G20-Treffen

Durchbruch bei Welt­steuer­reform

In Venedig haben die G20-Länder dem Vorhaben einer Weltsteuerreform zum Durchbruch verholfen. US-Finanzministerin Janet Yellen rechnet mit einem längeren Umsetzungsprozess. Die Unionsfraktion im Bundestag zeigt sich von der Einigung enttäuscht.

Durchbruch bei Welt­steuer­reform

Die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich in Venedig auf ein Grundkonzept für eine internationale Steuerreform verständigt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach von „einem großen geschichtlichen Moment“, bei dem eine mehr als 100-jährige internationale Besteuerung von Unternehmen geändert wird. Am Ende der Debatte der Finanzminister sei Szenenapplaus ausgebrochen, beschrieb Scholz den Moment im Plenum.

Damit ist der Weg frei für technische Detailarbeiten zur Einführung einer globalen Mindeststeuer von effektiv 15% und einer Neuverteilung von Steuersubstrat zugunsten von Ländern, in denen Güter und Dienstleistungen verkauft werden. Bis zum nächsten G20-Treffen im Oktober sollen verbliebene Themen gelöst werden und die Ausgestaltung innerhalb des vereinbarten Grundkonzepts fertig sein. Dazu fordert die G20 im Abschlusskommuniqué von Venedig die G20 auf, unter deren Dach die Arbeit der 139 Staaten am Steuerkonzept koordiniert worden war. 131 Staaten hatten sich dahinter gestellt. Zudem soll im Oktober auch ein verbindlicher Fahrplan zur Umsetzung der Reform vorgelegt werden. „Unser Ziel ist, dass die Vereinbarung 2023 in Kraft tritt“, sagte Scholz. Die G20 rief die verbleibenden acht Länder auf, sich der Vereinbarungen ebenfalls anzuschließen. Scholz (SPD) zeigte sich zuversichtlich, die drei europäischen Staaten noch an Bord zu holen. Es sind Irland, Estland und Ungarn, die bislang niedrigere Unternehmenssteuersätze haben. In Europa gilt Einstimmigkeit in Steuerfragen. Geplant ist eine EU-einheitliche Regelung, die somit auch das positive Votum dieser drei Länder benötigt. Zu den Ländern, die an den Arbeiten mitgewirkt haben, aber das Ergebnis bislang nicht mittragen, gehören neben den drei europäischen Staaten Barbados, St. Vincent and the Grenadines, Nigeria, Kenia und Sri Lanka. Scholz unterstrich, dass 90% der globalen Wirtschaftskraft nach der Entscheidung in Venedig abgedeckt seien.

US-Finanzministerin Janet Yellen zeigte sich in Venedig zuversichtlich, im US-Kongress Unterstützung für die Steuerreform zu finden. Die Umverteilung von Steuersubstrat von den Sitzländern auf die Marktstaaten betrifft einen Teil des Gewinns hochprofitabler Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Mrd. Euro. In Deutschland dürften davon rund zehn Großkonzerne betroffen ein. Erfasst sind vor allem aber auch Tech-Giganten aus den USA wie Amazon, Google oder Facebook. Sie waren Auslöser der Steuerdebatte. Digitalunternehmen können Dienstleistungen an Orten anbieten, an denen sie keine Betriebsstätten habe. Das aktuelle internationale Steuerrecht kann beim fiskalischen Zugriff aber nur an Betriebstätten anknüpfen. Verschiedenen Staaten hatten mit der Einführung nationaler Digitalsteuern auf die Geschäftspolitik der Digitalkonzerne reagiert oder verfolgen Pläne dazu. Yellen baut fest darauf, dass die Einigung auf die Neuverteilung der Besteuerungsrechte die nationalen Digitalsteuern obsolet macht. Dies wurde in Venedig deutlich. Die USA sehen durch diese Schritte ihre Tech-Konzerne diskriminiert. Aus Brüssel kamen indessen bereits andere Signale. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zufolge hält die EU an ihren Plänen für eine europäische Digitalabgabe für Unternehmen fest und will dazu in Kürze Vorschläge vorlegen. Dies könnte eine Zustimmung im Kongress in Washington erschweren.

Die Unionsfraktion im Bundestag hat die von den G20-Finanzministern am Samstag beschlossene globale Steuerreform als Enttäuschung kritisiert. „Statt eines großen Schrittes hin zu mehr Steuergerechtigkeit erleben wir genau das Gegenteil“, teilte die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, am Samstag mit. Keines der Ziele des OECD-Projekts zur Reform der Weltsteuerordnung, das die Fraktion seit Beginn unterstützt habe, würde mit der nun beschlossenen Reform erreicht.

„Ursprünglich sollte mit der Idee der ruinöse Steuerwettbewerb begrenzt werden. Stattdessen können die 132 zustimmenden Staaten trotz Einigung nun selbst wählen, ob sie die Mindestbesteuerung einführen“, kritisierte Tillmann. „Es ist völlig unklar, wer in den nächsten Jahren hier Wort hält. Es ist selbst unklar, ob die EU mitmacht, da drei Mitgliedstaaten unter den sieben Kritikern sind, wir aber für eine EU-weite Einführung deren Zustimmung bedürfen.“ Ausnahmen für die Finanzbranche und die Rohstoffindustrie festigten zudem „die Ausbeutung der Entwicklungsländer und lassen diese im internationalen Steuerwettbewerb allein“, monierte sie.

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