IM BLICKFELD

Der Flug des KI-Airbus durch den industriellen Datenraum

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 30.10.2019 Anfang Oktober hatte Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, eine knifflige Frage des FDP-Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin zu beantworten. Der...

Der Flug des KI-Airbus durch den industriellen Datenraum

Von Stefan Paravicini, Berlin Anfang Oktober hatte Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, eine knifflige Frage des FDP-Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin zu beantworten. Der wollte von der Bundesregierung nämlich wissen, wie sich “das Projekt Gaia-X zu den von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf dem 12. Digital-Gipfel 2018 angekündigten Projekten Europa-Cloud und KI-Airbus verhält” und in welchem Stadium sich die Projekte befinden. Verschiedene AusprägungenDas Ministerium erklärte dazu, dass “sowohl der KI-Airbus als auch die in referenzierenden Zeitungsartikeln von Journalisten benannte Europa-Cloud Ausprägungen desselben Projektes”, namentlich von Gaia-X seien. Über den Status dieses Projektes gab Staatssekretär Nußbaum dem Abgeordneten Höferlin damals keine genaueren Auskünfte, da dies “den Erfolg des Gesamtprojektes gefährden” würde. Weitergehende Informationen dazu sollten voraussichtlich im Laufe des Herbstes 2019 mitgeteilt werden.Auf dem 13. Digital-Gipfel in Dortmund war es gestern so weit. “Mit Gaia-X schaffen wir die Startbahn für den KI-Airbus”, erklärte Staatssekretär Thomas Jarzombek, der bei der Vorstellung von Gaia-X für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einsprang, nachdem dieser bei der Eröffnung des Gipfels unglücklich gestürzt war und sich das Nasenbein gebrochen hatte.Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach vor einigen Tagen noch von einem “Triebwerk für den europäischen Daten-Airbus”, meinte damit aber den von der Fraunhofer- Gesellschaft entwickelten International Data Space (IDS), der vor einigen Jahren im Rahmen der Plattform Industrie 4.0 als Industrial Data Space gestartet war (vgl. BZ vom 19.2.2015) und im Kern von Gaia-X stehen soll. Von der Europa-Cloud war in Dortmund genauso wenig die Rede wie von der Deutschland-Cloud, die vor wenigen Jahren en vogue war. Beide muss man sich im industriellen Datenraum wohl irgendwo zwischen KI-Airbus und Gaia-X vorstellen.Was allen diesen Arbeitstiteln und Projekten – von der Vision eines europäischen Großprojekts für künstliche Intelligenz (KI) über die Idee eines internationalen Daten-Raums bis hin zur gestern vorgestellten Initiative für eine europäische Dateninfrastruktur – im Kern gemeinsam ist, das ist die Sorge, dass Europa und seine größte Volkswirtschaft bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen hinter den USA und China zurückbleiben und in zunehmende Abhängigkeit von ihnen geraten.Der jüngste Vorstoß, Gaia-X, will mit einer “souveränen, offenen und vernetzten Dateninfrastruktur auf der Basis europäischer Werte” Abhilfe schaffen, wie Jarzombek in Dortmund erklärte. Sie solle die Grundlagen für ein “Ökosystem rund um Datenanalyse, künstliche Intelligenz und den gesamten Betrieb in der digitalen Wirtschaft” bieten. Es gehe um die Grundlage für Datenverfügbarkeit und Datensouveränität in Europa, sagte der Beauftragte für die digitale Wirtschaft und Start-ups. Dazu soll das Projekt Anfang 2020 in eine feste Form gegossen werden, wobei den Initiatoren eine Europäische Genossenschaft vorschwebt. Bis Ende des nächsten Jahres sollen konkrete Anwendungsfälle laufen.”Wir werden keinen Hyperscaler bauen und wir wollen auch keinen direkten Konkurrenten zu amerikanischen Angeboten erschaffen”, stellte Jarzombek mit Blick auf Cloud-Größen aus den USA wie Amazon, Microsoft oder Alphabet klar (siehe Grafik). “Was wir erreichen wollen, ist ein Set von Schnittstellen und Standards zu definieren, um bestehende Angebote zu verbinden, so dass daraus eine Innovationsplattform wird.” Denn Deutschland mangle es weder an erfolgreichen Cloud-Anbietern, an Unternehmen mit interessanten Daten oder Tüftlern, die Algorithmen zur Datenanalyse entwickelten. Jeder von ihnen befinde sich derzeit aber in seinem eigenen Silo. Gaia-X solle zwischen den vielen Inseln der Innovation eine Verbindung herstellen.Unterstützung für das gesamteuropäisch angelegte Projekt kommt aus Frankreich. “Wir wollen eine sichere und souveräne europäische Dateninfrastruktur aufbauen”, sagte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in Dortmund. Auch aus der Wirtschaft kommen positive Signale. “Deutschland muss jetzt schnell eigene Fähigkeiten in wichtigen digitalen Technologiefeldern wiedererlangen”, sagte Iris Plöger vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Eine europäische Plattform für Cloud-Lösungen sollte nach einer Anlaufphase vollständig privatwirtschaftlich finanziert und betrieben werden.Sofern die mit Gaia-X verbundenen Funktionalitäten und die Kosten nicht mit Angeboten aus den USA und China konkurrieren können, dürfte die europäische Dateninfrastruktur nach Einschätzung von Marktbeobachtern geringe Chancen haben, sich durchzusetzen. So ist es etwa dem Angebot einer in Deutschland gehosteten Cloud von Microsoft und Deutscher Telekom ergangen. Beim Marktführer Amazon zeigt man sich demonstrativ gelassen. “Wir finden die Idee einer nationalen Cloud theoretisch interessant, in der Realität beseitigt sie aber viele der fundamentalen Vorteile von Cloud-Computing”, teilt der Konzern mit.