Konjunktur

Euro-Dienstleister kommen voran

Den Stimmungsumfragen von Sentix und IHS Markit zufolge brummt die Konjunktur im Euroraum im Juni. Allerdings zeigen sich Zeichen einer Überreizung und der Preisdruck steigt.

Euro-Dienstleister kommen voran

ba Frankfurt

Die Konjunktur in Euroland läuft zur Jahresmitte rund, wie zwei gestern von Sentix und IHS Markit veröffentlichte Stimmungsindikatoren zeigen. Die Finanzmarktprofis blicken so zuversichtlich auf die konjunkturelle Entwicklung wie seit Februar 2018 nicht mehr. Allerdings mehren sich kurzfristig die Anzeichen einer „Überreizung“, heißt es bei Sentix.

Die Einkaufsmanagerumfrage belegt, dass sich nun auch die Dienstleister im Euroraum zusehends aus dem Corona-Tief herausarbeiten. Seit drei Monaten verzeichne der besonders hart von den Restriktionen getroffene Sektor ein Wachstum, teilte das Analysehaus IHS Markit mit. Da auch die Industrie trotz der Lieferengpässe boomt, wächst der gemeinsame Währungsraum im Juni so kräftig wie seit 15 Jahren nicht mehr. „Die Eurozone startet mit Vollgas in den Sommer“, kommentierte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei IHS Markit, die endgültigen Ergebnisse der monatlichen Umfrage.

Zugleich mahnte er aber, dass auch der Inflationsdruck zugenommen habe. Damit wird die Debatte, ob die aktuellen Preissteigerungen tatsächlich wie von der Europäischen Zentralbank (EZB) postuliert nur temporärer Natur sind, ein Stück weiter genährt. Zuletzt lag die Jahresteuerungsrate, getrieben von den Energiepreisen, bei 1,9%. Die EZB strebt eine Inflationsrate von kapp unter 2% an.

Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex PMI Composite kletterte endgültigen Daten zufolge im Juni um 2,4 auf 59,5 Punkte und liegt damit deutlich über der Marke von 50 Zählern – Werte darüber signalisieren Wachstum (siehe Grafik). Dies ist zudem der höchste Stand seit Juni 2006 und übertrifft die Erstschätzung um 0,3 Zähler. Insbesondere die Lockerungen der Corona-Restriktionen haben die Geschäfte im Servicesektor angeschoben – der entsprechende Index kletterte um 3,1 auf 58,3 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit Juli 2007. Die Stimmung hellte sich dabei in sämtlichen von der Umfrage erfassten Ländern auf, allen voran in Irland und Spanien (siehe auch unten stehender Text). Die Geschäfte der deutschen Dienstleister liefen so gut wie zuletzt im März 2011.

„Welle des Optimismus“

Laut Williamson habe „eine Welle des Optimismus, dass das Schlimmste der Pandemie hinter uns liegt“, die Wachstumserwartungen der Unternehmen auf den höchsten Stand seit 21 Jahren steigen lassen. Dies sei ein gutes Zeichen dafür, „dass der Aufschwung in den kommenden Monaten weiter an Stärke gewinnen wird“. Es falle jedoch mehr und mehr Firmen zunehmend schwer, der boomenden Nachfrage nachzukommen, teils auch wegen Personalmangels. Dies bedeutet auch eine größere Preismacht der Unternehmen und signalisiere einen branchenübergreifenden Anstieg des Inflationsdrucks. So hätten die Dienstleister ihre Preise so stark erhöht wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr, so Williamson.

Mahnende Worte fand auch Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner: Dass die Erwartungen der Anleger sinken „könnte über den Sommer zu einer höheren Aktienmarktvolatilität beitragen“. 2006 und 2010, als ähnliche Phasen durchlaufen wurden, folgten „Zwischenkorrekturen am Aktienmarkt von rund 10%“. Für die Konjunktur sei der Rückgang der Erwartungskomponente auf 29,8 Punkte nach 35,3 Zählern im Mai und damit den niedrigsten Stand seit Dezember 2020 „insgesamt noch nicht besorgniserregend“, sagte Hübner. Das Barometer für die aktuelle Lage ist um 8,5 auf 29,8 Zähler geklettert und der Gesamtindex um 1,7 auf 29,8 Zähler (siehe Grafik). „Die Erholung der Wirtschaft in der Eurozone schreitet weiter voran“, sagte Hübner. Die globale Konjunktur laufe auf Hochtouren und selbst die Krisenregion Lateinamerika verzeichne erstmals seit Mai 2018 wieder einen positiven Stand. Die Rezession sei dort damit aber immer noch nicht vollständig überwunden. Auch die deutsche Wirtschaft präsentiere sich weiter in einer boomartigen Verfassung. Die Erwartungswerte, so scheine es, hätten allerdings überall ihren Zenit durchschritten.