IM GESPRÄCH: MATTHIAS HEIDER

"Ordnungspolitisch sauber"

CDU/CSU dringt auf zügige Fortschritte bei der Anpassung des Wettbewerbsrechts an das Digitalzeitalter

"Ordnungspolitisch sauber"

Die Digitalisierung der Wirtschaft zwingt zum Umdenken in der Ordnungspolitik. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) soll deshalb erneut novelliert werden. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Heider, Wettbewerbsexperte der CDU/CSU-Fraktion, zeigt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung auf, dass die Zeit drängt.Von Angela Wefers, Berlin “Die Internetriesen haben so viel Marktmacht, dass sie den Zugang zu Daten und zu Märkten kontrollieren”, sagt Matthias Heider der Börsen-Zeitung im Gespräch. “Sie können diese Märkte, wenn es ihnen passt, verschließen”, warnte der Wirtschaftsexperte. “Das ist dem Wettbewerb abträglich.” Internetriesen wie Google, Apple, Facebook oder Amazon zu bändigen, ist Kernpunkt der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). “Es geht um große, weltweit marktbeherrschende Unternehmen”, sagte Heider. “Es ist das Anliegen dieser Novelle, zu prüfen, ob diese sich hierzulande wettbewerbskonform verhalten.” Die Reform ist die zehnte Novelle des GWB.”Das Vorhaben sollte in der Koalition Priorität genießen”, konstatierte der CDU-Politiker. Derzeit hakt es aber in der Bundesregierung. Der Referentenentwurf, zu dem Länder und Verbände konsultiert werden sollen, lässt noch immer auf sich warten. “Ich hoffe, dass sich die beteiligten Ministerien über die letzten Passagen jetzt schnell einigen werden”, sagte Heider. “Markt und Wirtschaft warten auf dieses Gesetz. Eile ist geboten.” Für das GWB zuständig ist in der Bundesregierung das von Peter Altmaier (CDU) geführte Bundeswirtschaftsministerium. Ein gewichtiges Wort spricht aber Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) mit, deren Ressort für den Verbraucherschutz zuständig ist.Mit zwei zentralen Anliegen in puncto Wettbewerbsrecht war die große Koalition Anfang 2018 in die neue Legislaturperiode gestartet. Das Kartellrecht soll mit Blick auf Digitalisierung und Globalisierung modernisiert und auf digitale Geschäftsmodelle zugeschnitten werden. In die Aktivitäten großer Digitalkonzerne, die den Wandel in der Wirtschaft schneller vorantreiben, als die Aufseher oft nachkommen, sollen die Wettbewerbshüter künftig früher eingreifen dürfen. Die wissenschaftliche Grundlage für die anvisierte Modernisierung des GWB hatte die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 erarbeitet.Seit Oktober liegt ein erster Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium für die Novelle vor. Dieser Entwurf steuert zwei zentrale Punkte an. Zum einen soll die Missbrauchsaufsicht über marktmächtige Digitalunternehmen verschärft werden, zum anderen sollen Unternehmen, auch mittelständische, Erleichterungen erfahren und mehr Rechtssicherheit genießen.”Wir werden dem Kartellamt schärfere Instrumente an die Hand geben, und zwar für Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb”, erläuterte Heider die Stoßrichtung. “Wir werden sehen, wie diese Instrumente wirken.” Denn tatsächlich sind einige Wirkungsmechanismen noch unbekannt. “Wir haben mit der Regulierung von Plattformen noch keine große Erfahrung. Das ist tatsächlich Neuland”, hielt er fest. “Jetzt gilt es, die schwarzen Schafe von denen zu trennen, die sich wettbewerbskonform verhalten.” Neue IntermediationsmachtVorgesehen ist im Entwurf, dass neben dem bisherigen Prüfstein der Angebots- und Nachfragemacht das Konzept der Intermediationsmacht neu eingeführt werden soll, um eine marktbeherrschende Stellung zu ermitteln. Dieses Konzept soll die Rolle von Plattformen als Vermittler besser erfassen. Die Kartellbehörde soll gezielt eingreifen und Plattformen besondere Verhaltenspflichten auferlegen dürfen, wenn die Wettbewerbshüter eine überragende marktübergreifende Bedeutung festgestellt haben. So dürfen etwa eigene Angebote und solche von Wettbewerbern auf Plattformen nicht ungleich behandelt werden.Zur besseren Kontrolle marktmächtiger Unternehmen zielt der Entwurf zudem darauf, den Datenzugang für Wettbewerber zu verbessern und einen spezifischen Datenzugangsanspruch zu regeln. “Das Eigentum an den Daten ist nicht so entscheidend”, erläutert Heider. “Es geht um den Zugang zu den Daten und darum, mit den Daten arbeiten zu können. Dadurch entsteht der Wettbewerb.” Dies sei eine der großen Erkenntnisse aus der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 gewesen. Das Datenthema ist für den Mittelstand entscheidend. “Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen haben großes Interesse, den Zugang zu Märkten zu behalten”, betonte Heider. “Der Informationsfluss muss gewährleistet sein. Sonst hätten kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland ein Riesenproblem.”Erleichterungen für den Mittelstand im Entwurf verspricht zudem eine erhöhte Aufgreifschwelle in der Fusionskontrolle. Zusammenschlüsse sollen künftig erst von einer jährlichen Umsatzschwelle von 10 Mill. Euro an darunterfallen. Bislang liegt diese Schwelle bei 5 Mill. Euro. Auch die Marke für Bagatellmärkte wird angehoben, von 15 Mill. Euro Volumen auf 20 Mill. Euro. Ein Zusammenschluss dort wird nicht untersagt. Zudem soll eine Lockerung der kartellrechtlichen Bewertung von Kooperationen neue Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen im Digitalzeitalter erleichtern.Ziel der Koalition ist es, mit der Reform eine Basis zu legen, um in Deutschland und Europa Digitalkonzerne von international wettbewerbsfähiger Größe wachsen zu lassen. “Wir wollen nicht den Geschäftsbetrieb im Internet behindern”, betonte Heider. “Möglichst viele Kunden sollen den Nutzen des Internets genießen können.” Für ihn heißt dies: “Deshalb machen wir keine High-End-Regulierung mit tausenden von Vorschriften.” “Ansatz richtig gewählt” Altmaier darf sich für seinen Entwurf der Rückendeckung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sicher sein. “Die Abgeordneten der Union sind mit diesem Gesetzentwurf sehr zufrieden”, hielt Heider fest. “Der Ansatz ist richtig gewählt, die Ebene der Regulierung zutreffend.” Über die Gründe der langwierigen Ressortabstimmung lässt sich indessen nur spekulieren. “Es gab starke Kräfte, den Verbraucherschutz beim Kartellamt zu verankern”, erläuterte Heider. Dies sieht der Entwurf nun nicht vor. “Wettbewerb ist ein guter Verbraucherschutz”, unterstrich der CDU-Politiker. Der Kunde profitiere davon. “Ordnungspolitisch sind wir sauber geblieben.”Die Bundesregierung sieht Heider mit dem Vorhaben an der Spitze der Bewegung. “Deutschland ist Pilotland in der Novelle des Wettbewerbsrechts”, führte er aus. “Es gibt europaweit nichts Vergleichbares.” Für Europa stelle sich aber die zwingende Frage, wie es sich im internationalen Wettbewerb aufstelle. “In der nächsten Stufe wird auf europarechtlicher Ebene im Binnenmarkt nachgefasst”, stellte Heider in Aussicht. “Wir sollten den europäischen Binnenmarkt fitmachen für den Umgang mit der Plattformenökonomie.”Für die Bundesregierung bieten sich gute Chancen, das Thema in Brüssel zu beflügeln, wenn Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2020 den Vorsitz im Europäischen Rat übernimmt. “Als Abgeordneter des Bundestags bin ich sehr dafür, dies zu einer zentralen Frage der deutschen Ratspräsidentschaft zu machen”, positionierte sich Heider. Auf der Grundlage der Arbeit der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 lassen sich demnach gleich zwei Ziele erreichen. “Wir wollen den Wirtschaftsstandort Deutschland befestigen durch ein modernes Wettbewerbsrecht”, resümierte Heider. “Wir wollen auch den Binnenmarkt befestigen. Gerade weil wir in Europa zwischen den USA und China nicht besonders stark als mit Plattformen gesegnet gelten.”