Portugal

Regierungskrise gefährdet Erholung

Die linken Partner der portugiesischen Minderheitsregierung haben den Haushaltsplan für 2022 abgelehnt – ohne den es keine Gelder aus dem Topf „Next Generation EU“ gibt, die als wesentlich für den Aufschwung gelten.

Regierungskrise gefährdet Erholung

ths Madrid

Die unerwartete Regierungskrise in Portugal bringt den wirtschaftlichen Aufschwung in Gefahr. Der Ministerpräsident António Costa brachte die Situation auf den Punkt, als der Haushaltsplan seiner sozialistischen Minderheitsregierung am Donnerstag im Parlament durchfiel. „Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist diese Krise und erst recht unter den gegenwärtigen Umständen“, sagte der Regierungschef. Die Sozialisten (PS) stellen nur 108 der 230 Abgeordneten im Parlament. Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa wird nächsten Mittwoch entscheiden, ob er Neuwahlen ausruft, so wie er es im Vorfeld der Abstimmung über den Haushalt angemahnt hatte. Diese würden frühestens Ende Januar oder im Februar stattfinden.

Die beiden linken Partner, die Costas Minderheitsregierung seit 2015 getragen hatten, verweigerten den Sozialisten diesmal die Unterstützung. Der Linksblock, Bloco de Esquerda (BE), und die Kommunisten der PCP hatten weitaus höhere Sozialausgaben und etwa eine arbeitgeberfreundliche Reform des Arbeitsmarktes gefordert. „Dieser Haushalt ist alles andere als links“, wetterte die Chefin des BE, Caterina Martins, in der Kammer.

Dabei sieht der Entwurf für 2022 einen Anstieg der Investitionen von 30% vor, mit viel Geld für das angeschlagene Gesundheitssystem, die Bildung, den Technologiebereich und die Infrastruktur, vor allem dem Ausbau des Bahnverkehrs. Eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ist ebenso abgemacht wie neue Zuschüsse für Familien mit Kindern.

Costa baute bei seiner Planung auf den Erhalt der Milliarden aus dem europäischen Aufbaufonds „Next Generation EU“. Von den 13,9 Mrd. Euro an direkten Zuwendungen und 2,7 Mrd. Euro an Krediten sollte schon ein Viertel 2022 investiert werden. Doch nun wird Portugal erst einmal auf die Gelder aus Brüssel warten müssen. Denn die Hilfen sind an einen Haushaltsplan und konkrete Reformpläne gebunden. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, erklärte am Donnerstag, man werde sich nun mit der portugiesischen Regierung austauschen. Vorerst gilt der aktuelle Haushalt. Nach portugiesischem Gesetz darf die Regierung im Monat maximal ein Zwölftel der Gesamtsumme der Staatsausgaben 2021 ausgeben.

Der Erhalt der EU-Hilfen gilt für Volkswirte als einer der wichtigsten Faktoren für den Konjunkturaufschwung. Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 8,4% im letzten Jahr hatte die Regierung im Haushaltsplan für 2021 ein Wachstum von 4,8% und für 2022 von 5,5% eingeplant. Das Staatsdefizit sollte von 4,3% in diesem Jahr auf 3,2% im Jahr 2022 und danach unter die 3% fallen. Bei Neuwahlen könnte frühestens im April ein neuer Haushalt verabschiedet werden.

Machtkampf um Parteispitze

Costa erklärte, dass er als Kandidat antreten werde, und warb vor seinen Landsleuten schon einmal um eine klare Mehrheit. Die Sozialisten sind weiterhin stärkste Kraft im Lande, doch eine absolute Mehrheit scheint in weiter Ferne. Bei den landesweiten Kommunalwahlen Ende September kam Costas PS auf 33% der Stimmen, sie erlitt jedoch empfindliche Rückschläge wie den Verlust des Rathauses der Hauptstadt Lissabon. Die jüngsten Umfragen sehen die PS bei 38%, 10 Punkte vor der konservativen PSD. Die führende Oppositionspartei wählt am 4. Dezember ihren Vorsitzenden. Der Europaparlamentarier Paulo Rangel fordert den bisherigen Parteichef Rui Rio heraus. Die rechtsextreme Chega, die 2019 mit 1,3% der Stimmen erstmals ein Mandat erreichte, liegt in den Umfragen jetzt bei fast 10%.

Obwohl die portugiesischen Staatsschulden wegen der Pandemie im letzten Jahr auf 135% hochschossen, genießt das Land an den Märkten Vertrauen und niedrige Zinsen, da auch die Ratingagenturen ihren Ausblick verbessert hatten. Doch die Regierungskrise könnte den Staatsfinanzen bald einen Strich durch die Rechnung machen. „Im Umfeld politischer Unsicherheit sowie den von uns erwarteten niedrigeren EZB-Anleihekäufen könnten (portugiesische Anleihen) PGBs schnell ins Hintertreffen geraten“, kommentierten die Analysten der DZBank.

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