Steigende US-Renditen im Visier

Augenmerk liegt auf der Fed - Europäische Unternehmensanleihen weiter gefragt

Steigende US-Renditen im Visier

Am US-Staatsanleihemarkt sind die Renditen in den vergangenen Tagen immer weiter gestiegen. Im zehnjährigen Laufzeitenbereich überschritten sie nun die Marke von 1 %. Dies löste die Erwartung weiter Anlegerkreise aus, dass es zu einer Reflationierung der Wirtschaft kommen könnte.Von Kai Johannsen, FrankfurtAm US-Staatsanleihemarkt (US-Treasuries) sind die Renditen unter dem Einfluss des sogenannten Reflation Trade immer weiter gestiegen. Im zehnjährigen Laufzeitenbereich überschritten sie nun zum Jahresauftakt die Marke von 1 %. In der Spitze ging es bei den zehnjährigen Titeln bis auf knapp 1,14 %. Gestern lag der Satz im späten europäischen Handel bei 1,10 %.Den neuerlichen Schub über die Marke von 1 % – erstmals seit März vergangenen Jahres – löste die Erwartung weiter Anlegerkreise aus, dass es zu einer Reflationierung der Wirtschaft kommen könnte. Die umfangreichen Konjunkturprogramme – in den USA wurde ein 900 Mrd. Dollar schweres Fiskalprogramm zum Jahresende auf den Weg gebracht – werden im Urteil der Märkte dafür sorgen, dass die Konjunktur deutlich angekurbelt wird. Es werden Arbeitsplätze geschaffen und somit Einkommen generiert, was wiederum für kaufkräftige Nachfrage sorgt. Somit sollten die Teuerungsraten steigen. Hinzu kommt, dass die Fed bereitsteht, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Auch das verstärkt die konjunkturelle Stimulierung.Des Weiteren erwarten viele Marktteilnehmer, dass die Demokraten womöglich noch umfangreichere Konjunkturprogramme auf den Weg bringen könnten, denn sie verfügen in beiden Häusern des Kongresses über die Mehrheit. Das bedeutet: Es kann keine Blockade mehr eintreten. Noch umfangreichere Konjunkturprogramme würden dann für eine noch stärkere Reflationierung der Wirtschaft sorgen. Würde dann auch noch die Fed mit in das Konzert einsteigen, bedeutete das eine weitere Stimulierung. Fed-Chef Jerome Powell signalisierte gestern Abend europäischer Zeit aber keine solchen weiteren Stimulierungsmaßnahmen. Die Leitzinsen in den USA sollten aber auf absehbare Zeit auf einem niedrigen Niveau bleiben. Gefahr der ReflationierungSollte es allerdings tatsächlich zu dieser Reflationierung der Wirtschaft kommen und damit zu höheren Inflationsraten, müsste die Fed dem Teuerungsdruck später über Leitzinssteigerungen entgegentreten. Diese Aussicht auf höhere Zinsen in den USA quittieren die Staatsanleihemärkte bereits jetzt mit höheren Bondrenditen.Allerdings sind diese Aussichten immer noch mit Unsicherheit behaftet. Die Demokraten müssen erst einmal noch umfangreichere Programme auf den Weg bringen, und das ist davon abhängig, wie schnell und wie stark sich die US-Volkswirtschaft zunächst erholt. Die kaufkräftige Nachfrage muss seitens der Konsumenten erst einmal auf den Markt treffen. Eine diesbezügliche Konsumnormalität oder auch ein verstärkter Konsum muss sich erst entwickeln. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die einsetzenden Impfprogramme, die aber ihre nachhaltige Wirksamkeit noch zeigen müssen. Auch eine verstärkte Investitionstätigkeit der Unternehmen als Folge eines stärkeren Vertrauens in die nachhaltige Erholung der Konjunktur ist im Urteil vieler Bondakteure keine ausgemachte Sache.Steigende verfügbare Einkommen, effektive Impfprogramme und eine einsetzende Herdenimmunität und womöglich noch ein Entsparen könnten in der Folge die US-Inflation in Kombination mit positiven Basiseffekten im Verlauf des Jahres auf 2,5 % steigen lassen und die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen auf 2 % hieven. So sehen es zumindest einige Marktbeobachter.So manch einer bleibt aber auch kritisch, wie etwa die Experten des Investmentmanagers Degroof Petercam Asset Management (DPAM), die bezweifeln, dass die Reflationierung in diesem von weiten Anlegerkreisen erwarteten Ausmaß eintreten wird. Peter De Coensel, CIO Fixed Income bei DPAM, stellt das vielerorts immer wieder formulierte Szenario in Frage. Seine Gegenargumente beziehen sich auf den Regimewechsel auf der Ebene der monetär-fiskalischen Kooperation und Zusammenarbeit, der bereits im vergangenen Jahr oft diskutiert wurde. Anhaltende fiskalpolitische Initiativen mit bedingungsloser Unterstützung der Geldpolitik sind seines Erachtens erforderlich, um den Übergang der Weltwirtschaft zu einem nachhaltigen Ökosystem zu ermöglichen, Wachstumsziele als Motor des Wohlstands neu zu formulieren und die Ungleichheit der Entlohnung von Arbeit und Kapital zu verringern.”Es ist zu erwarten, dass die quantitativen Programme der Fed in den nächsten Jahren in Umfang und Dauer überraschen werden, um die Entfaltung fiskalischer Initiativen zu ermöglichen. Die Fed wird den Anstieg der Kapitalbeschaffungskosten für das US-Finanzministerium begrenzen. Überraschungen bei der Inflation werden die US-Anleihenmärkte nicht verschrecken, sondern die US-Realzinsen allenfalls tiefer in den negativen Bereich drücken”, so seine Einschätzung. Damit würden die Renditen eben nicht so stark wie von vielen erwartet steigen, weil letzten Endes die US-Notenbanker die Renditen am Markt praktisch kontrollieren, sie also niedrig halten. Corporates auf RekordkursDas Gleiche ist auch schon bei der Europäischen Zentralbank zu beobachten. Auch sie will die günstigen Finanzierungsbedingung in der Eurozone erhalten, was im Urteil der Analysten der Commerzbank faktisch einer Zinskurvenkontrolle gleichkommt. Niedrige Zinsen auch in der Eurozone bedeuten dann für Emittenten gute Bedingungen für neues Bondmaterial. Gut möglich, dass der Unternehmensanleihemarkt wieder auf Rekordkurs geht. Im vorigen Jahr hatte er mit knapp über 500 Mrd. Euro seine bisherige Bestmarke aufgestellt.