Luka Mucic

„Im vierten Quartal legt unser Gewinn zu“

SAP skaliert das Cloudgeschäft, und auch der Produktmix verschiebt sich hin zu margenstärkeren Produkten, wie Finanzchef Luka Mucic im Interview erklärt. Im vierten Quartal rechnet der Manager mit einem „mittleren einstelligen Wachstum“ beim bereinigten Betriebsergebnis.

„Im vierten Quartal legt unser Gewinn zu“

Heidi Rohde.

Herr Mucic, SAP verspricht im kommenden Jahr ein zweistelliges Wachstum beim operativen Ergebnis. Wie genau funktioniert das? Macht die Cloud-Marge einen Quantensprung, und die Investitionen fallen wie ein Stein?

Zunächst ist unser Geschäft inzwischen deutlich planbarer geworden: 80% unseres Umsatzes waren im dritten Quartal wiederkehrend. Die Cloud-Erlöse auf der einen Seite sind inzwischen so hoch wie die Einnahmen aus Software und Support auf der anderen Seite. Allerdings wächst das Cloud-Geschäft im Gegensatz zum Softwarelizenzgeschäft dynamisch, und der Cloud-Backlog zeigt uns die Umsätze, die sicher kommen. Nächstes Jahr werden die Cloud-Erlöse die Einnahmen aus dem On-Pre­mise-Geschäft in Summe erstmals übersteigen. 2025 wird das Cloud-Geschäft dann mehr als doppelt so groß sein wie das On-Premise-Geschäft. Unser Cloud-Backlog ist im dritten Quartal um 26% gestiegen. Dieser Umsatz steht jetzt schon in der Tür, ohne dass Sie ihn jetzt sehen. Neben dem Umsatzschub, den wir erwarten, sinken die Investitionen in die Harmonisierung der Cloud-Infrastruktur erheblich. Allein für 2022 werden das nochmal mehr als 400 Mill. Euro werden, die 2023 nur noch zum Teil anfallen. Außerdem verbessert sich der Produktmix in der Cloud. SaaS (Software as a Service) und PaaS (Platform as a Service) sind im dritten Quartal währungsbereinigt um 26% bzw. 44% gewachsen. Das sind sehr hochmargige Geschäfte. Nicht zuletzt gewinnt das – höhermargige – Produktgeschäft in der Cloud an Gewicht gegenüber den Services.

Die ebenfalls hochmargigen Softwarelizenzeinnahmen sind allerdings deutlich rückläufig. Wie sieht es da mit der Entwicklung im vierten Quartal aus?

Die Softwarelizenzverkäufe werden weiter rückläufig sein. Da sehen wir insbesondere in Europa und auch gerade in Deutschland Bremsspuren, während die Cloud-Umsätze deutlich wachsen. Die Kunden stellen eben um. Aber die Softwarelizenzverkäufe sind inzwischen, gemessen am Cloud-Umsatz, so klein, dass das nicht mehr so stark dämpfend ins Gewicht fällt.

Wird das auch im Schlussquartal schon so sein?

Ja, ich denke, dann wird das Cloud-Wachstum die negativen Effekte fallender Softwarelizenz-Verkäufe be­reits mehr als kompensieren. Wir sind beim bereinigten operativen Ergebnis ja schon im dritten Quartal ganz nah an die Trendwende herangerückt. Deshalb bin ich zuversichtlich: Im vierten Quartal legt unser Gewinn erstmals wieder zu. Wir reden hier von mittlerem einstelligen Wachstum, aber dennoch werden wir zeigen, dass der Turnaround tatsächlich kommt. Ab 2023 legt das Betriebsergebnis dann zweistellig zu.

Wie geht SAP mit der Inflation um? Können Sie bei den Kunden Preiserhöhungen durchsetzen?

Wir haben Preiserhöhungen für unsere Softwarewartungsverträge für kommendes Jahr angekündigt, denn wir haben auch bei SAP einen erheblichen Inflationsdruck. Hier spüren wir vor allem Kostensteigerungen bei Hardware aufgrund der Halbleiter-Verfügbarkeit von rund 15 % über das letzte Jahr. Hinzu kommen natürlich steigende Personalkosten. Wir werden den Kostenschub nicht komplett weitergeben, sondern im Rahmen vertraglich vereinbarter Inflationsanpassungen, die je nach Land meist bei 3,3 % liegen. Hinzu kommen Preisanpassungen bei Vertragserneuerungen in der Cloud. Aber Letzteres wird im kommenden Jahr noch keine nennenswerte Rolle spielen.

Der Cashflow bleibt in diesem Jahr etwas unter den ursprünglichen Planungen, das Ergebnis unterm Strich sackt ab. Was bedeutet das für die Dividende?

Wir haben uns zu einer progressiven Dividendenpolitik bekannt, die wir seit Jahren verfolgen. Und wir gehen davon aus, dass sich das auch im kommenden Jahr fortsetzen wird, gemessen an der regulären Ausschüttung. Eine Sonderdividende wie im Jubiläumsjahr wird es naturgemäß nicht geben.

Was drückt den Cashflow?

Der Cashflow war in diesem Jahr bisher tatsächlich etwas enttäuschend. Dabei spielt nicht zuletzt der Rückzug aus Russland eine Rolle, wo unser Geschäft immer sehr cashflowstark war. Auch der Rückgang der Softwarelizenzverkäufe, wo der Cash ja bei Vertragsabschluss reinkommt, wirkt sich aus. Wir rechnen allerdings damit, dass sich der Cashflow im laufenden Quartal deutlich erholt und sogar der stärkste je in einem vierten Quartal erzielte Mittelzufluss werden könnte.

Unterm Strich schlägt das schwache Beteiligungsergebnis durch. Wie entwickelt sich denn der Beitrag von Sapphire Ventures bisher?

Wir haben durch Bewertungskorrekturen im Portfolio im dritten Quartal Ergebnisbelastungen gegenüber dem Vorjahr von 800 Mill. Euro gehabt, in den ersten neuen Monaten waren es insgesamt 2,2 Mrd. Euro, wiederum gegenüber dem Vorjahr. Allerdings spielen diese buchhalterischen Verluste keine so große Rolle, solange man nicht verkaufen will. Wir betrachten das Portfolio von Sapphire Ventures nach wie vor als sehr werthaltig und strategisch auch wertvoll für SAP im Hinblick auf Innovationen im Softwaremarkt. Deshalb haben wir auch entschieden, im diesem Jahr nochmals einen Fonds über 1,2 Mrd. Euro für Investitionen in interessante Unternehmen bereitzustellen.

Jenseits von Russland, wie wirken sich geopolitische Spannungen im SAP-Geschäft aus, vor allem beispielsweise in China?

Im Gegensatz zu anderen Dax-Gesellschaften ist China, rein am Umsatz gemessen, für uns kein Markt von überragender Bedeutung. Unser größter Markt in Asien bleibt bisher Japan, gefolgt von Greater China an zweiter Stelle. Das Geschäft ist dort zuletzt robust gewachsen. Das gilt auch vor allem für die Softwarelizenzeinnahmen. Es war die einzige Region, wo diese noch zugelegt haben. Der Zug in die Cloud ist dort noch verhaltener als in anderen Regionen, die eigene Kontrolle über die IT hat dort offenbar mehr Gewicht.

Wird SAP die gesunkenen Bewertungen im Tech-Sektor nutzen, um sich durch Zukäufe zu stärken?

Gesunkene Bewertungen sind hilfreich, aber nicht hinreichend. Entscheidend ist, dass eine Akquisition das Portfolio sinnvoll strategisch ergänzen muss. Wir sind inzwischen abgekommen von dieser binären Strategie, dass wir uns entweder auf organisches Wachstum oder auf Zukäufe konzentrieren: Wir sind für M&A offen und haben auch die Möglichkeit, Akquisitionen jenseits der Milliardenschwelle zu stemmen – ich will das nicht ausschließen. Wir haben aber ein drittes Element, das wir stärker ausbauen wollen, und das sind Partnerschaften wie zuletzt mit Icertis. Wenn wir zukaufen, geht es darum, unsere Stärken weiter auszubauen, und nicht in Geschäftsbereiche vorzustoßen, in denen die SAP bisher nicht tätig ist.

Wenn Sie die Reise in die Cloud bilanzieren: Was waren die größten Herausforderungen, und worauf kommt es künftig an?

Der schwierigste Schritt ist oft zu starten und nicht zu zögern. Denn es war nicht nur finanziell ein schmerzhafter Schritt. Auch Umbaumaßnahmen sind erforderlich. Es ändert sich doch viel in den Strukturen eines Unternehmens mit einem Cloud-Geschäftsmodell, in dem ein holistischer Service nötig ist. So muss zum Beispiel der Vertrieb viel stärker auf After-Sales-Service ausgerichtet werden, damit die Vertragserneuerungen dann auch kommen. In der Entwicklung kommt es darauf an, dass die Total Cost of Ownership der Software niedrig gehalten wird. Denn die liegt ja dann bei uns. Das sind bleibende Herausforderungen.

Das Interview führte

BZ+
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