Haushaltsdebatte

„Es zeigt, wes fossilen Geistes Kind Sie noch immer sind“

Nach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sucht auch der stark in Bedrängnis geratene Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sein Heil in der Haushaltsdebatte in der Offensive. Den Sound der Selbstkritiklosigkeit, den er der Opposition vorwirft, ahmt Habeck mühelos nach.

„Es zeigt, wes fossilen Geistes Kind Sie noch immer sind“

Von Stefan Paravicini, Berlin

Auch bei Robert Habeck (Grüne) hat sich in den vergangenen Tagen einiges an Frust aufgebaut. Erst der Ärger mit der Gasumlage, dann die Aufregung um die Atomstromreserve und zuletzt auch noch beißender Spott über die Ausführungen des grünen Vizekanzlers zum Thema Insolvenzgefahr in der ARD. All das musste raus, als Habeck sich am Donnerstag im Bundestag im Rahmen der Haushaltsdebatte äußerte. Nachdem am Mittwoch schon Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein Heil in der Offensive gesucht hatte und auf die harsche Kritik von Oppositionsführer Friedrich Merz am energiepolitischen Kurs der Ampel-Koalition mit einer wütenden Replik geantwortet hatte, schaltete gestern auch der für die Energiepolitik zuständige Wirtschaftsminister sofort in die rhetorische Vorwärtsverteidigung.

„Der Sound der Selbstkritiklosigkeit, den ich hier gestern gehört habe, erfordert eine Antwort“, startete Habeck seinen Beitrag zur Haushaltsdebatte, in der die Energiepolitik angesichts der explodierenden Preise für Strom und Gas erneut im Mittelpunkt stand. „Wir räumen in wenigen Monaten auf, was Sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben“, griff Habeck Unionsfraktionschef Merz direkt an. „Und das tun wir mit Erfolg.“ Die Regierung wisse, was in der aktuellen Situation erforderlich sei, nämlich „ein Bekämpfen der aktuellen Krise bei Beibehaltung der strukturellen Veränderung, die dieses Land in die Zukunft führt.“

Die Ampel-Koalition habe alle Maßnahmen zur Eindämmung der akuten Energiekrise mit den Erfordernissen der Transformation des Energiesystems kombiniert, sagte Habeck und meinte damit wohl auch den Vorschlag für eine Reserve von zwei Atomkraftwerken, die zwar bis April 2023 zur Verfügung stehen, im Einklang mit dem Atomausstiegsgesetz aber schon zum Jahresende vom Netz gehen und nur im Notfall zum Einsatz kommen sollen. Kritiker des Vizekanzlers dürften hier einwenden, dass es genau diese Versuche der Krisenbewältigung unter den für die langfristige Transformation gültigen Nebenbedingungen sind, die die Krise am Ende verlängern und den Umbau verzögern könnten. Doch Habeck war für den Sound der Selbstkritik wenig empfänglich.

Stattdessen knöpfte sich der Wirtschaftsminister noch schnell die Verfassungsklage der Union gegen den Nachtragshaushalt der Ampel-Regierung vor: „Dass die Union in dieser Wirtschaftskrise ernsthaft dagegen klagt, weil die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien und in die Robustheit der Unternehmen verfassungswidrig sein sollen, ist ökonomischer Wahnsinn“, konterte Habeck den Auftritt von Merz bei der Generaldebatte tags zuvor, als der CDU-Chef den Wirtschaftsminister wegen seiner Einlassungen zum Thema Insolvenzgefahr bei Sandra Maischberger verspottet hatte und den Bundeskanzler aufforderte, den „Irrsinn“ von Habecks Plänen für die deutschen Atommeiler zu stoppen. „Es zeigt, wes fossilen Geistes Kind Sie noch immer sind“, schmetterte Habeck in Richtung Union.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn antwortete mit einer süffisanten Zusammenfassung der Energiepolitik der Ampel-Koalition. Die Regierung plane, per Umlage Konzerne mit Milliardengewinnen zu subventionieren, senke dafür die Mehrwertsteuer, um die von der Umlage betroffenen Verbraucher zu entlasten, und wolle jetzt die Unternehmen mit einer Übergewinnsteuer belasten, die von der Umlage profitieren. „Stoppen Sie diesen Irrsinn“, forderte Spahn. Da war er wieder, der Sound der Selbstkritiklosigkeit. Robert Habeck hatte ihn zuvor ganz mühelos nachgeahmt.

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