Logistik

„Back to normal“ in der Luftfracht

Das Volumen von Gütern, die per Flugzeug transportiert werden, wird laut dem Airlineverband IATA dieses und nächstes Jahr kleiner werden. Beobachter fürchten wegen hoher Umweltauflagen zudem immer höhere Kosten.

„Back to normal“ in der Luftfracht

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Dank eines florierenden Frachtgeschäfts sind viele Fluglinien einigermaßen durch die Pandemie gekommen. Wer nicht sowieso schon zuvor mit eigenen Frachtfliegern unterwegs war, rüstete schnell Passagiermaschinen für den Frachttransport in sogenannte „Prachter“ um, um auch ein Stück vom Cargokuchen abzubekommen – so geschehen beispielsweise bei der Ferienfluggesellschaft Condor. Das Frachtgeschäft läuft nach wie vor gut, gerade erst hat Lufthansa mit Verweis auf ein erwartetes Rekordergebnis bei Lufthansa Cargo die Ergebnisprognose erhöht (vgl. BZ vom 14. Dezember). Allerdings trüben sich die Aussichten seit einigen Monaten ein, dazu kommen die deutlich gestiegenen Kosten, die die Ergebnisentwicklung im kommenden Jahr belasten werden.

„Etwa 3 % der Güter, die weltweit transportiert werden, werden geflogen. Dieser Anteil hat sich während der Pandemie zwar erhöht, aber bis Ende 2023 wird sich das wieder normalisieren“, prognostiziert Andreas Jahnke, Managing Director bei der Unternehmensberatung Accenture und dort für Reise- und Luftverkehr sowie den Bereich Logistik zuständig. „Die Frachtraten werden allerdings nicht auf das 2019er-Niveau sinken, weil die Kosten zwischenzeitlich deutlich gestiegen sind.“ Kerosin sei aktuell um 50 % teurer als 2019, zudem seien auch bei den Frachtfluggesellschaften die Personalkosten gestiegen. Mittelfristig werden sich die Umweltauflagen zu einem „erheblichen Kostentreiber“ entwickeln, fürchtet Jahnke, der zudem nicht optimistisch ist, dass der Preis für den Kerosinersatz Sustainable Aviation Fuel (SAF), mit dem die Branche vor allem die Umweltbilanz verbessern will, schnell sinkt.

Laut Airlineverband IATA liegen die Höhepunkte der Pandemie – als am Boden stehende Passagiermaschinen zu einer extremen Kapazitätsverknappung im Luftfrachtgeschäft führten – längst hinter der Branche. Es wird erwartet, dass die aktuell bereits rückläufigen Volumina bis 2023 weiter schrumpfen werden, wobei der Ukraine-Krieg, die Verlangsamung des globalen Wachstums und die hohe Inflation für Gegenwind sorgen. Berater Jahnke hält die Folgen des Krieges für das Luftfrachtgeschäft allerdings für überschaubar: „Der Ukraine-Krieg wirkt sich für die Luftfrachtbranche „neutral“ aus, vorteilhaft für die bestehenden Anbieter ist, dass die Kapazitäten russischer Anbieter wie Air Bridge Cargo weggefallen sind, diese sind mittlerweile kompensiert. Nachteilig sind die Umwege, die wegen der Luftraumsperrungen geflogen werden müssen. Diese sorgen für einen höheren Kerosinverbrauch und daher geringere Zuladungsmöglichkeiten.“

Rückläufige Einnahmen

Die IATA rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang des Frachtvolumens um 8 % und für 2023 mit einem weiteren Rückgang um 4 %. „Der Rückgang des Frachtaufkommens findet in allen Regionen statt“, sagte Andrew Matters, Leiter der politischen Analyse der IATA Anfang Dezember. „Aber es ist wichtig zu erwähnen, dass es nicht nur schlechte Nachrichten gibt. Vieles davon kommt einfach von ungewöhnlich hohem oder unhaltbar hohem Niveau zurück.“ Auch die Auslastung kehrt laut Matters auf ein normales, vor der Pandemie liegendes Niveau zurück. Die branchenweite Auslastung liegt derzeit bei 48,7 % und damit um 7,4 Prozentpunkte niedriger als vor einem Jahr.

Die Einnahmen werden ebenfalls zurückgehen, nachdem sie in den letzten Jahren dramatisch angestiegen waren, aber sie werden immer noch etwa 50 % höher sein als vor der Pandemie. Für das Jahr 2023 werden Frachtumsätze in Höhe von 149 Mrd. Dollar prognostiziert, ein Rückgang gegenüber den aktuellen 200 Mrd. Dollar, der immer noch etwa 50 % über dem Niveau vor der Pandemie liegen wird. Bei den Durchschnittserlösen kalkulieren die Airlines mit einem Plus von 7,2% für das laufende Jahr, für 2023 wird ein Minus von 22,6% erwartet. Allerdings hatten die Yields 2020 und 2021 um 52 bzw. 24% angezogen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Anteil der Fracht an den Gesamteinnahmen ebenfalls rückläufig sein dürfte – zumal, wenn sich parallel das Passagiergeschäft der Fluggesellschaften erholt (siehe Grafik). Der Frachtanteil erreichte 2021 einen Höchststand von etwa 40 %, wird in diesem Jahr voraussichtlich auf 28% sinken und 2023 rund 19% erreichen. „Interessant ist, dass der Anteil der Fracht an den Einnahmen im Jahr 2019, also vor der Pandemie, bei etwa 12% lag, so dass wir trotz einer gewissen Abschwächung immer noch deutlich höher liegen.“

Accenture-Manager Jahnke sieht die durch den Wegfall russischer Anbieter gerissenen Kapazitätslücken geschlossen. Die Auslastung der Maschinen sinkt seit einigen Monaten, und das obwohl auch die chinesischen Anbieter noch nicht wieder vollumfänglich im Geschäft sind. Letztlich dürfte also demnächst auch Normalität zurückkehren, was das Dauerthema Überkapazitäten an­geht. Dafür spricht auch, dass es in jüngster Zeit eine Flut von Frachterbestellungen bei den Flugzeugherstellern gegeben hat. Die Auslieferungen von Frachtern im Jahr 2023 würden zu einem Zustrom neuer Kapazitäten in einen bereits abgekühlten Markt führen, warnt die IATA. Aber die langfristigen Aussichten seien „eine ganz andere Geschichte, eine viel positivere Geschichte. Die Fluggesellschaften, die jetzt Aufträge erteilen, könnten sich zum Zeitpunkt der Auslieferung bereits in einer Phase des Aufschwungs befinden“, sagt IATA-Manager Matters. „Die langfristigen Aussichten für die Luftfracht sind viel positiver als die, die wir für 2023 sehen.“

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