EU-Kommission

Deutliche Lockerungen für Nordirland möglich

Im Streit zwischen Brüssel und London um die Implementierung des Nordirland-Protokolls hat die EU-Kommission jetzt neue Vorschläge auf den Tisch gelegt: Sie sehen deutliche Erleichterungen für Nordirland vor.

Deutliche Lockerungen für Nordirland möglich

ahe Brüssel

Nach monatelangen Problemen bei der Umsetzung des Nordirland-Protokolls erklärt sich die EU-Kommission jetzt mit deutlichen Erleichterungen im Warenhandel zwischen Nordirland und dem britischen Festland einverstanden. Vizepräsident Maros Sefcovic stellte am Mittwoch Vorschläge für weitreichende Lockerungen im Bereich der Lebensmittel- und Medizinversorgung Nordirlands sowie der Zollregelungen vor und plädierte auch im Governance-Bereich für Anpassungen. Allerdings soll es aus Sicht der Brüsseler Behörde weder eine Neuverhandlung des Nordirland-Protokolls geben noch Änderungen an der Rolle des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), die von britischer Seite vehement gefordert werden.

Sefcovic sprach in Brüssel davon, eine Art „Express-Linie“ für den Warenverkehr von Großbritannien nach Nordirland zu schaffen. Die neuen Vorschläge böten „ein alternatives Modell für die Implementierung des Nordirland-Protokolls“.

Im Bereich Lebensmittel-, Pflanzen- und Tiergesundheit will die EU-Kommission die bisher eigentlich nötigen Kontrollen um 80% reduzieren. Dies gilt für Einzelhandelswaren aus Großbritannien, die auf den nordirischen Markt kommen. Dies knüpft Brüssel allerdings an eine Reihe von Bedingungen und Garantien, unter anderem eine verstärkte Überwachung von Lieferketten.

Kein Würstchen-Verbot mehr

Bestimmte Produkte, deren Einfuhr in die EU generell verboten ist – beispielsweise Würstchen – dürfen nun aus Großbritannien nach Nordirland eingeführt werden, wenn sie mit individuellen Zertifikaten versehen sind. Einfacher wird für Unternehmen ganz grundsätzlich der Handel mit Produkten tierischen Ur­sprungs – wie etwa Joghurt, Käse oder Hühnchenfleisch.

Ein ganz eigenes Thema ist zudem die Versorgungssicherheit Nordirlands mit Medikamenten aus Großbritannien. Hier ist die EU-Kommission mittlerweile bereit, auch eigene Regeln zu ändern. Britische Pharmaunternehmen müssen demnach bei der Belieferung Nordirlands künftig keinerlei zusätzlichen regulatorischen Regeln beachten. So kann beispielsweise Großbritannien weiterhin als Drehscheibe für die Generika-Lieferung für Nordirland fungieren, obwohl es nun ein Drittland ist.

Im Zollbereich schlägt die EU-Kommission vor, die Formalitäten und Prozesse so sehr zu vereinfachen, dass der Papierkram im Warenverkehr um rund die Hälfte wegfallen kann. Aber auch hier verlangt Brüssel Sicherheitsvorkehrungen, wie etwa die Bereitstellung eines vollständigen und Echtzeit-Zugang zu IT-Systemen.

Sefcovic, der die Vorschläge in den nächsten Tagen in London diskutieren will, plädierte zudem dafür, den Informationsaustausch auch mit Stakeholdern und Behörden in Nordirland über die Umsetzung der Vereinbarungen zu verstärken, um auch hier eine größere Transparenz zu schaffen. In dem Zusammenhang soll es künftig auch eine stärkere Verbindung zwischen der Nordirischen Versammlung und der Parlamentarischen EU-UK-Partnerschaftsversammlung geben.

Im EU-Parlament stießen die Vorschläge der Kommission auf Zustimmung. David McAllister, der Co-Vorsitzende der Kontaktgruppe des Parlaments zum Vereinigten Königreich und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, sprach von „flexiblen und pragmatischen Lösungen im bestehenden Rechtsrahmen“. Das Nordirland-Protokoll könne nicht nachverhandelt werden, stellte der CDU-Politiker klar. „Es ist Teil der Lösung des Problems. Das Problem ist und bleibt der Brexit.“ McAllister warnte die britische Seite davor, ihre Androhungen wahrzumachen und das Protokoll aufzukündigen. Dies werde die Schwierigkeiten nicht lösen, betonte er.

Die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, erklärte, die EU gehe mit diesen Vorschlägen sehr weit auf das Vereinigte Königreich zu und zeige „eine immense Kompromissbereitschaft, die bis zur Schmerzensgrenze reicht“.

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