Rekordverschuldung

Größter Einbruch der britischen Wirtschaftsleistung seit mehr als 300 Jahren

Rekordverschuldung

Großbritannien stockt im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie die Hilfen nochmals auf. Die ohnehin schon hohe Verschuldung wird weiter steigen – in mittelfristig nicht mehr tragfähige Höhen. Gegengesteuert wird allerdings nur zaghaft. Höhere Steuern sind noch kein Thema.bet London – Großbritannien wird noch lange mit den Folgen der Corona-Pandemie kämpfen müssen. “Der Gesundheitsnotstand ist noch nicht vorbei, der Wirtschaftsnotstand hat gerade erst begonnen”, erklärte Schatzkanzler Rishi Sunak am Mittwoch vor dem Unterhaus, als er einen Finanzplan für die nahe Zukunft vorstellte. Die Corona-Hilfen und Zusatzausgaben wegen der Pandemie werden von bereits 280 Mrd. Pfund (315 Mrd. Euro) nochmals um 38 Mrd. Pfund bis Ende März 2021 aufgestockt. Für das anschließende neue Finanzjahr plant Sunak mindestens weitere 55 Mrd. Pfund ein.Der Hintergrund ist düster: Die britische Wirtschaftsleistung dürfte im laufenden Jahr um insgesamt 11,3 % einbrechen, sagte das Office for Budget Responsibility (OBR) ebenfalls am Mittwoch voraus. Das wäre das größte Minus seit dem sogenannten Jahrtausendwinter von 1709. Die unabhängige Behörde zur Haushaltsüberwachung erwartet für 2021 zwar einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,5 %. Doch erst Ende 2022 könne die Wirtschaft wieder das Leistungsniveau erreichen, auf dem sie vor der Pandemie stand, so das OBR. Und im Jahr 2025 werde sie immer noch 3 % kleiner sein, als man im vergangenen März für 2025 angenommen hatte.Schon heute steht Großbritannien im internationalen Vergleich schlecht da. Im zweiten Quartal war das BIP um knapp 20 % zum Vorquartal gesunken. Die Erholung von fast 16 % von Juli bis September blieb nicht nur hinter den Erwartungen zurück, sie verlor auch zusehends an Schwung – schon bevor ein zweiter Lockdown für England verhängt wurde. Im dritten Quartal war die Wirtschaft nach offiziellen Angaben noch knapp 10 % kleiner als Ende 2019. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA sowie etwas mehr als in Spanien. Als Gründe gelten unter anderem die Länge und Härte des Lockdowns im Frühjahr sowie die hohe Abhängigkeit von Dienstleistungsbranchen, die besonders unter den Einschränkungen leiden.Die britische Neuverschuldung klettert laut dem OBR im laufenden Finanzjahr um 394 Mrd. Pfund oder 19 % des BIP, den höchsten Wert in Friedenszeiten. Die gesamten Staatsschulden werden über die drei kommenden Jahre hinweg an der Marke von 110 % des BIP kratzen. Schatzkanzler Sunak gab zu, dass dieses Niveau mittelfristig nicht tragfähig sei – doch noch wollte er nicht von Steuererhöhungen reden. Zunächst wird nur zaghaft gegengesteuert: Die meisten Staatsdiener und öffentlich Beschäftigten, mit Ausnahme des Gesundheitssektors, müssen auf eine Gehaltserhöhung verzichten. In einem umstrittenen Schritt wird die internationale Entwicklungshilfe von 0,7 % auf 0,5 % des BIP gekürzt.Unmittelbar Besorgnis weckt die steigende Arbeitslosigkeit, weshalb mehr als 4 Mrd. Pfund in Jobcenter, Trainings und die Vermittlung von Arbeitsplätzen investiert werden sollen. Zwar ist britische Variante der Kurzarbeit bis zum Ende des Winters verlängert worden, aber das geschah zögerlich – und dieses Zögern blieb nicht ohne Folgen: Als sich Arbeitgeber auf das ursprünglich geplante Ende der Kurzarbeit im Oktober einstellten, wuchs die Zahl der Entlassungen von Juli bis September zum Vorquartal um 181 000 auf 314 000. Beides sind Rekordwerte. Die Arbeitslosenquote kletterte von 4,5 % auf 4,8 %, wobei jedoch nur Arbeitslose berücksichtigt werden, die aktiv eine Stelle suchen. Das OBR erwartet einen Anstieg auf bis zu 7,5 % im zweiten Quartal 2021.