Energiepolitik

Wirt­schaft begrüßt behut­same Strom­markt­reform

Die EU-Kommission stellt ihre Ideen für den europäischen Strommarkt vor. In Industrie­verbänden finden die überwiegend Anklang. Aber es gibt auch gewisse Vorbehalte.

Wirt­schaft begrüßt behut­same Strom­markt­reform

rec Brüssel

Wirtschaftsverbände reagieren tendenziell positiv auf das Reformvorhaben der EU-Kommission für den Strommarkt. „Die EU tut gut daran, den Strommarkt mit Augenmaß zu optimieren“, sagte Holger Lösch, stellvertretender Chef des Industrieverbands BDI. Sein DIHK-Kollege Peter Adrian und Kerstin Andreae vom Energieverband BDEW begrüßten, dass die Kommission an bewährten Marktmechanismen zur Preisbildung festhalten will, sehen aber gewisse Schattenseiten.

Unternehmen und Verbraucher sollen nach dem Willen der EU-Kommission mehr Wahlmöglichkeiten bei Stromtarifen bekommen. Einen entsprechenden Vorschlag zur Reform des Strommarktes hat die Brüsseler Behörde am Dienstag vorgelegt. Darin hält sie im Wesentlichen am bestehenden Merit-Order-System zur Preisfindung fest. Zugleich will sie neben erneuerbaren Energien Atomkraft aufwerten, was zu Debatten mit einigen EU-Staaten und dem EU-Parlament führen dürfte.

Aus Sicht der EU-Kommission ist eine Reform des Strommarktdesigns angezeigt, weil die Energiekrise seit Russlands Angriff auf die Ukraine Schwachstellen offengelegt hat. Von einem weitreichenden Systemwechsel hat sie indes Abstand genommen, wie die Börsen-Zeitung bereits berichtete (vgl. BZ vom 9. März). Entsprechende Spekulationen über eine Abkehr vom sogenannten Merit-Order-System bewahrheiten sich nicht. Darauf hatten Äußerungen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hingedeutet.

Das Merit-Order-System ist darauf ausgelegt, die Stromnachfrage stets durch die günstigsten Erzeuger am Markt zu decken. Maßgeblich für den Strompreis am Großmarkt ist indes jenes Kraftwerk, das Angebot und Nachfrage in Einklang bringt. In Krisenzeiten kann das zu stark steigenden Energiepreisen führen. „Das derzeitige Strommarktdesign hat über viele Jahrzehnte einen effizienten, gut integrierten Markt geschaffen“, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Engpässe und „Manipulationen unserer Energiemärkte durch Russland“ hätten aber zu massiv steigenden Energierechnungen geführt.

Mit der Reform will die EU-Kommission Private und Firmen jeglicher Größe vor Preisschocks bewahren. Der Industrie gefällt die geplante Aufwertung längerfristiger Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements). Zwiespältig werden Differenzverträge (Contracts for Dif­ference) gesehen. Sie sollen sicherstellen, dass sich für Erzeuger der Ausbau klimafreundlicher Kraftwerke lohnt. Der BDI hebt Anreize für Investitionen in saubere Technologien hervor. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) befürchtet hingegen Nachteile für die „Marktintegration von Windrädern und FV-Anlagen“ (Fotovoltaik).

„Das derzeitige Marktdesign funktioniert trotz aller Herausforderungen“, sagt BDEW-Mitgeschäftsführerin Andreae. Manche Vorschläge würden allerdings „dem Wettbewerb schaden“, etwa eine stärker regionalisierte Preisbildung. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl vermisst einen eigenen Industriestrompreis.

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