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Berlin sucht salomonische Lösung für Huawei

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 11.8.2020 Für den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei kommen aus Europa in diesen Tagen meistens schlechte Nachrichten. Denn nicht nur in Großbritannien werden die Komponenten des Weltmarktführers...

Berlin sucht salomonische Lösung für Huawei

Von Stefan Paravicini, BerlinFür den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei kommen aus Europa in diesen Tagen meistens schlechte Nachrichten. Denn nicht nur in Großbritannien werden die Komponenten des Weltmarktführers beim Ausbau des neuesten Mobilfunknetzes der fünften Generation (5G) wegen Sicherheitsbedenken künftig außen vor bleiben. Auch in Frankreich droht dem im Westen wegen seiner Nähe zum chinesischen Sicherheitsapparat umstrittenen Konzern de facto der Ausschluss. Selbst in Italien, wo China seinen Einfluss nicht zuletzt wegen der Coronakrise schwinden sieht, mehren sich die Anzeichen, dass die Stimmung gegen den Netzwerkausrüster aus der Volksrepublik drehen könnte. Zwei Jahre Streit im KabinettBleibt für Huawei ausgerechnet Deutschland als Hoffnungswert unter den größten deutschen Volkswirtschaften. Denn die Bundesregierung, die seit bald zwei Jahren über den Umgang mit dem Konzern beim Ausbau des hiesigen 5G-Netzes streitet, sucht weiter nach einer salomonischen Lösung. Den Sicherheitsbedenken gegenüber Huawei in den SPD-geführten Ministerien Außen und Justiz, die sich für Vorgaben beim 5G-Ausbau aussprechen, die wohl einen Ausschluss des chinesischen Konzerns bedeuten würden, stellten sich vor allem das Kanzleramt und das vom Merkel-Vertrauten Peter Altmaier (CDU) geführte Wirtschaftsministerium entgegen, die keinen Anbieter von vornherein ausschließen wollen.Ein Kompromiss soll mit der Neufassung des IT-Sicherheitsgesetzes (IT-SiG 2.0) gefunden werden, das sich immer noch in der Abstimmung zwischen den Ressorts befindet. Es sieht in der jüngsten Fassung ein zweistufiges Verfahren für die Zulassung von Komponenten von kritischen Infrastrukturen wie dem Mobilfunknetz vor, wie aus Regierungskreisen zu hören ist. Dabei soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im ersten Schritt anhand eines erweiterten Sicherheitskatalogs die Zuverlässigkeit der Bauteile prüfen. Das war schon bisher unstrittig. Daneben sieht das Gesetz nun vor, dass die “politische Vertrauenswürdigkeit” eines Anbieters festgestellt werden muss.Zunächst war an dieser Stelle eine Vertrauenswürdigkeitserklärung der Anbieter selbst vorgesehen, was auch von Abgeordneten der Unionsparteien, darunter der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen (CDU), als unzureichend kritisiert wurde. Nun sollen Bundeskanzleramt, Auswärtiges Amt, Innen- und Wirtschaftsministerium nach objektiven Kriterien prüfen, ob die politische Vertrauenswürdigkeit gegeben ist. Die Zustimmung zum Einsatz von Komponenten, die vom BSI im ersten Schritt als sicher eingestuft werden, könne die Regierung aber nur verweigern, wenn die Ressorts einvernehmlich zur Einschätzung kommen, dass ein Anbieter nicht vertrauenswürdig ist.Ob das die salomonische Lösung ist, mit der sowohl die Kritiker von Huawei in Kabinett und Bundestag als auch die Verfechter einer herstellerunabhängigen Prüfung von Komponenten, die keinen Anbieter von vornherein ausschließt, leben können, bleibt abzuwarten. Ob der skizzierte politische Kompromiss am Ende auch geeignet sein würde, beim Ausbau der 5G-Netze Investitionssicherheit für Telekomfirmen in Deutschland zu schaffen, die im Vergleich etwa mit der Konkurrenz in Frankreich zuletzt besonders stark auf die Komponenten von Huawei gesetzt haben, wie eine Analyse des dänischen Marktforschungsunternehmens Strand Consult zeigt, darf aber schon jetzt bezweifelt werden. Denn auch wenn die Kriterien für die politische Bewertung nach Angaben aus Regierungskreisen streng objektiv sein sollen – warum kann das BSI sie dann eigentlich nicht auch mit in seinen Sicherheitskatalog aufnehmen und prüfen? -, dürfte die mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 geplante Vertrauenswürdigkeitsprüfung für die Unternehmen große Unwägbarkeiten mit sich bringen. Was passiert zum Beispiel, wenn sich die “politische Vertrauenswürdigkeit” eines Anbieters unter objektiven Kriterien einmal ändert, mit den dann bereits im Netz verbauten Komponenten? 5G-Investitionen verdoppeltSollte man in Berlin bisher davon ausgegangen sein, dass der weltweite Ausbau von 5G-Netzen stoppt, bis die Bundesregierung ihr neues IT-Sicherheitsgesetz und die ebenfalls überfällige Novelle des Telekommunikationsgesetzes vorlegt, weisen die jüngsten Zahlen des US-Marktforschers Gartner in eine andere Richtung. Das Research-Haus geht davon aus, dass sich die Investitionen in 5G-Netze in diesem Jahr weltweit von etwas mehr als 4 Mrd. auf gut 8 Mrd. Dollar verdoppeln (siehe Grafik). Die Hälfte davon entfällt auf China. Die Ausgaben in Vorgänger-Technologien wie LTE und 4G gehen zurück und dürften schon 2022 von 5G überflügelt werden.