Deutschland

Bundesbank dämpft Sorge um Standort etwas

Ökonomen und Unternehmer warnen wegen der rasant gestiegenen Energiekosten vor einer Deindustrialisierung Deutschlands und einem Abstieg der deutschen Wirtschaft. Die Bundesbank dämpft solche Sorgen nun etwas – warnt aber zugleich vor Risiken.

Bundesbank dämpft Sorge um Standort etwas

ms Frankfurt

Trotz des rasanten Anstiegs der Energiekosten im Jahr 2022 ist die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich preislich immer noch recht wettbewerbsfähig. Zu diesem Urteil kommt die Deutsche Bundesbank in einem Aufsatz in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht Dezember. Ein Grund dafür sei die Abwertung des Euro. Zugleich schränkt die Bundesbank aber ein, dass dies eine Gesamtbetrachtung sei und die Einschätzung nicht für jede Branche gelten müsse. Zudem könne sich die Bilanz im Zeitverlauf noch verändern.

Der enorme Anstieg der Energiepreise vor allem infolge des Ukraine-Kriegs hat eine intensive Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschlands ausgelöst. Immer mehr Ökonomen und auch Unternehmer warnen vor einer Deindustrialisierung Deutschlands und einem Abstieg der deutschen Wirtschaft. Ex-Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn warnte unlängst, dass Deutschland vor allem wegen seiner Energiepolitik wieder zum „kranken Mann Europas“ geworden sei. Die Bundesbank kommt in der Debatte nun zu einem differenzierten Bild, dämpft aber zumindest ganz akute Sorgen etwas.

Euro-Abwertung hilft

Laut Bundesbank hat rein rechnerisch der relative Energiekostenanstieg in Deutschland von Jahresbeginn bis September 2022 – in diesem Zeitraum war er besonders ausgeprägt – die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands um 0,9% verschlechtert. Dem stand demnach aber eine Abwertung des Euro zum Dollar gegenüber, die für sich genommen die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verbesserte. Laut Bundesbank-Berechnung verbesserte sich die Wettbewerbsfähigkeit durch die Kursverluste des Euro zum US-Dollar um etwa 1,9%.

„Die Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands durch die nominale Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar war im betrachteten Zeitraum von Januar bis September also rein rechnerisch merklich größer als ihre Verschlechterung durch den relativen Energiepreisanstieg in Deutschland“, so die Bundesbank – und weiter: „Diese Überschlagsrechnung illustriert, warum gängige Indikatoren der preislichen Wettbewerbsfähigkeit diese für Deutschland nach wie vor eher als günstig und seit Ende 2021 als kaum verändert ausweisen.“

Allerdings mahnt die Bundesbank selbst zur Vorsicht. Das Ergebnis sei als „gesamtwirtschaftliche Aussage“ zu interpretieren. „Es bedeutet keinesfalls, dass der Energiepreisanstieg nur wegen der Euro-Abwertung zum US-Dollar für alle heimischen Branchen oder gar Unternehmen unproblematisch wäre“, so die Experten. Branchen mit einem merklich höheren Energiekostenanteil als der Durchschnitt seien stärker betroffen. Zudem verringere eine Abwertung des Euro allein zum Dollar den Preis von Exportgütern, deren Absatzmärkte in anderen Währungsräumen als den USA liegen, nicht zwangsläufig. Besonders betroffen seien Exporteure in Großbritannien und Japan. Und drittens könne eine Abwertung zum Dollar preistreibend wirken, weil viele Vorleistungsgüter oft selbst in Dollar fakturiert seien.

Hinzu komme, dass die Abwertung nicht in erster Linie als eine Reaktion auf die Energiekrise selbst zu verstehen sei. Vielmehr ist sie laut Bundesbank zu ei­nem erheblichen Teil auf andere Um­stände wie die relativ kräftige Straffung der US-Geldpolitik zurückzuführen. „Sofern sich diese Umstände als temporär erweisen, entfiele perspektivisch auch der die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessernde Wechselkurseffekt. Dies verschlechterte dann die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, wenn sich die im Ländervergleich stark gestiegenen Energiekosten gleichzeitig als persistent erwiesen.“

Das Fazit der Experten: Es könne „nicht davon ausgegangen werden, dass vom Energiemarkt ausgehende, möglicherweise strukturelle Relativpreisverschiebungen stets und dauerhaft von nominalen Wechselkursänderungen aufgefangen werden“.