte Dich vor den Iden des März, hieß es im alten Rom. Auch in der Neuzeit verspricht der genannte Monat nicht immer Gutes, wie in den letzten Wochen zu spüren war. Vor allem die Angst vor einer Bankenkrise ließ die Erinnerungen an das Jahr 2008 wieder wach werden. Wie einst wurde der Bankensektor von Verkaufswellen überrannt. Auch wenn die befürchtete Finanzmarktkrise 2.0 wohl ausbleibt, hatte die jüngste Verunsicherung Auswirkungen auf das Verhalten der Anleger.

Am Tag des Einmarsches der russischen Armee in das Nachbarland Ukraine raste eine Verkaufswelle über die europäischen Börsen. Vor allem der durch die Niedrigzinsphase arg gebeutelte Bankensektor wurde hart getroffen. Mit dem Beginn der Zinserhöhungen in den USA und später dann auch in der Eurozone konnten die Kreditinstitute aufatmen und die Aktien waren plötzlich gefragt. Über Monate hinweg gehörten die Anteilscheine zu den Gewinnern, wäre da nicht die kleine kalifornische Bank Silicon Valley Bank gewesen, die infolge des rasanten Zinserhöhungstempos der US-Notenbank das Handtuch werfen musste. Und abrupt endete die Herrlichkeit im europäischen Bankensektor. Innerhalb kürzester Zeit mussten die Aktien von Deutsche Bank & Co. ihre schönen Kursgewinne abgeben. Charttechnisch ist der jüngste Schaden immens.

Keiner mag Immobilientitel

Gegenüber den Bankaktien stehen Anteilscheine aus dem Sektor Immobilien bereits seit längerem auf der Verkaufsliste. Seit dem Beginn der Zinswende werden Aktien aus diesem Wirtschaftszweig gemieden. Steigende Zinsen sind bekanntlich Gift für Immobilienkonzerne. Vor allem der Kurs von Vonovia brach in den letzten Monaten deutlich ein. Unter technischen Gesichtspunkten empfiehlt sich der Dax-Titel nicht.

Aber wie soll der Anleger angesichts der momentan zahlreichen Störfaktoren geeignete Aktien auswählen? Hierbei hilft die Relative-Performance-Matrix. Dargestellt werden in unserem Beispiel die Aktiensektoren des Stoxx 600. Die Matrix besteht aus vier Quadranten. Zu sehen ist die Performance der letzten drei Monate und vier Wochen. Ist die Kursentwicklung sowohl auf Sicht der zurückliegenden drei Monate und vier Wochen positiv, hält sich der Subindex im Sektor II und somit im Aufwärtstrend auf. Schwächelt dagegen der Sektor kurzfristig, liegt eine Korrektur vor. In diesem Fall ist der Stoxx-600-Subindex im Sektor III zu finden. Bei einer negativen Performance auf Sicht der beiden Zeiteinheiten befindet sich der Subindex im Abwärtstrend (Sektor IV). Innerhalb eines Abwärtstrends kommt es zu Gegenbewegungen. Die kurzfristige Performance wird dann positiv, die mittelfristige dagegen bleibt negativ. Der Stoxx-Index liegt dann im Erholungssektor I. Die Performance-Zahlen werden dann noch mit der Kursentwicklung des Ge­samtmarktes, in diesem Fall der Stoxx 600, verglichen. Die Relative Performance-Matrix verläuft im Uhrzeigersinn. Anders formuliert, schwache Aktien werden stark und starke Aktien werden irgendwann schwach. Zum einen fungiert die Matrix als Filter, frei nach dem Motto „Wohin fließt das Geld?“ und zum anderen dient die Matrix als Marktbreiteindex. Je mehr Subindizes sich im Sektor II aufhalten, desto stabiler ist der Aufwärtstrend. Sind dagegen mehr Stoxx-Indizes im Sektor IV zu finden, muss von einem intakten Abwärtstrend des Gesamtmarktes ausgegangen werden.

Wieder interessante Sektoren

Aber kommen wir wieder zurück zur Auswahl geeigneter Branchen und Aktien. Zuletzt haben sich zwei Sektoren wieder zurückgemeldet, die sich lange im Abwärtstrend befanden. Die Rede ist von den Dividendenpapieren aus den Subindizes Lebensmittel und Konsumgüter. Der Stoxx 600 Food & Beverages (Lebensmittel) hat den Sprung vom Quadranten I in den Quadranten II geschafft. Interessante Werte sind beispielsweise Anheuser-Busch und Pernod Ricard. Der Subindex Konsumgüter empfiehlt sich ebenfalls. Aktien wie beispielsweise Beiersdorf und Hermès halten sich bereits seit längerem im Sektor II auf.

Im Auswahlprozess haben es die Stoxx-Indizes Lebensmittel und Konsumgüter in die nächste Runde geschafft. Nun geht es im Top-down-Ansatz eine Stufe weiter. Hier schaut sich der Anleger die Einzelaktien in den jeweiligen Börsenbarometern an. Einige Kandidaten wurden schon genannt. Über den Einstieg können die Charttechnik, Fundamentalanalyse oder die Saisonalität entscheiden. Charttechnisch sehen die Aktien von Anheuser-Busch, Pernod Ricard, Hermès (Mode) und Beiersdorf aussichtsreich aus. Entweder sind die Anteilscheine schon nach oben ausgebrochen oder stehen unmittelbar davor. Neben der Analyse mit Lineal und Bleistift kann auch die Saisonalität zu Rate gezogen werden. Die Beiersdorf-Aktie aus Deutschland hat am 13. März eine starke saisonale Phase begonnen, die bis zum 4. Juni geht. In den letzten zehn Jahren konnte der Dax-Titel um durchschnittlich 11,98% zulegen. Auch bei dem weltweit größten Brauereikonzern Anheuser-Busch läuft seit Kurzem eine starke Marktphase, die bis zum 20. April geht. Der durchschnittliche Ertrag liegt bei rund 6%. Sehr aussichtsreich sieht es bei dem französischen Modekonzern Hermès aus. In den letzten zehn Jahren konnten sich die Aktionäre über einen durchschnittlichen Gewinn von über 15% freuen.

*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG Europe.

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