Konjunktur

Insolvenzanstieg beschleunigt sich

Ein Drittel mehr Firmenpleiten im August – und Frühindikatoren deuten einen weiteren Anstieg der Insolvenzzahlen an. Trotz der mauen Konjunkturlage werden aber auch weiter neue Betriebe gegründet.

Insolvenzanstieg beschleunigt sich

Anstieg der Insolvenzen beschleunigt sich

Zahl der Regelinsolvenzen steigt um 22 Prozent – Mehr Neugründungen, aber auch häufiger Gewerbeaufgaben

ba Frankfurt

Deutsche Unternehmen zollen der schwächelnden Konjunktur, gestiegenen Finanzierungskosten und anhaltend hohen Energiepreisen Tribut: Im August ist die Zahl der Firmenpleiten um mehr als ein Drittel gestiegen, die beantragten Regelinsolvenzen haben im Oktober um etwas mehr als ein Fünftel zugelegt, und in den ersten neun Monaten hat mehr als jeder zehnte Betrieb sein Gewerbe vollständig aufgegeben. Experten sehen dies aber weiter nicht als Beginn der lange befürchteten Pleitewelle, sondern als eine Normalisierung – und als Folge steuerlicher Zahlungsverpflichtungen.

Zweistellige Zuwachsraten seit Juni

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) legte die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen hierzulande im Oktober um 22,4% im Vergleich zum Vorjahr zu. Im September waren es 19,5%, nach 13,8% im August. Damit sind „seit Juni 2023 durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“, betonen die Wiesbadener Statistiker. Allerdings werden die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in der Statistik berücksichtigt. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt Destatis zufolge in vielen Fällen annähernd drei Monate davor. Den deutlichen Insolvenzanstieg im Vergleich zu den vergangenen Monaten erklärt der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) mit den Zahlungsverpflichtungen gegenüber Finanzämtern und Krankenkassen. Diese brächten „zum Quartalsende gerade kleinere Unternehmen in wirtschaftliche Bedrängnis, erklärte VID-Vorsitzender Christoph Niering. Bei einer Maximalfrist für den Insolvenzantrag von drei Wochen fielen die so ausgelösten Anträge in den Oktober.

Laut den endgültigen Zahlen, die nun für August vorliegen, haben 1.556 Unternehmen bei Amtsgerichten die Insolvenz beantragt. Das sind 35,7% mehr als im Vorjahr. Die entsprechenden Forderungen der Gläubiger bezifferten die Amtsgerichte auf rund 1,8 Mrd. Euro. Im August vergangenen Jahres betrugen die Forderungen rund 0,8 Mrd. Euro. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen stieg um 8,6% auf 5.843.

Eine Insolvenzwelle sieht Niering weiter nicht kommen. „Durch eine Reihe prominenter Insolvenzfälle ist das Gefühl einer Insolvenzwelle entstanden." Mit konkreten Zahlen lasse sich dies nicht belegen. "Im Gegenteil, noch immer liegen die Unternehmensinsolvenzen weit unter dem Spitzenwert des Jahres 2009“, so Niering.

Energieversorger kaum betroffen

Erneut war der Wirtschaftsbereich Verkehr und Lagerei mit 9,9 Fällen je 10.000 Unternehmen am stärksten von Insolvenzen betroffen, gefolgt von den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen etwa Zeitarbeitsfirmen gehören, mit 7,7 Fällen. Die geringste Insolvenzhäufigkeit mit 0,6 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen meldet Destatis für die Energieversorgung. Insgesamt gab es im August 4,6 Unternehmensinsolvenzen bezogen auf 10.000 Unternehmen.

Von Januar bis September gaben aber nicht nur mehr Unternehmen den Betrieb auf als im selben Vorjahreszeitraum – es wurden auch mehr neu gegründet. Die Zahl der Neugründungen von Gewerbebetrieben, Betriebsübernahmen, Umwandlungen und Zuzüge aus anderen Meldebezirken stieg laut Destatis insgesamt um 7,9% auf rund 552.800. Die Neugründungen allein legten um 8,6% auf rund 460.300 zu. Bei den Betrieben, deren Rechtsform und Beschäftigtenzahl auf eine größere wirtschaftliche Bedeutung schließen lassen, meldet Destatis ein Plus von 2,5% auf 91.400.

Für den Insolvenzverwalterverband zählen zu den Branchen, die derzeit besonders unter wirtschaftlichem Druck stehen, die energieintensiv produzierenden Unternehmen und Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie die Bau- und Immobilienwirtschaft. "Erhöhte Zinsen und deutlich zurückgehende Nachfrage werden nicht nur große Projektentwickler und Bauträger in Bedrängnis bringen, sondern schon bald auch Handwerksbetriebe treffen", warnte der VID.

Etwas mehr Neugründungen

Gleichzeitig gaben aber auch rund 72.200 Betriebe mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung ihr Gewerbe vollständig auf. Das waren 11,4% mehr als in den ersten neun Monaten 2022. Von einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung wird ausgegangen, wenn ein Betrieb durch eine juristische Person oder eine Personengesellschaft gegründet beziehungsweise aufgegeben wird, erläutern die Statistiker. Auch von natürlichen Personen gegründete oder aufgegebene Betriebe können hierunter fallen, sofern die Person im Handelsregister eingetragen ist, Arbeitnehmer beschäftigt oder bei der Gründung eine Handwerkskarte besitzt. Die Gesamtzahl der vollständigen Gewerbeaufgaben – zu denen auch Betriebsübergaben, Umwandlungen oder Fortzüge in andere Meldebezirke zählen – stieg um 11,4% auf rund 352.400.

Aber auch mehr Gewerbeaufgaben

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