Frankreich

Berliner Charme-Offensive an der Seine

Paris und Berlin wollen ihre Beziehungen wieder stärken. Oberste Priorität haben für sie die Bekämpfung der Inflation, solide öffentliche Finanzen und die Einführung einer Mindeststeuer für Unternehmen.

Berliner Charme-Offensive an der Seine

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Die Bekämpfung der Inflation und ihrer Folgen für Haushalte und Unternehmen hat für Deutschland und Frankreich derzeit oberste Priorität. Das kündigten Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Donnerstag nach einem Treffen in Paris an. Beide Länder müssten dieselben Summen für Hilfspakete zur Abmilderung der Inflationsfolgen einsetzen, betonte Le Maire. Deutschland war zuletzt von europäischen Partnern vorgeworfen worden, zu hohe Beträge einzusetzen und europäische Maßnahmen zu blockieren.

Zur Bekämpfung der Inflation müssten die Energiepreise schneller gedrückt werden, die Hauptursache der höchsten Inflation seit Jahrzehnten, sagte Lindner. Solide öffentliche Finanzen und die Einführung einer Mindestbesteuerung von Unternehmen gehören zu den anderen Prioritäten von Paris und Berlin. Während sie bei der angedachten Reform der europäischen Schuldenregeln noch eine gemeinsame Perspektive entwickeln müssen, sind Deutschland und Frankreich nach Angaben der beiden Minister fest entschlossen, die globale Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 15 % notfalls individuell umzusetzen. Dies könnte nötig werden, wenn Ungarn weiterhin eine gemeinsame Vorgehensweise der Europäischen Union blockiert. Frankreich will das Thema laut Le Maire bereits 2023 angehen, Deutschland laut Lindner 2024.

Der FDP-Chef war bereits der dritte Spitzenpolitiker der Bundesregierung, der diese Woche zu Gast in Paris war. Erst reiste Außenministerin Annalena Baerbock an die Seine, dann Wirtschaftsminister Robert Habeck. Am heutigen Freitag dann stattet Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne Olaf Scholz einen Antrittsbesuch in Berlin ab, der eigentlich schon früher geplant war, aber wegen einer Covid-Erkrankung des Bundeskanzlers hatte verschoben werden müssen.

Mit dieser Charme-Offensive versuchen Berlin und Paris die Scherben zu beseitigen, die durch die Absage des ursprünglich für Ende Oktober geplanten deutsch-französischen Ministerrats entstanden sind. Er war auf einen zunächst unbekannten Termin verschoben worden, was vor allem in Frankreich für Negativ-Schlagzeilen gesorgt hatte. Der deutsch-französische Ministerrat soll nun am 22. Januar stattfinden, am 60. Jahrestag des Élysée-Vertrages, mit dem die früheren Erzfeinde 18 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit legten. Offiziell bestätigt ist der Termin noch nicht. „Berlin und Paris sind total entschlossen, unsere Beziehungen zu stärken“, sagte Le Maire nach dem Treffen mit Lindner. „Zusammen sind wir stärker.“

Um dem mehr Nachdruck zu verleihen, hat Präsident Emmanuel Macron Baerbock, Habeck und Lindner bei ihren Besuchen damit belohnt, dass er sie persönlich empfing. Dies ist protokollarisch un­gewöhnlich. Beide Regierungen haben in den vergangenen Tagen auch Einigungen über Themen er­zielt, die zuvor für Spannungen sorgten, da­runter das geplante deutsch-französisch-spanische Kampfflugzeugsystem FCAS (Future Combat Air System) und die Finanzierung des europäischen Raumfahrtprogramms.

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