Großbritannien will von Singapur lernen

Aufbau von Lagerbeständen vor dem EU-Austritt lässt Stimmung im verarbeitenden Gewerbe steigen

Großbritannien will von Singapur lernen

hip London – Großbritanniens Außenminister Jeremy Hunt hat bei seinem Staatsbesuch in Singapur erklärt, das Vereinigte Königreich könne von dem ostasiatischen Stadtstaat lernen. Der Erfolg des Landes gehe auf langfristige Investitionen in Bildung und Infrastruktur zurück, sagte der Nachfolger Boris Johnsons. Diese “strategische Herangehensweise” könne sich Großbritannien zu eigen machen, um Wettbewerbsvorteile zu sichern. Man habe aber nicht vor, das soziale oder politische Modell Singapurs nachzuahmen, sagte Hunt der BBC. Die Idee einiger Brexiteers, London zu einem “Singapur an der Themse” zu machen, einem deregulierten Finanz-Eldorado mit angegliedertem Offshore-Euromarkt, mag als Schreckgespenst taugen, wurde in Westminster aber ohnehin nicht aktiv verfolgt.Keine Regierung würde einen “No Deal”-Brexit aktiv vorantreiben, sagte Hunt. Die durch einen ungeregelten EU-Austritt ausgelösten Verwerfungen könnten einige Zeit anhalten. “Das ist nichts, was eine Regierung ihrer Bevölkerung wünschen sollte.” Er warnte zugleich vor “verheerenden sozialen Konsequenzen”, sollte Großbritannien die Staatengemeinschaft nicht in drei Monaten verlassen. Ein erneutes Referendum würde Vorwürfe nach sich ziehen, die Regierung höre nicht auf die Wähler, und wäre deshalb “unglaublich schädlich”. Brexit-VorbereitungenIn der britischen Industrie hat sich die Laune im Dezember dank eines starken Auftragseingangs etwas aufgehellt. Der Markit/CIPS-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe stieg um sechs Zehntelpunkte auf 54,2 Punkte, den höchsten Stand in sechs Monaten. Volkswirte hatten im Schnitt lediglich 52,5 Punkte auf der Rechnung. Erst Zählerstände unter 50 zeigen eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivität an. Die Vorbereitungen auf den Brexit prägten den Jahresschluss: Die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffvorräte stiegen so schnell wie nur viermal in der 27-jährigen Geschichte der Erhebung. Die Lagerbestände fertiger Güter wuchsen so schnell wie zuletzt im Mai. Die britische Regierung hatte unter anderem den Lebensmitteleinzelhandel und die pharmazeutische Industrie zur Bevorratung aufgefordert. Der Technologiekonzern Rolls-Royce teilte im Dezember mit, er habe im Zuge der Notfallplanung für den Brexit mit dem Aufbau von Lagerbeständen begonnen (vgl. BZ vom 14.12.2018).”Sowohl die Lagerbestände in der Beschaffung als auch bei den produzierten Gütern stiegen nahezu im Rekordtempo”, sagte Rob Dobson, der bei IHS Markit für die Erhebung verantwortlich zeichnet. Der Lageraufbau bei den Kunden im In- und Ausland habe den Auftragseingang auf ein Zehnmonatshoch getrieben. “Aber jegliche positiven Auswirkungen auf den Einkaufsmanagerindex sind vermutlich von kurzer Dauer, denn kurzfristige Gewinne werden sich im weiteren Jahresverlauf umkehren, wenn die sicherheitshalber angelegten Vorräte abgebaut oder überflüssig werden.” Das würde allerdings voraussetzen, dass es zu einem geordneten Austritt aus der EU mit einer Übergangsperiode kommt. “Kommt es zu einem ,No Deal’-Brexit, hat die britische Exportwirtschaft vermutlich größere Probleme als exzessive Lagerbestände”, schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins in einer ersten Einschätzung. Die Input-Preise gingen trotz des schwachen Pfund deutlich zurück. Alles in allem gebe es jedoch wenig gute Neuigkeiten, bilanzierte Martins. Das Wachstum des verarbeitenden Gewerbes habe sich von 3,2 % im Schlussquartal 2017 auf 1,4 % im dritten Quartal 2018 verlangsamt. Im Dezember habe das Statistikamt ONS zudem den Beitrag der Nettoexporte zum Wirtschaftswachstum nahezu vollständig herausrevidiert. Das Leistungsbilanzdefizit erreiche dagegen nahezu 5 % des Bruttoinlandsprodukts und sei damit trotz der Schwäche der Landeswährung so groß wie seit zwei Jahren nicht.