KURZARBEIT: KURZER SEGEN, LANGER FLUCH?

Kurzarbeit ist ein Balance-Akt

2,4 Millionen Jobs gesichert - Mitarbeiter unzufrieden - Deutschland in guter Gesellschaft

Kurzarbeit ist ein Balance-Akt

2,4 Millionen Arbeitsplätze hat die Kurzarbeit wohl gerettet. Aber das Instrument hat auch Tücken: Es kostet viel Geld, verhindert wichtige Transformationsprozesse und macht Mitarbeiter unzufrieden. Ein Blick in andere Länder zeigt dennoch: Es ist der richtige Weg. ast Frankfurt – Nachdem sich die Zahl der Kurzarbeiter auf zwischenzeitlich rund drei Millionen verringert hatte, dürfte sie nun im November-Lockdown wieder zunehmen. Davon geht die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht aus. Demnach könnte die Kurzarbeit “wieder über das im August erreichte Niveau hinaus steigen”. Ohnehin dürfte die Kurzarbeit Deutschland noch länger beschäftigen. Das Bundeskabinett einigte sich auf eine Verlängerung bis Ende 2021. Das gefällt nicht allen.Ökonomen wie Politiker warnen, die Verlängerung sei vorschnell gewesen. Sie rege zum Missbrauch an. Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) unterfüttert diese These mit Zahlen. BCG hat im September Firmen mit insgesamt 1,4 Millionen Mitarbeitern befragt. BCG-Deutschlandchef Matthias Tauber resümiert: “Die Kurzarbeit ist ein gutes Medikament, um Stabilität in den Arbeitsmarkt zu bringen. Aber sie hat Nebenwirkungen.” Demnach geht die Jobsicherung auf Kosten der Produktivität: Diese sinkt in 55 % der Unternehmen (siehe Grafik). Zudem sorgt sie dafür, dass das benötigte Know-how nicht immer vor Ort ist. Auch verzögern sich durch die Abwesenheit von Fachkräften wichtige Transformationsprozesse. Und noch etwas kommt dazu: Die Mitarbeiter sind unzufrieden. Das betrifft die Kurzarbeiter, die weniger Einkommen zur Verfügung haben. Aber auch diejenigen, die weiter in Vollzeit arbeiten, sind unzufrieden: Sie arbeiten mehr, bekommen aber nicht wesentlich mehr Geld als ihre Kollegen in Kurzarbeit. Das Gefühl der Ungleichbehandlung wächst.Darin sieht auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher ein Problem. “Es besteht die Gefahr, dass der Anteil des Niedriglohnbereichs durch die Corona-Pandemie wächst.” In der Regel hätten Menschen, die längere Zeit arbeitslos waren, zunächst Schwierigkeiten, ein gutes Einkommen zu bekommen. “Die Polarisierung in Deutschland hat sich auf vielen Ebenen verschärft und wird sich weiter verschärfen”, so Fratzscher. Kaum vergleichbarDas IW Köln hat untersucht, wie andere Länder mit der Kurzarbeit verfahren. Ein simpler Vergleich der Leistungshöhe erscheint kaum sinnvoll – zu unterschiedlich sind die Bedingungen. Ein erstes Ergebnis allerdings stellen die Forscher voran: “Dort, wo es derartige Leistungen nicht gibt, steigt die Arbeitslosigkeit stark an – zum Beispiel in den USA”, heißt es in der Studie. Bei der Höhe des Kurzarbeitergeldes führt Deutschland zwar auf den ersten Blick (siehe Grafik) nicht. So liegt das monatliche Kurzarbeitergeld in Frankreich und den Niederlanden beispielsweise im Durchschnitt höher, allerdings werden Steuern fällig. In Großbritannien und den Niederlanden wird das Kurzarbeitergeld nur für drei Monate gezahlt. Das Kurzarbeitergeld in Deutschland ist hingegen darauf ausgerichtet, die Jobs der Arbeitnehmer zu sichern, diese während ihrer Zwangspause finanziell abzusichern und den Unternehmen zu ermöglichen, ihre Fachkräfte zu erhalten. Die Bezugsdauer von bis zu 24 Monaten erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, denn für die Einkommenssicherung der Arbeiter macht es einen großen Unterschied, wie lange sie die Unterstützung erhalten.Der deutsche Arbeitsmarkt ist bislang gut durch die Coronakrise gekommen, findet auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele (siehe Interview auf dieser Seite). Hilfreich war mit Sicherheit, dass Deutschland das Kurzarbeitergeld nicht als Kriseninstrument aus dem Boden stampfte – wie manche europäischen Nachbarn angesichts massiver Arbeitsplatzverluste -, sondern auf jahrelange Erfahrung mit diesem zurückblicken kann.