Industrie

Produktion leidet unter Engpässen

Materialknappheiten bremsen die deutsche Industrie auch in der Mitte des zweiten Quartals aus. Insbesondere die Probleme in der Autobranche machen sich in dem überraschenden Produktionsrückgang bemerkbar.

Produktion leidet unter Engpässen

ba Frankfurt

Materialknappheiten bremsen die deutsche Industrie auch in der Mitte des zweiten Quartals. Insbesondere die Probleme in der Autobranche machen sich bemerkbar, und daran wird sich so bald nichts ändern: Gestern senkte der Branchenverband VDA seine Prognose für den Pkw-Absatz im laufenden Jahr um 5 Prozentpunkte auf +3,0% (siehe Bericht Seite 7). Aber auch andere Industriebereiche schaffen es derzeit nicht, die rekordhohen Auftragsbestände abzuarbeiten.

Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) sank die Gesamtfertigung von Industrie, Bau und Energieversorgern im Mai um saison- und kalenderbereinigt 0,3% im Monatsvergleich. Ökonomen hatten im Schnitt ein Plus von 0,5% erwartet. Allerdings wurde der Aprilwert nach oben revidiert: Statt eines Rückgangs um 1,0% notiert Destatis nun ein Minus von 0,3%. Im Vorjahresvergleich hat sich den Wiesbadener Statistikern zufolge ein Zuwachs von 17,3% ergeben. Im Vergleich zu Februar 2020, dem letzten von der Coronakrise unbelasteten Monat, lag die Produktion 5,0% niedriger.

Ökonomen bewahren sich aber ebenso wie das Bundeswirtschaftsministerium ihren Optimismus. Ein Argument liefern die Ifo-Produktionserwartungen, die im Juni auf hohem Niveau blieben. Der Indikator kletterte um 1 auf 27 Punkte. Angesichts der weiter hohen Nachfrage sowie deutlicher Verbesserungen beim Geschäftsklima und den Ex­porterwartungen bleibe „der Ausblick für die Industriekonjunktur insgesamt positiv“, betonte das Ministerium. Die Industrie im engeren Sinne drosselte den Output um 0,5%. Innerhalb der Industrie meldete laut Ministerium der Bereich Kfz/Kfz-Teile ein deutliches Minus von 6,9%, wohingegen der ähnlich gewichtige Maschinenbau die Fertigung um 2,4% steigerte. Das Baugewerbe produzierte 1,3% mehr, während die Energieerzeugung 2,1% niedriger ausfiel als im April.

Dass die Industrie mit Blick auf die Aufwärtsrevision der Aprildaten auf der Stelle trete, sei zwar nicht erfreulich, aber kein Beinbruch, urteilte Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. Er wertet die gestern veröffentlichten Zahlen als „Zeichen der Rückkehr zur Normalität“. „Sorgen bereiten dagegen Folgeeffekte“, mahnte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Der Materialmangel habe nun nämlich auch Auswirkungen auf den Auftragseingang, weniger Aufträge bedeuteten aber auch weniger Produktion in Zukunft. „Aus diesem Blickwinkel wird der Mangel für die Konjunkturentwicklung zu einer ernstzunehmenden Gefahr“, mahnte Gitzel.

ING-Chefökonom Carsten Brzeski schließt für die kommenden Monate weiter erratische Daten wegen der Lieferprobleme nicht aus, sieht die Gesamtrichtung der Produktion aber insgesamt weiter aufwärtsgerichtet. Angesichts voller Auftragsbücher und reduzierter Lagerbestände sollte die Industrieproduktion in diesem Jahr aber ein wichtiger Wachstumsmotor bleiben: „Der Aufschwung wird kommen, er folgt nur nicht dem deutschen Prinzip der ‚Pünktlichkeit‘“, resümiert Brzeski. Skeptischer ist Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Der Aufschwung im dritten Quartal werde von den Sektoren getragen, deren Aktivität anders als in der Industrie nach den Lockerungen „sprunghaft wieder steigt“.