Hochprozentiges Kurspotenzial

Absätze der Alkoholkonzerne brechen ein - Hoffnung auf Corona-Lockerungen schiebt Aktien an

Hochprozentiges Kurspotenzial

Die Schließungen in der Gastronomie und Hotellerie haben die Kurse der Alkoholkonzerne zuletzt stark belastet. Gerade für die Hersteller hochwertiger Spirituosen dürfte auch das zweite Quartal hart werden. Dennoch bieten sich laut Experten durch das langfristige Konsumwachstum Chancen für Investoren.Von Alex Wehnert, FrankfurtDer Durst der Börsianer nach den Titeln der Alkoholbranche steigt kräftig: Die Aktien von Unternehmen wie AB Inbev, Carlsberg und Molson Coors haben seit ihren Jahrestiefs von Mitte März über 20 % zugelegt. Dabei sind die Folgen der Pandemie für den Sektor noch lange nicht vorbei. “Da Restaurants, das Nachtleben und Veranstaltungen auf der ganzen Welt gerade aussetzen müssen, leiden die Unternehmen darunter”, sagt Donny Kranson, Portfoliomanager bei der Quality Growth Boutique von Vontobel Asset Management.Es bestehe auch das Risiko einer zweiten Infektionswelle. Selbst wenn Lokale bald wieder öffnen dürften, seien künftig neue Schließungen möglich. Gastronomie und Hotellerie in wichtigen Absatzmärkten drohen zudem massive Insolvenzen, den Brau- und Spirituosenkonzernen dürften in der Folge zahlreiche große Abnehmer dauerhaft wegbrechen. Auch die Verschiebung von Großveranstaltungen wie der transkontinentalen Fußball-Europameisterschaft im Sommer trifft den Sektor empfindlich.Von den Einschränkungen ist nicht nur der Bierkonsum betroffen, sondern auch der Absatz hochwertiger Spirituosen wie Cognac. Der staatlich kontrollierte französische Branchenverband Bureau National Interprofessionnel Du Cognac (BNIC) gab bekannt, dass sich das Exportwachstum im März im Vergleich zum Februar fast halbiert hat, im Vergleich zum Vorjahresmonat stehe sogar ein Rückgang der Ausfuhren um 30 % zu Buche. Cognac-Exporte leidenGestützt würden die Cognac-Exporte zwar immer noch durch stabile Abnahmezahlen des größten Importmarktes USA (siehe Grafik). Der Trend ist laut der Investmentbank J.P. Morgan Cazenove aber auch dort bereits rückläufig und werde sich auch im zweiten Quartal verschlechtern. Angesichts einer erhöhten Arbeitslosigkeit und einer Rezession dürften sich nach einer Öffnung von Bars und Restaurants laut Kranson vor allem erschwinglichere Produkte erhöhter Beliebtheit erfreuen.Gerade für den französischen Hersteller Rémy Cointreau, bei dem Cognac über 70 % des Absatzes ausmacht, sind das schlechte Nachrichten. Im bisherigen Jahresverlauf liegt die Aktie von Rémy Cointreau zwar mit nur 8 % im Minus und hat damit gegenüber anderen Titeln des Sektors eine Outperformance hingelegt. Laut J.P. Morgan Cazenove ist gerade dies aber problematisch, da noch viel Spielraum nach unten bestehe – und das Cognac-Geschäft sei stark zyklisch geprägt, die Absätze seien auch vor der aktuellen Krise bereits einige Male überraschend eingebrochen. Die Analysten raten dazu, die Aktie von Rémy Cointreau unterzugewichten, und setzen das Kursziel (aktuell: 100,90 Euro) auf 103,20 Euro.Der Zeitpunkt der geschäftlichen Erholung ist allerdings für alle Unternehmen der Branche extrem schwer abzuschätzen. Die weltgrößte Brauereigruppe AB Inbev, zu deren Marken unter anderem Beck’s und Stella Artois gehören, hat zuletzt ihre für 29. April angesetzte Hauptversammlung in den Juni verschoben, zahlreiche Konzerne haben zudem ihre Ausblicke für das Gesamtjahr verworfen und wagen noch keine neuen Prognosen. Wie auch in anderen Branchen kommt es zu massiven Dividendenkürzungen, AB Inbev etwa hat ihren Vorschlag für 2019 auf 50 Cent halbiert.Der niederländische Branchenriese Heineken, der am Mittwoch seine Zahlen für das erste Quartal vorlegte, strich seine üblicherweise nach der Hauptversammlung im August ausgezahlte Zwischendividende komplett. Die Bierverkäufe seien im März weltweit um 14 % eingebrochen, der Nettogewinn sackte im ersten Quartal auf 94 Mill. Euro ab. In den ersten drei Monaten 2019 war noch ein Nettogewinn von 299 Mill. Euro erwirtschaftet worden. Indes will der dänische Carlsberg-Konzern ein im Februar angekündigtes Rückkaufprogramm überprüfen und Marketing-Kampagnen eindampfen. Die Zahl der Neueinstellungen hat das Unternehmen bereits stark begrenzt.Aus Sicht der Marktteilnehmer dominieren aktuell aber wohl die positiven Signale bezüglich einer schrittweisen Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens. “Wir sehen bereits eine Erholung in China”, sagt Kranson. Außerdem gebe es täglich neue Nachrichten darüber, welche anderen Länder die Coronabeschränkungen aufhöben und in welchem Umfang. Für die Alkoholkonzerne werde sich die geschäftliche Lage weitgehend normalisieren, sobald die Verbraucher sich beim Ausgehen wohlfühlten. “Längerfristig wird die Fähigkeit, starke und zunehmende Cash-flows zu generieren, zu steigenden Dividendenströmen führen”, prognostiziert Vontobel-Manager Kranson. Generell sei die hohe Liquidität der Unternehmen eine Stärke der Alkoholindustrie. Schwellenländer im BlickIn den Fokus der Anbieter rücken dürften nun vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer als Wachstumsmärkte. “In Indien zum Beispiel wird eine riesige Menge illegaler Spirituosen konsumiert, im Laufe der Zeit sollte sich das auf legale Produkte verlagern”, sagt Kranson. In vielen anderen aufstrebenden Märkten herrsche eine ähnliche Dynamik. So könne der Pro-Kopf-Konsum von legalem Alkohol steigen, ohne dass insgesamt ein höherer Alkoholkonsum stattfinde. Darüber hinaus wachse die Bevölkerung in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern immer noch stark.Andersherum verhält es sich in den Industrienationen: Dort könnte der Gesamtkonsum laut Kranson mit einem geringeren Bevölkerungswachstum und einem höheren Durchschnittsalter langfristig sogar zurückgehen. “Da die Verbraucher jedoch weniger trinken, neigen sie dazu, Premiumprodukte zu konsumieren”, sagt der Portfoliomanager. Diese Mixverschiebung könne zu einem stärkeren Umsatzwachstum und besseren Gewinnmargen führen.