Börse Madrid

Spanischer Aktienmarkt berappelt sich langsam

Spanien wurde von der Pandemie stärker getroffen als andere Länder in Europa, was sich auch am Aktienmarkt zeigt. Die Börse erholt sich nur behutsam und bleibt hinter anderen zurück. Doch die besseren Aussichten für die Finanzbranche und die Chancen bei der Energiewende bringen Schwung in den Markt.

Spanischer Aktienmarkt berappelt sich langsam

Von Thilo Schäfer, Madrid

Im altehrwürdigen Palacio de la Bolsa in Madrid feierte man am Donnerstag endlich mal wieder ein neues Mitglied. Bankinter brachte seinen Direktversicherer Línea Directa aufs Parkett. Die Bank veräußerte über ein Listing 83% der Anteile an Anleger. Das Unternehmen, das Bankinter vor 26 Jahren einst mit Royal Bank of Scotland gegründet hatte, wurde mit dem Ausgabepreis mit 1,4Mrd. Euro bewerte. Der Kurs stieg prompt um fast 30%.

Damit endet in Spanien eine lange Flaute an Börsengängen. Letztes Jahr hatte sich lediglich das Solartechnikunternehmen Soltec aufs Parkett gewagt. Doch jetzt belebt sich das Geschäft mit IPOs in Madrid wieder. Schon zum Wochenschluss gibt mit Ecoener ein weiteres Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien seinen Einstand, gefolgt von Opdenergy nächste Woche. Den größten Börsengang seit Langem plant der Mischkonzern Acciona, der seine auf 10 Mrd. Euro – einschließlich Schulden – geschätzte Ökostrom-Tochter an die Anleger verkaufen will. Auch der Erdölkonzern Repsol plant, seine Stromerzeugung aufs Parkett zu bringen.

Die spanische Energiebranche hat das Interesse der Anleger geweckt, wie auf dem Spain Investors Day Anfang des Jahres klar wurde. „Die Stromerzeuger haben die meiste Aufmerksamkeit bekommen, wegen der Pläne für die Energiewende“, kommentiert Benito Berceruelo, der das wichtigste jährliche Treffen spanischer Konzerne mit Investoren aus dem Ausland organisiert. Auch Infrastrukturbetreiber und die von der Corona-Pandemie arg gebeutelte Tourismusbranche sind laut Berceruelo bei den Fondsmanagern beliebt. Im Energiebereich wartet derzeit das Übernahmeangebot des australischen Finanzinvestors IFM von 5 Mrd. Euro für 23% des Energiekonzern Naturgy auf die Einwilligung der spanischen Regierung. Teresa Ribera, stellvertretende Ministerpräsidentin und zuständig für die Energiewende, erklärte vor kurzem, dass ausländisches Kapital schon sehr stark im heimischen Energiesektor vertreten sei und man daher Garantien einfordern werde.

Die spanische Wirtschaft und damit auch die Börse haben das Schlimmste der Coronakrise hinter sich gelassen. Das Land wurde vom Virus stärker getroffen als andere europäische Staaten, vor allem wegen des großen Gewichts des Tourismus, dem wichtigsten Wirtschaftszweig. Das betraf auch den Aktienmarkt. Der Schwergewichtsindex Ibex 35 gehörte 2020 zu den Schlusslichtern in Europa, was auch dem starken Gewicht der spanischen Banken geschuldet war, deren Kurse aus Angst vor drohenden Kreditausfällen in den Keller sanken.

Nachdem die Wirtschaft letztes Jahr um fast 11% einbrach, haben die anhaltend hohen Infektionszahlen in den letzten Monaten die Aussichten auf eine schnelle Erholung etwas getrübt. Die spanische Notenbank senkte ihre Prognose für das Bruttoinlandprodukt in diesem Jahr auf 6%, die Regierung geht noch von 6,5% aus. Viel hängt vom Fortschritt der Impfungen in ganz Europa ab, damit im Sommer wieder Urlauber an die spanischen Strände kommen. Auch der schnelle Empfang der Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds ist entscheidend. Spanien erwartet Direkthilfen und Darlehen in Höhe von 140 Mrd. Euro, die vor allem in die Energiewende und die Digitalisierung gesteckt werden.

Der Aktienmarkt hat sich vom Tief des letzten Jahres etwas erholt. Der Ibex 35 ist im laufenden Jahr um knapp 9% gestiegen, weniger als andere europäische Märkte. Am Donnerstag wurde mit 8870 Punkten der Jahreshöchststand erreicht, immer noch weit entfernt von den 10000 Punkten kurz vor Ausbruch der Coronakrise. Kaum ein Analyst rechnet damit, dass diese Marke noch in diesem Jahr zurückerobert wird.

Die Wiederbelebung des Marktes hat mit den Banken zu tun. Nachdem die Kreditinstitute letztes Jahr wegen der Pandemie übel abgestraft wurden, sind die Kurse seit Jahresbeginn wieder gestiegen, teils sehr kräftig wie Banco Sabadell mit fast 40%. Dabei spielte die Konsolidierung der Finanzbranche eine Rolle. Die Übernahme der verstaatlichten Bankia durch Caixabank löste Fantasien über weitere Schritte aus. Besonders im Fokus steht dabei Sabadell, der viele Analysten nicht zutrauen, allein zurechtzukommen.

Auch im operativen Geschäft scheinen die Banken das Gröbste hinter sich gelassen zu haben, wie der Branchenprimus Santander bei der Vorlage seiner Quartalszahlen am Mittwoch versicherte. Die gebildete Risikovorsorge würde ausreichen und man erwarte keinen dramatischen Anstieg der Kreditausfälle, erklärte der CEO von Santander, José Antonio Álvarez.

Viele Analysten sehen trotz der Kursgewinne der letzten Monate noch Potenzial bei den Aktien von spanischen Banken. Barclays hält Santander für unterbewertet. Auch die Experten von UBS meinen, dass Santander derzeit 20% unter der Bewertung anderer europäischer Großbanken liegt. Doch die Analysten der Schweizer Bank bleiben skeptisch. „Wir haben ein gemischtes Bild der Banken auf dem spanischen Markt. Der Druck auf den Zinsüberschuss lässt nicht nach und die Aussichten auf Kapitalerträge sind im Branchenvergleich nicht attraktiv. Wir erwarten jedoch eine schrittweise Besserung der Ertragskraft durch solide Provisionen, Restrukturierungsbemühungen und langsam sinkende Risikokosten“, heißt es in einer jüngsten Studie von UBS.

Zu den Gewinnern in diesem Jahr zählt etwas überraschend Meliá, der einzige Hotelkonzern im Ibex, mit einem Kursanstieg von 25%. Mit Blick auf die Wiederbelebung des Reiseverkehrs im Sommer und darüber hinaus kann nach Meinung von Experten das internationale Geschäft des Unternehmens aus Mallorca sich schnell erholen. Société Générale hat vor kurzem seine Empfehlung für Meliá auf „Kaufen“ angehoben.

Einer anhaltend großen Beliebtheit an den Märkten erfreut sich Cellnex, der größte Betreiber von Mobilfunkinfrastruktur Europas. Die neueste Kapitalerhöhung, die vierte in zwei Jahren, brachte dem Konzern 7 Mrd. Euro ein. Das Angebot neuer Aktien war dabei 45,6-fach überzeichnet. Allerdings verliert der Aktienkurs nach dem Höhenflug im vergangenen Jahr an Fahrt und liegt 2021 nur 3,6% im Plus.

Die spanische Marktaufsicht CNMV will künftig für mehr Schwung an den Aktienmärkten sorgen. Der neue Chef der Behörde, Rodrigo Buenaventura, überlegt, die Anforderungen für Börsengänge zu vereinfachen und Madrid für Firmenhüllen, Spacs, interessant zu machen.

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