Schuldscheine

Schuldscheinmarkt gewinnt Schwung

Der Schuldscheinmarkt gewinnt an Internationalität. Die Bonität der Emittenten sinkt, und die Risikoprämien gehen kontinuierlich zurück.

Schuldscheinmarkt gewinnt Schwung

kjo Frankfurt

Der Schuldscheinmarkt kommt zur Mitte dieses Jahres wieder ein wenig in Schwung, auch wenn er bei weitem noch nicht an die Dynamik der Zeit vor dem Jahr 2020 anknüpfen kann. Dies geht aus einer Analyse von Capmarcon hervor, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft und entwickelt Strategien zur Kapitalbeschaffung und Bilanzstrukturoptimierung. Dies umfasst Eigenkapital-, Fremdkapital- und Mezzaninekapitalbeschaffung. Das arrangierte Darlehensvolumen an Schuldscheinen erreichte im dritten Quartal 5,6 Mrd. Euro nach 4,4 Mrd. Euro im ersten Quartal und nur 2 Mrd. Euro im zweiten Quartal dieses Jahres. Mit insgesamt 12,1 Mrd. Euro liege das Niveau von Januar bis September aber nochmals tiefer als im ohnehin schwachen Vorjahr.

Für diese Marktsituation gibt es laut Capmarcon im Wesentlichen vier Gründe. In diesem Jahr seien die Konditionen bei Anleihen – insbesondere in puncto Risikoprämien – signifikant günstiger als beim Schuldschein, weshalb einige Unternehmen mit Kapitalmarktzugang die Anleihe in der Finanzierung bevorzugten. Zweitens: Die Liquiditätsausstattung vieler Unternehmen mit guter Bonität sei gegenwärtig sehr komfortabel, weshalb bei den klassischen Nutzern des Schuldscheins aktuell nur ein geringer externer Finanzierungsbedarf bestehe. Drittens: Investoren würden noch immer eine erhöhte Risikoaversion aufweisen, bonitätsschwächere Kreditnehmer müssten eine am Schuldscheinmarkt unübliche Risikoprämie bezahlen.

Viertens: Zur moderaten Erholung tragen laut Capmarcon Debüt-Kreditnehmer bei. Denn Investoren würden sich verstärkt mit neuen Geschäftsmodellen sowie Rendite-Risiko-Profilen beschäftigen und würden entsprechende Anlageziele suchen. Der Anteil der Debüt-Schuldscheine nahm laut Capmarcon im Neunmonatszeitraum von 12% im Jahr 2020 auf 40% in diesem Jahr zu.

Weniger Schweizer Adressen

Der Schuldscheinmarkt hat laut Capmarcon in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 insgesamt wieder an Internationalität hinzugewonnen, wenngleich gerade im dritten Quartal das Gewicht deutscher Darlehensnehmer (72%) wieder gestiegen sei. Insbesondere Unternehmen aus Österreich und aus Frankreich hätten in diesem Jahr Schuldscheindarlehen verstärkt nachgefragt. Deutlich rückläufig sei gleichzeitig der Auftritt von Schweizer Adressen wegen aus­reichender Liquiditätsversorgung gewesen.

Hinsichtlich der sektoralen Verteilung der aufgenommenen Schuldscheindarlehen sei das verarbeitende Gewerbe mit einem Anteil am neuen Volumen von 39% im Zeitraum Januar bis September dieses Jahres zwar unverändert die größte Gruppe gewesen. Allerdings sei die Quote in der laufenden Periode deutlich zurückgegangen: In den Vorjahren habe der Anteil stets zwischen 50% und 60% gelegen.

Einerseits sank laut Capmarcon der Finanzierungsbedarf der Indus­trie, andererseits konnten auch weniger große Dienstleistungsunternehmen den Kreditgebern attraktive Risiko-Rendite-Profile bieten. Insgesamt sei der durchschnittliche Umsatz der Schuldscheine begebenden Unternehmen im bisherigen Jahresverlauf merklich zurückgegangen. Dies sei ebenso eine Folge der Suche der Investoren nach neuen Adressen für ihre Portfolios. Dadurch werde das Schuldscheinspektrum facettenreicher. Präsenz am Markt hätten gleichzeitig wieder Darlehensnehmer aus dem Sektor Energie, Ver- und Entsorgung gezeigt.

Die durchschnittliche Bonität der Schuldscheine begebenden Unternehmen sei im bisherigen Jahresverlauf 2021 zurückgegangen. Dabei seien drei Aspekte auffallend. Erstens: Die Bonität von Unternehmen, die erstmals den Schuldschein nutzten, sei im Durchschnitt bislang mitunter deutlich geringer gewesen als die von etablierten Unternehmen, die den Schuldschein schon mehrfach eingesetzt hätten. Nun habe sich diese Lücke geschlossen, so dass zwischen beiden Darlehensnehmergruppen praktisch kein Unterschied mehr bestehe.

Zweitens: Ungeachtet des leichten Rückgangs des durchschnittlichen Ratings von „BBB“ auf „BBB–“ sei die Gesamtleistung noch immer im risikoarmen Investment-Grade-Bereich. Beigetragen zu dieser marginalen Bonitätsverschlechterung hätten zum einen neue Risiko-Rendite-Profile, zum anderen weniger große Darlehensnehmer mit Jahresumsätzen von unter 1 Mrd. Euro, die nach der Bewertungssystematik von Ratings – schlechtere Diversifikationsmöglichkeiten – den Bereich des Investment Grade nur in Ausnahmefällen erreichen können. Drittens: Die Angleichung der Bonität von Debütanten und etablierten Firmen sowie die Angleichung der Durchschnittswerte überdecke, dass die aktuelle Spannbreite der Ratingeinstufungen sehr groß sei – sie reiche vom „BB“ eines Dienstleistungsunternehmens bis hin zum „AA“ eines städtischen Betriebes.

Im Herbst 2021 sei zwar keine wesentliche Änderung der den Schuldscheinmarkt treibenden Faktoren wahrscheinlich, doch bereits leichte Bewegungen in den Rahmenbedingungen könnten neuen Arrangements Auftrieb verleihen. Die Konditionen an den konkurrierenden Marktsegmenten Anleihe und konventioneller Bankkredit blieben weiterhin günstig; der Vorsprung sollte laut Capmarcon aber abnehmen. Die vergleichsweise gute Liquiditätslage bei vielen der bisher am Schuldscheinmarkt auftretenden Unternehmen bleibe erhalten. Eine verstärkte Investitionstätigkeit lasse aber auch die Mittelnachfrage wieder steigen.

Volumen könnte schrumpfen

Mit einer weiteren Beruhigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und einer Schärfung der Erwartungen zur künftigen Preisentwicklung werde sich auch das Klima am Schuldscheinmarkt normalisieren. Mit einer raschen Rückkehr zu arrangierten Volumina, wie sie in den Vorjahren zu beobachten waren, sei gleichwohl nicht zu rechnen.

Eine wieder anziehende Wirtschaftstätigkeit – national wie international – wirke entspannend auf die Risikoprämien auch am Schuldscheinmarkt – diese seien seit einem temporären Ausschlag im zweiten Quartal 2020 über alle Bonitäten und Laufzeiten hinweg kontinuierlich sinkend. Aktuell bestehe allerdings nur noch ein geringer Spielraum für ein weiteres Sinken, zumal die Prämien schon jetzt fast wieder das Niveau am Jahresende 2019 erreicht hätten.

Bei steigenden Tilgungsbeträgen sei das am Schuldscheinmarkt ausstehende Volumen zum Ende des dritten Quartals 2021 mit 141,2 Mrd. Euro gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum nahezu unverändert geblieben. Ohne signifikanten An­wstieg der neu arrangierten Darlehensbeträge werde das ausstehende Schuldscheinvolumen in den nächsten Quartalen schrumpfen.

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