ITALIEN IN DER KRISE

Ökonomen warnen vor Folgen einer Reformblockade

Erneute Zerreißprobe für die Eurozone

Ökonomen warnen vor Folgen einer Reformblockade

lz Frankfurt – Der Ausgang des Verfassungsreferendums wird die Erosion des Wohlstandsniveaus in Italien beschleunigen, neue politische Turbulenzen heraufbeschwören und dürfte letztlich auch die Existenz der Eurozone gefährden. Davon sind die meisten Ökonomen überzeugt in ihren Analysen nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses. Die Rede ist von einer “Bruchlandung”, einem “Rückschlag”, einer “Blockade” und von einer “Ohrfeige” für alle, die immer noch an die Reformbereitschaft Italiens geglaubt hatten.Nur wenige Analysten zeigten sich wie KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner relativ entspannt. “Europa und Italien werden mit den Folgen dieser Entscheidung umgehen können”, gab er zu Protokoll und verweist auf die bereits erreichten Reformen, die auch ohne Verfassungsänderung hatten umgesetzt werden können. Und auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, mahnt zu Gelassenheit: “Ich würde am heutigen Tag nicht das Wort Euro-Krise in den Mund nehmen. Italien dürfte jetzt eine Technokraten-Regierung bekommen. Das muss nichts Schlechtes bedeuten. Übergangsregierungen in Europa haben manchmal mehr hinbekommen als reguläre Regierungen.” Und selbst die Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P) wartet erst einmal ab. Der Ausgang des Referendums sei “zurzeit” kein Anlass, die Bonität des Landes herabzusetzen.Alle Ökonomen gehen indes davon aus, dass das Wachstum noch schwächer ausfallen wird, weil Impulse fehlen, und dass vom hohen Schuldenstand und dem wackeligen Bankensystem eine noch größere Destabilisierungsgefahr ausgeht als bisher schon. Die Ratingagentur DBRS, warnt etwa Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank, könnte Italien von “AL” herabstufen, so dass die Collateral-Anforderungen der EZB steigen. Dies würde die Attraktivität italienischer Bonds reduzieren, was eine zusätzliche Belastung für die heimischen Banken darstelle.Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, will zwar nicht von einem Wiederaufflammen der Euro-Krise reden, warnt aber vor erhöhter politischer Unsicherheit, die zu Finanzmarktturbulenzen führen und die Wirtschaftsstimmung belasten könnte. Besorgniserregend sei, dass sich das Zeitfenster für Reformen schließe. Heise: “Wenn die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone nicht in der Lage ist, Wachstum zu erzeugen und Reformen durchzusetzen, wird irgendwann die Euromitgliedschaft Italiens in Frage gestellt.”Italien, so Heinz Werner Rapp, Chief Investment Officer des Investmenthauses Feri, spricht indes offen von “einem gefährlichen Pfad”, der “den Zerfall des Euro immer wahrscheinlicher macht”. Und Lüder Gerken, Vorstand des Centrums für Europäische Politik in Freiburg, warnt: “Die Mehrheit der Bevölkerung verweigert sich notwendigen Reformen.” So könne nicht nur der riesige Schuldenberg von mehr als 2 Bill. Euro in absehbarer Zeit nicht abgebaut werden, sondern es seien auch die von Ex-Premier Matteo Renzi bereits eingeleiteten Arbeitsmarktreformen wackelig. Schließlich drohe ein reformunfähiges Italien “die gesamte Eurozone in einen Sog zu ziehen”.