Parlamentswahl

Rutte, die Vierte

In dieser Woche wird in den Niederlanden gewählt. Viel spricht dafür, dass es wieder zu einer rechtsliberal-konservativen Koalition unter Führung von Premier Mark Rutte kommt – also zur Regierung Rutte IV.

Rutte, die Vierte

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Vor zwei Monaten ist die komplette niederländische Regierung zurückgetreten – in Reaktion auf den Skandal um vom Staat fälschlich zurückverlangte Zuschüsse für die Kinderbetreuung. In dieser Woche nun wird in Deutschlands Nachbarstaat eine neue Tweede Kamer, also ein neues Parlament, gewählt. Die Prognosen sprechen dafür, dass sich am Mittwoch nach dem Schließen der Wahllokale wieder eine rechtsliberal-konservative Koalition unter Führung von Premier Mark Rutte abzeichnet – also die Regierung Rutte IV – und sich letztlich durch die „Toeslagen“-Affäre an den politischen Ge­wichten in den Niederlanden so gut wie nichts verändern wird.

In Umfragen enteilt

Mit dem Rücktritt aller Mitglieder des Kabinetts Rutte III versuchte die Regierung Mitte Januar, sich in der Affäre um Betreuungshilfen aus der Defensive zu befreien. Rutte räumte öffentlich ein, dass vieles schiefgelaufen sei. Um sich im Kampf gegen Sozialbetrug zu profilieren, hatte die Regierung die Behörden zuvor über Jahre hinweg angewiesen, Zuschüsse zurückzufordern. Dadurch wurden viele Familien fälschlicherweise als Betrüger dargestellt – dabei insbesondere Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Das hatte Rutte und seinen Ministern den Vorwurf diskriminierenden Handelns und sogar Anschuldigungen des Rassismus eingetragen.

Vierer- bis Fünferkoalition

Trotzdem dürfte Ruttes rechtsliberale Freiheitspartei VVD bei den Wahlen in dieser Woche alle anderen Parteien weit hinter sich lassen. Die Volkspartij voor Vrijheid en Democratie wird den aktuellen Prognosen zufolge ihre Spitzenposition noch ausbauen können. Ihr wird zugetraut, mehr als ein Viertel der Wählerstimmen auf sich zu vereinen. Das ist in den Niederlanden sehr viel, da die Parteienlandschaft zersplitterter ist als in allen anderen EU-Staaten. Bereits jetzt sitzen mehr als ein Dutzend Parteien in der Zweiten Kammer – und es könnten nun sogar noch einige weitere hinzukommen. Denn für einen Sitz im Parlament braucht es nicht mindestens 5%, sondern lediglich 0,66% der Stimmen.

Die Christdemokraten der CDA könnten es diese Woche mit etwas Glück und Spucke von Rang 3 auf Platz 2 schaffen. Sie wären dann voraussichtlich wieder der natürliche Koalitionspartner für Rutte. Spannend ist dann eigentlich nur noch, wen die Regierung als Juniorpartner in die Koalition aufnehmen muss, um mehr als die Hälfte der 150 Sitze zu erreichen. Zuletzt war dazu eine Vierparteienallianz nötig. Gut möglich, dass es dieses Mal ein Fünferbündnis braucht.

Rechtspopulisten kein Faktor

Denn auch künftig dürfte wohl keine bürgerliche politische Kraft mit der Rechts-außen-Partei PVV von Geert Wilders koalieren, die mit den Christdemokraten um die Position als zweitstärkste Kraft in der Tweede Kamer wetteifert. Wilders ist es in Zeiten der Pandemie nicht gelungen, wieder an Zeiten anzuknüpfen, da seine PVV gleichauf lag mit Ruttes VVD. Das war noch Anfang 2017, wenige Wochen vor der damaligen Parlamentswahl, der Fall – und der Grund, warum halb Europa damals mit großer Nervosität den Wahlkampf verfolgte, immerhin bestand seinerzeit das Risiko, dass in dem westeuropäischen Gründungsland der EU mit Wilders ein erklärter Europagegner an die Macht gelangt.

Dieses Mal können die EU-Nachbarn die Ergebnisse mit größerer Gelassenheit abwarten. Ein Erdrutschsieg der Rechtspopulisten gilt als höchst unwahrscheinlich. Zumal Premierminister Rutte derzeit vom Wunsch der Bürger nach Stabilität in unsicheren Zeiten profitiert – und davon, dass sich die niederländische Wirtschaft in der Coronakrise deutlich robuster geschlagen hat als in anderen EU-Staaten. Unterstützt durch die starke Exportorientierung könnten die Niederlande zu den ersten EU-Volkswirtschaften gehören, die wieder auf Vorpandemieniveau zurückkehren.