Grüne Industriepolitik

EU-Kom­mission setzt Roh­stoff­strategie auf

Zwei Prestigeprojekte von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ziehen die Aufmerksamkeit der Wirtschaft auf sich. Die Vorhaben für eine klimafreundliche Industrie dürften Kontroversen auslösen.

EU-Kom­mission setzt Roh­stoff­strategie auf

rec Brüssel

Die EU-Kommission treibt zwei ihrer wichtigsten Anliegen mit Hochdruck voran. Unter größter Aufmerksamkeit der Wirtschaft legten mehrere Kommissare dar, wie sie sich den angestrebten Ausbau europäischer Produktion in Schlüsselindustrien vorstellen: Ausgesuchte Technologien wie Solaranlagen, Windräder und Wärmepumpen sollen 2030 zu 40% aus Werken in der EU kommen. Dieses Vorhaben flankiert eine neue Rohstoffstrategie. Damit will die EU-Kommission Europas Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität unabhängiger von Lieferländern wie China machen.

Die Prestigeprojekte von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen – der Net-Zero Industry Act und der Critical Raw Materials Act – sind zentraler Bestandteil einer klimafreundlichen Industriepolitik unter dem Dach des „European Green Deal“. Die Vorhaben gelten nicht zuletzt als Reaktion auf ähnlich gelagerte Industrieoffensiven samt Subventionen in den USA und China.

Insbesondere das Rohstoffgesetz ist ein Novum, denn es ist das erste dieser Art in Europa. Es existiert zwar eine Liste kritischer Rohstoffe, die alle paar Jahren aktualisiert wird. Eine umfassende Strategie zur Rohstoffsicherung fehlt bislang allerdings in der EU. Das Gesetz werde „Veredelung, Weiterverarbeitung und Recycling kritischer Rohstoffe hier in Europa deutlich verbessern“, sagte von der Leyen.

Mit dem Gesetzesvorschlag zu Industriepolitik wiederum lanciert ihre Behörde die Förderung sogenannter Clean-Tech-Projekte, wie die Börsen-Zeitung bereits berichtete (siehe BZ vom 7. März). In manchen dieser Bereiche steht im Zuge des Inflation Reduction Act eine Abwanderung von Investitionen in die USA im Raum. Verhindern will die EU-Kommission dies kurzfristig, indem sie den EU-Staaten befristet Beihilfen erleichtert. Langfristig soll eine aktivere Industriepolitik Abhilfe schaffen. Im Vordergrund steht, Antragspflichten, Planung und Genehmigungen um Jahre zu verkürzen.

Wunsch nach Rohstofffonds

Europas Industrieverband gehen die Pläne nicht weit genug: „Der begrenzte Umfang des Net-Zero Industry Act droht zum Hindernis für Europas Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu werden“, sagt Markus J. Beyrer, Generalsekretär von Business Europe. Besonderes Augenmerk liegt auf der begleitenden Rohstoffstrategie. Für Wolfgang Niedermark aus der Führungsriege des Industrieverbands BDI setzt Brüssel „die richtigen Ziele, vernachlässigt aber die Instrumente für eine erfolgreiche Umsetzung“. Von der Bundesregierung verlangt der BDI eine Novelle des Bundesbergrechts. Eine von der Rohstoffindustrie ersehnte Renaissance des Bergbaus dürfte zu den konfliktträchtigsten Elementen gehören. Befürworter im EU-Parlament stellen sich auf schwierige Debatten ein. Anlass ist das Ansinnen der EU-Kommission, kritische Rohstoffe zu mindestens 10% in Europa zu gewinnen. Sie gibt eine Reihe weiterer Quoten vor, die Weiterverarbeitung, Recycling und Obergrenzen für den Importanteil einzelner Herkunftsländer betreffen.

„Der strategische Ansatz der EU-Kommission ist begrüßenswert“, sagt Thomas Voland, Partner und Regulierungsexperte der Kanzlei Clifford Chance. „Allerdings sind die geplanten Quoten und ihr Anliegen, Genehmigungsverfahren radikal zu verkürzen, teilweise sehr ambitioniert.“ Für die Klimaökonomin Sonja Petersen vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) „stimmt die Marschrichtung“ mit der Rohstoffstrategie. „Die Prioritätensetzung und konkrete Ausgestaltung erscheinen aber noch an verschiedenen Stellen verbesserungsfähig“. Sie befürchtet Mikromanagement.

Der Maschinenbauverband VDMA lobt eine „gelungene Balance zwischen politischer und unternehmerischer Verantwortung“. Die Elektroindustrie vermisst einen EU-weit einheitlichen Markt für Sekundärrohstoffe. Für den Automobilverband VDA bleibt die Rohstoffstrategie weit hinter den Erwartungen zurück, weil eine EU-Rohstoffagentur und ein Rohstofffonds zur Finanzierung strategischer Projekte fehlen.

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