Öl

Starker Preisanstieg gilt als unwahrscheinlich

Ausgehend vom aktuellen Niveau ist es unwahrscheinlich, dass der Ölpreis noch deutlich über 80 Dollar steigt, allerdings droht im kommenden Jahr ein Überangebot.

Starker Preisanstieg gilt als unwahrscheinlich

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Erstmals seit etwas mehr als einer Woche ist der Brent-Ölpreis am Dienstag wieder an die Marke von 75 Dollar je Barrel herangekommen. Am Abend notierte die wichtigste Nordseesorte mit 74,54 Dollar. Zuvor war sie im Verlauf der vergangenen Woche bis unter die Marke von 69 Dollar gefallen.

Für den Preiseinbruch gab es zwei Gründe. Zum einen machten sich die Marktteilnehmer Sorgen wegen der raschen Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus. Damit droht eine weitere Welle der Pandemie mit entsprechenden Gegenmaßnahmen der Regierungen, die den Öl­verbrauch reduzieren. Die in Indien weitverbreitete Delta-Variante hatte dafür gesorgt, dass der Ölverbrauch des Landes zeitweise auf den niedrigsten Stand seit neun Monaten fiel.

Opec plus will mehr fördern

Darüber hinaus hatte es eine Einigung innerhalb des Kartells Opec plus gegeben zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, sodass der geplanten Ausweitung der Produktion nichts mehr im Wege stand. Die Opec plus will ab August monatlich ihre Förderung um 400000 Barrel pro Tag (bpd) ausweiten – also um zum Jahresende hin 2 Mill. bpd. Daher verkauften gemäß den Daten amerikanischer Terminbörsen spekulative Finanzinvestoren Kontrakte im Volumen von 172 Mill. Barrel – so viel wie seit Juli 2018 nicht mehr. Das Verhältnis von Long- zu Short-Positionen reduzierte sich von 6,1 zu 1 fünf Wochen früher auf 4,5 zu 1. Insgesamt gab es nur noch offene Kontrakte im Volumen von 729 Mill. Barrel, verglichen mit 945 Mill. Barrel fünf Wochen früher. Inzwischen haben die Coronaängste der Marktteilnehmer aber wieder nachgelassen und es hat sich wieder ein realistisches Bild der Entwicklung von Angebot und Nachfrage durchgesetzt – was dann zu der jüngsten Erholung des Ölpreises geführt hat.

Ausgehend vom aktuellen Niveau von rund 75 Dollar ist es allerdings unwahrscheinlich, dass der Ölpreis noch deutlich über 80 Dollar steigt. Dagegen spricht unter anderem, dass sich die Produktionssteigerungen der Opec plus angesichts der zuletzt positiven Nachfrageentwicklung in Grenzen halten. So gehen die Internationale Energieagentur IEA und die Opec davon aus, dass die weltweite Ölnachfrage am Jahresende um 5 Mill. bpd höher liegen wird als im ersten Halbjahr und damit fast wieder auf 100 Mill. bpd steigen könnte.

Verhandlungen auf Eis

Zwar lässt die Rückkehr des iranischen Öls an den Weltmarkt auf sich warten. 2022 könnte sich das aber ändern, denn ab August wird der neue iranische Präsident Ebrahim Raisi die Verhandlungen mit den USA weiterführen. Zum Jahresende könnte es eine Einigung mit der US-Regierung und eine Aufhebung der Sanktionen geben.

Nach Einschätzung von Carsten Fritsch, Rohstoffanalyst der Commerzbank, wird der Ölmarkt trotz der in den kommenden fünf Mo­naten schrittweise um 2 Mill. bpd steigenden Ölproduktion der Opec plus leicht unterversorgt bleiben. Allerdings drohe im kommenden Jahr ein Überangebot, falls die Opec plus an ihren für 2022 geplanten Produktionserhöhungen festhalte. So sollen nämlich für die fünf wichtigsten Länder des Kartells, Russ­land, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Irak und Kuwait ab Mai 2022 höhere Produktionsniveaus gelten. Daher besteht nach seiner Meinung nur ein begrenztes Aufwärtspotenzial für den Öl­preis.

Nicht übersehen werden sollte auch, dass auch die US-Regierung kein Interesse an einem deutlich steigenden Ölpreis hat – trotz der Klimaschutzambitionen der Biden-Administration. Hohe Benzinpreise sind in den USA äußerst unbeliebt. Nach den bisherigen Erfahrungen wird es für den US-Präsidenten ab einem Benzinpreis von 3 Dollar je Gallone kritisch – ein Niveau, das gemäß den Preisrelationen der Vergangenheit bei einem Brent-Ölpreis in der Größenordnung von 90 bis 95 Dollar zu erwarten ist.

Einige Beobachter sprechen von einer inoffiziellen, von der US-Regierung festgelegten Preisobergrenze von rund 80 Dollar, die seit dem von Saudi-Arabien angezettelten Öl­preiskrieg der Jahre 2014 bis 2016 gilt. Droht diese Grenze überschritten zu werden, können sich zumindest Produzenten im Machtbereich der USA wie Saudi-Arabien auf Druck aus Washington ein­stellen.

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