Attraktive Politiker

Schönheit schadet – oder?

Schöne Politiker verbringen weniger Zeit mit der parlamentarischen Arbeit und stecken mehr Energie in Nebentätigkeiten und Fernsehauftritte. Qualitative Aussagen trifft eine Ifo-Studie zu dem Thema aber auch nicht.

Schönheit schadet – oder?

Schönheit schadet – zumindest der Demokratie. Denn Demokratie lebt von Vielfalt. Einer Vielfalt an Gedanken, Ansichten, Ideen, Einschätzungen und Erfahrungen. Und sie lebt vom Diskurs darüber. Und diesem scheinen sich attraktive Abgeordnete des Bundestags systematisch öfter zu entziehen. Denn einer Ifo-Studie zufolge bringen die Schönheiten unter den Volksvertretern weniger parlamentarische Anfragen ein, halten weniger Reden und beteiligen sich weniger in Gruppeninitiativen. Zudem fehlen sie öfter bei namentlichen Abstimmungen im Parlament als die weniger Attraktiven – und zwar um 8,49%. Fatal auch insofern, da attraktive Politikerinnen und Politiker zudem bessere Wahlergebnisse als die weniger Attraktiven erzielen.

Wie aber füllen nun diese attraktiven Exemplare ihre täglichen 24 Stunden? Unter anderem mit Nebentätigkeiten. Die mit steigender Attraktivität umso lukrativer werden. Im untersuchten Zeitraum der Jahre 2009 bis 2017 erzielten Abgeordnete im Durchschnitt in einer Legislaturperiode für Nebentätigkeiten 48.000 Euro. Stieg der Schönheitswert aber um eine Standardabweichung, so konnten 6.600 Euro mehr vereinnahmt werden.

Viel Zeit im TV-Studio

Überdurchschnittlich viel Zeit verbrachten die schönen Politiker auch in Fernsehstudios: Die untersuchten 2.923 TV-Talkshows von Markus Lanz, Günther Jauch, Anne Will, Maybritt Illner und den Formaten Menschen bei Maischberger, Hart aber Fair, Fakt ist!, die NDR Talk Show und 3nach9 hat jeder Abgeordnete im Schnitt 1,13 mal beehrt. Je schöner aber, desto häufiger wurde der Sitz im Plenarsaal mit einem Stuhl vor der Kamera getauscht. Dass tatsächlich das Aussehen das Ticket für den Fernsehauftritt ist, zeigt der Gegencheck mit den Print-Medien – egal ob FAZ, SZ, Taz, Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau oder Die Welt: Die Forscher fanden keinen signifikanten Effekt des Schönheitswerts auf namentliche Nennungen in den 7.250 Print und Online erschienen Zeitungsartikeln der Jahre 2009 bis 2013.

Die Schönen mangels Mitarbeit aus dem Politikbetrieb auszuschließen, ist allerdings keine Lösung. Denn die Studie lässt keine Rückschlüsse über die Qualität der parlamentarischen Arbeit sowie das Wirken der Attraktiven für die Gesellschaft zu. Die Studienautoren Lea Geißendörfer, Klaus Gründler, Niklas Potrafke und Timo Wochner betonen selbst, dass die Forschungsergebnisse nicht zeigen, „ob die Beiträge der Schönen im Parlament und im Fernsehen qualitativ besonders wertvoll sind oder ihre Präsenz im Fernsehen ein anderweitig womöglich reines Absitzen der Zeit im Parlament überkompensiert“.

Verschiedene Schönheitsideale

Nachdem Schönheit im Auge des Betrachters liegt, ist deren Messung ein weiterer Knackpunkt der Studie. An der gewählten Skala von 1 (am unattraktivsten) bis 10 (am attraktivsten) lässt sich nicht mäkeln. Auch nicht an der Nutzung der standardisierten Kopf-Schulter-Porträtfotos der Abgeordneten aus Kürschners Volkshandbuch. Die politische Objektivität wurde gleichfalls gewahrt, indem keine hierzulande lebenden Deutschen befragt wurden. Denn es ist ja nicht auszuschließen, dass in Abhängigkeit vom eigenen Parteibuch unliebsamen Politikern einfach so Schönheitspunkte abgezogen werden.

Ob nun aber ausgerechnet US-amerikanische Personen gegen Entgelt zur Klassifizierung herangezogen werden sollten, scheint doch fraglich. Sind doch die USA nach Brasilien das Land mit den meisten Schönheitsoperationen – und die in Medien zu besichtigenden Ergebnisse zeigen teils doch ein deutlich anderes Schönheitsideal. Und Hand aufs Herz: Genauso wenig wie der US-Amerikaner jeden deutschen Hinterbänkler er-/kennt, ist der Großteil der US-Politiker auch nicht jedem Deutschen geläufig. 372 Umfrageteilnehmer, die keinen der hiesigen Abgeordneten kennen, hätten sich sicherlich auch in den diversen Ländern Europas gefunden.

Unterschiede zwischen den Parteien

Die Umfrage hat im Übrigen ergeben, dass die höchste Bewertung eine 8,5 war und die attraktivsten Abgeordneten mit einem Durchschnittswert von 4,7 der FDP und den Grünen angehören. Die Abgeordneten der Linken erhielten im Schnitt eine 4,4 während die Politiker der SPD und der CDU/CSU je eine 4,3 kassierten. In erster Linie waren es denn auch die gut aussehende Abgeordneten von linken Parteien (Linke, SPD und Grüne), die bei der Arbeit im Bundestag weniger präsent und aktiv waren als ihre Pendants der konservativen und liberalen Parteien (CDU/CSU und FDP). Beim schönheitskorrelierten Anstieg der Nebeneinkünfte hingegen machte das Parteibuch keinen Unterschied.

Auch wenn die Erkenntnisse keine Rückwirkungen auf den Bundestag oder das Gebaren der Politiker haben: Interessant ist die Auswertung allemal, schon allein wegen der ungewohnten Perspektive auf den Politikbetrieb. Eine Debatte wäre sie wert. Es steht allerdings zu befürchten, dass es dann eher um die Eitelkeit geht und um nicht die Frage, wie besser im Dienste des Wahlvolkes Politik gestaltet werden kann.