Neue Nahrung für Trumps Tiraden

Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss steigt wieder - Treiber ist vor allem der Warenhandel

Neue Nahrung für Trumps Tiraden

rec Frankfurt – Vor dem Hintergrund der Handelsgespräche zwischen der EU und den USA erhält die Kritik von US-Präsident Donald Trump an globalen Ungleichgewichten neue Nahrung. 2019 wies Deutschland zum achten Mal in den vergangenen neun Jahren den weltweit höchsten Überschuss in der Leistungsbilanz aus: 293 Mrd. Dollar. Das zeigen Berechnungen des Ifo-Ökonomen Christian Grimme. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist der Überschuss zum ersten Mal seit 2015 gestiegen, auf 7,6 %. Die USA dürften mit etwa 490 Mrd. Dollar wieder das größte Leistungsbilanzdefizit erzielen.Trump kritisiert die Ungleichgewichte insbesondere im Welthandel regelmäßig als ungerecht. Nach einem Teilabkommen mit China, das laut Grimme mit 183 Mrd. Dollar den dritthöchsten Positivsaldo in der Leistungsbilanz aufwies (siehe Grafik), widmet Trump sich nun wieder verstärkt der EU. Beide Seiten haben ihre Absicht bekundet, zu einer Übereinkunft in Handelsfragen kommen zu wollen. Gelingt das nicht, droht eine neue Welle gegenseitiger Zölle.Mit seiner Kritik an Deutschland ist Trump nicht allein. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat wiederholt die Ungleichgewichte in den weltweiten Leistungsbilanzen betont und Deutschland hervorgehoben. Dadurch entstünden Risiken für die Finanzstabilität. Der IWF fordert, Berlin müsse durch mehr staatliche Investitionen die Binnennachfrage stärken. Auch von der Vorgabe der EU, die Überschüsse von mehr als 6 % als nicht tragfähig erachtet, entfernt Deutschland sich wieder. Laut Grimme liegt das vor allem an steigenden Exporten in der zweiten Jahreshälfte. So zogen die Ausfuhren in die USA “aufgrund der vorangeschrittenen Euro-Abwertung gegenüber dem US-Dollar” an. Auch hätten sich die Exporte ins Vereinigte Königreich erholt, nachdem ein unkontrollierter EU-Austritt vorerst abgewendet war. Zudem habe “die anhaltende Industrierezession in Deutschland die Einfuhren von Vorleistungsgütern stark gebremst”. Daten zur Handelsbilanz 2019 vermeldet das Statistische Bundesamt am Freitag. 2018 lag Deutschlands Exportüberschuss bei 229 Mrd. Euro. Zum Überschuss in der weiter gefassten Leistungsbilanz trägt laut Grimme darüber hinaus in zunehmendem Maße das Primäreinkommen aus Investitionen und Wertpapiererträgen im Ausland bei.”Gegenüber den USA könnte die Bundesregierung betonen, dass Deutschland von US-Firmen erbrachte Dienstleistungen oft aus Irland oder den Niederlanden bezieht, die somit nicht in der direkten Bilanz auftauchen”, sagte Grimme der Börsen-Zeitung. In Handelsfragen führt freilich Brüssel das Wort. “Die EU muss stärker darauf hinweisen, dass die USA zwar ein großes Warenhandelsdefizit gegenüber der EU aufweisen, gleichzeitig haben die USA aber große Überschüsse bei den Dienstleistungen und den Primäreinkommen”, so Grimme. So betrachtet, sei der Leistungsbilanzsaldo zwischen den beiden größten Handelsblöcken der Welt “fast ausgeglichen, genau genommen erzielen die USA sogar einen kleinen Überschuss”.