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Kapital­märkte 2023 im Rezessions­umfeld

Die LBBW sieht die Kapitalmärkte 2023 geprägt von einem rezessionären Umfeld. Die Firmeninsolvenzen sollten ihrer Meinung nach ansteigen. Ab der Jahresmitte könnten sich die Märkte erholen.

Kapital­märkte 2023 im Rezessions­umfeld

kjo Frankfurt

Angesichts einer Vielzahl von Belastungsfaktoren rechnet das Research der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) für das kommende Jahr nur mit wenigen Lichtblicken in ökonomischer Hinsicht. „Nach dem Annus horribilis 2022 erwarten wir 2023 den Tiefpunkt der Wirtschaftsentwicklung“, sagt Chefvolkswirt Moritz Kraemer. Gebe es zur Abwechslung aber auch un­erwartet gute Nachrichten, wie das Ende der Pandemie, eine weitere Entspannung bei den Lieferketten, oder ein Ende des Ukraine-Kriegs, werde die europäische Wirtschaft schnell wieder in den Vorwärtsgang finden.

Deutliche Bremsspuren

Zuvor jedoch sehen die LBBW-Analysten deutliche Bremsspuren. Sei die Inflation in Deutschland im Oktober dieses Jahres erstmals seit 1951 zweistellig gewesen, so werde sie bis Februar 2023 bis auf 12% klettern. Das sei dann ein Rekordwert in der Geschichte der Bundesrepublik. Besonders die Preise für Gas und Strom werden nach Einschätzung von Kraemer für Verbraucher und Industrie in den kommenden Monaten weiter steigen: „Wenn die Inflation ab dem Frühjahr wieder zurückgeht, dann heißt das ja nicht, dass die Preise wieder fallen. Sie steigen nur langsamer“, führt der Chefvolkswirt des Hauses hierzu weiter aus. Sicher sei zudem, dass der Anstieg der Energiepreise in Zukunft weitere Güter im Warenkorb der Statistiker verteuern werde.

Besorgt blicken die Analysten auf die langfristigen Folgen der Entwicklung. Erste Unternehmen prüfen bereits temporäre Werksschließungen oder -verlagerungen ins preiswertere Ausland, sollten die Energiepreise dauerhaft hoch bleiben, so Kraemer. Die gegenwärtige Energiekrise mit Rekordpreisen und Gaslieferengpässen schade der Wettbewerbsposition der deutschen Indus­trie im weltweiten Vergleich überproportional, urteilen die Experten. Investitionen in energieintensive Betriebe würden so lange sinken, bis wieder Klarheit über eine kostengünstige Energieversorgung herrsche. Die Inbetriebnahme der ersten Flüssigerdgas-Terminals an der Nordsee dürfte zwar die Gaspreise drücken. Eine Rückkehr der Preise auf das Niveau vor dem Ukraine-Krieg bedeute dies jedoch nicht.

Sinkende Investitionen der Unternehmen und zurückhaltende Konsumausgaben der Verbraucher werden Deutschland nach Ansicht der LBBW im nächsten Jahr in die Rezession führen. Für 2023 prognostiziert das LBBW Research der größten Volkswirtschaft der Eurozone einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,5%, dem gemeinsamen Währungsraum ein Wirtschaftsminus von 0,8%. Zusammen mit steigenden Zinsen dürfte die Rezession dazu führen, dass die Insolvenzen zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder deutlich anschwellen. Kraemer geht aber nicht von einem extremen Anstieg der Pleitewelle der Firmen aus. Als Lichtblick für die gebeutelte deutsche Wirtschaft rechnet das LBBW Research damit, dass sich die anhaltenden Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten weiter entspannen.

Wenig überraschend, dass die Analysten dem Aktienmarkt für 2023 vor dem Hintergrund dieses wirtschaftlichen Umfeldes eine zunächst weiter schwierige Phase voraussagen. Seit Jahresbeginn hätten einzelne Aktienmärkte zwar bereits ein Fünftel ihres Werts verloren. Weitere Kursrückgänge seien jedoch wahrscheinlich, weil die bevorstehende Rezession und eine Fülle absehbar schlechter Nachrichten zu Prognosesenkungen und Herabstufungen führen dürften, meinen die Experten. Aktuell basierten noch viele Bewertungen auf allzu hohen Gewinnerwartungen. Die Wall Street sei sogar noch höher bewertet als im langjährigen Mittel.

Turnaround wahrscheinlich

Der Vergleich mit vergangenen Börseneinbrüchen spreche dafür, dass eine Börsenerholung noch nicht endgültig in Sicht sei. Jedoch halten die Analysten einen Turnaround zur Jahresmitte für wahrscheinlich: „In wenigen Monaten werden sich die Märkte in einer Erholung befinden“, so die Prognose. Bis zum Jahresende 2023 soll es mit 15500 Punkten sogar für ein ordentliches Plus reichen (vgl. Grafik).

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