IM BLICKFELD

In Europas Cloud tummeln sich die üblichen Verdächtigen

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 25.11.2020 In der vergangenen Woche haben die treibenden Kräfte hinter der deutsch-französischen Cloud-Initiative "Gaia-X" für eine moderne europäische IT-Architektur die Stakeholder des Projektes zu...

In Europas Cloud tummeln sich die üblichen Verdächtigen

Von Stefan Paravicini, Berlin In der vergangenen Woche haben die treibenden Kräfte hinter der deutsch-französischen Cloud-Initiative “Gaia-X” für eine moderne europäische IT-Architektur die Stakeholder des Projektes zu einer mehrtägigen virtuellen Konferenz geladen. “Innerhalb weniger Monate hat sich Gaia-X zu einem neuen europäischen Daten-Ökosystem entwickelt”, jubelte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zum Auftakt des ersten “Gaia-X Summit”, der den Startschuss für die nächste Phase des Projekts einläuten sollte. Knapp ein Jahr nach dem Start der Initiative sei man dem Ziel eines europäischen Datenraums als Grundlage für mehr digitale Innovation und datengetriebene Geschäftsmodelle in Europa “ein gutes Stück näher gekommen”, stellte sein deutscher Amtskollege Peter Altmaier zufrieden fest.Mehr als 100 Unternehmen hätten bereits ihr Interesse signalisiert, als Mitglieder der ersten Stunde im Rahmen von Gaia-X mitzuwirken, ließ das Wirtschaftsministerium bei dieser Gelegenheit wissen. Insgesamt sind mehr als 350 Organisationen an der Initiative beteiligt, und mehr als 800 internationale Mitglieder tauschen sich aus. Dazu gehören auch die üblichen Verdächtigen aus der Cloud wie der US-Konzern Amazon, der Marktführer im Cloud-Geschäft, die US-Konkurrenten IBM und Microsoft oder der chinesische Internetriese Alibaba. Aber auch Huawei, der chinesische Netzwerkausrüster, über dessen Rolle beim Ausbau des deutschen Mobilfunknetz die Koalition in Berlin seit Monaten streitet, gehört zu den Partnern von Gaia-X. Der US-Datenspezialist Palantir, der einen großen Teil seines Geschäfts im Heimatmarkt mit den örtlichen Geheimdiensten macht, hat ebenfalls bereits sein Interesse bekundet, an der Entwicklung des europäischen Datenraums mitzuwirken.Die Namen wirken auf den ersten Blick deplatziert. Im Kern geht es der Initiative schließlich darum, eine vertrauenswürdige und souveräne digitale Infrastruktur für Europa als Alternative zu den Angeboten aus den USA und China zu schaffen. Sie soll die sichere Bereitstellung, den Austausch und das Speichern von Daten und Diensten sicherstellen und damit die Grundlagen für eine souveräne europäische Datenökonomie schaffen, die im Wettbewerb mit den USA und China bestehen kann. Denn die Datenwirtschaft ist längst zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden.Der weltweite Datenmarkt summierte sich nach Einschätzung der EU-Kommission im Jahr 2018 noch auf rund 300 Mrd. Euro und wird bis 2025 auf knapp 830 Mrd. Euro expandieren. Noch schneller wächst das weltweit verarbeitete Datenvolumen, das 2019 rund 33 Zettabyte ausmachte und bis 2025 auf 175 Zettabyte anspringen wird. Die Verarbeitung dieser enormen Datenmengen erfolgt immer häufiger in zentralen Rechenzentren – Teil der sogenannten Cloud -, die im großen Stil von Konzern wie Amazon aus den USA und Alibaba aus China betrieben werden. Amazon Web Services, die Cloud-Sparte von Amazon, hat im dritten Quartal mehr als 3 Mrd. Euro verdient und ihren Umsatz um rund 30 % gesteigert.Die Datenökonomie in den 28 EU-Staaten hat im vergangenen Jahr nach Einschätzung der EU-Kommission einen Wert von 400 Mrd. Euro erreicht und ist im Vergleich zum Vorjahr um 8 % gewachsen. Den reinen Datenmarkt, also den Wert der verkauften Daten, bezifferte die Kommission in den EU-Mitgliedstaaten zuletzt auf mehr als 75 Mrd. Euro, wobei Deutschland, Frankreich und Großbritannien deutlich mehr als die Hälfte davon ausmachten. Im Vergleich mit den USA schafft es die europäische Datenökonomie nicht auf Augenhöhe (siehe Grafik).Europäische Anbieter in der Größenordnung von Amazon Web Services oder der chinesischen Alibaba gibt es nicht. Doch während die großen Spieler aus den USA und China das Geschäft mit Verbraucherdaten weitestgehend unter sich aufgeteilt haben, glaubt Europa fest an seine Chance im Geschäft mit sensiblen Daten aus der Industrie, aus dem Gesundheitswesen oder aus der Forschung. Hier verfügen nicht nur große Konzerne wie die Walldorfer SAP, das größte europäische Softwareunternehmen und eines der 22 Gründungsmitglieder von Gaia-X, gestützt auf jahrzehntelange Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit der Industrie, über Vorteile gegenüber Konkurrenz aus Übersee. Gutes Zeichen für Gaia-XDie hohen Anforderungen an den Datenschutz, wie sie in der europäischen Datenschutzgrundverordnung festgelegt sind, zeichnen Europa gegenüber den USA und China schon heute als Standort für sensible Daten aus. Gaia-X soll die Voraussetzungen schaffen, diesen Standort auch mit einer leistungsfähigen Dateninfrastruktur zu versehen. Die Anschlussfähigkeit dieser Infrastruktur an große Anbieter wie Amazon Web Services ist eine Bedingung für den Erfolg des Projekts. Das Interesse der üblichen Verdächtigen für die neue europäische Cloud-Architektur ist deshalb ein gutes Zeichen für die Aussichten von Gaia-X.