Debatte um EU-Beitritt

Selenskyjs emotionaler Appell im Europaparlament

Mit einer emotionalen Botschaft wirbt der ukrainische Präsident Selenskyj in einer Sondersitzung des EU-Parlaments dafür, sein Land rasch als Beitrittskandidat zu benennen. Neun EU-Staaten haben Zustimmung signalisiert.

Selenskyjs emotionaler Appell im Europaparlament

ahe Brüssel

Mit eindringlichen Worten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Forderung nach einer Aufnahme seines Landes in die Europäische Union bekräftigt. Nachdem er am Montag einen entsprechenden Antrag unterschrieben hatte, hielt Selenskyj am Dienstag in einer Sondersitzung des EU-Parlaments, zu der er live per Video zugeschaltet wurde, eine emotionale Rede. „Wir kämpfen ums Überleben“, sagte Selenskyj bei seinem zehnminütigen Auftritt. „Aber wir kämpfen auch, um gleichwertige Mitglieder Europas zu sein.“ Den Europaabgeordneten, von denen viele Shirts mit der blau-gelben ukrainischen Flagge trugen, rief er zu, sie sollten nun beweisen, dass sie auf der Seite der Ukraine stünden. „Beweisen Sie, dass Sie wirklich Europäer sind“, beschwor Selenskyj.

Das EU-Parlament verabschiedete mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, in der die EU-Institutionen aufgefordert werden, „darauf hinzuarbeiten, dass dem Land der Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkannt wird“. Dafür gab es 637 Ja-Stimmen bei lediglich 13 Ablehnungen und 26 Enthaltungen.

EU-Ratspräsident Charles Michel sagte Kiew eine ernsthafte Prüfung des Antrags durch die Mitgliedstaaten zu. Das sei ein schwieriges Thema und es gebe unterschiedliche Auffassungen, räumte er ein. „Aber der Rat wird sich da seiner Verantwortung nicht entziehen können.“

Neun Beitrittsbefürworter

Ein Drittel der EU-Länder hat sich öffentlich für eine sofortige Beitrittsperspektive der Ukraine ausgesprochen. „In diesem kritischen Augenblick bekräftigen wir unsere volle Solidarität mit der Ukraine und ihrem Volk“, hieß es in dem offenen Brief, den die Präsidentinnen und Präsidenten Bulgariens, Tschechiens, Estlands, Lettlands, Litauens, Polens, der Slowakei und Sloweniens unterzeichnet hatten. Am Dienstag schloss sich Ungarn an. „Wir fordern die Brüsseler Institutionen dringlichst dazu auf, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen“, erklärte Außenminister Peter Szijjarto.

Vor dem Rat müsste es erst einmal eine Stellungnahme der EU-Kommission in der Angelegenheit geben. Deren Präsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich in der Parlamentsdebatte dazu schwammig. Schon heute seien sich die Ukraine und die Europäische Union näher als je zuvor. „Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns“, sagte sie. Zunächst müsse der Krieg beendet und über die nächsten Schritte gesprochen werden, so die CDU-Politikerin. Sie sei aber sicher, dass niemand im Plenarsaal daran zweifele, „dass ein Volk, das so mutig für unsere europäischen Werte steht, zu unserer europäischen Familie gehört“.

In der Debatte im EU-Parlament wurden die europäischen Perspektiven der Ukraine unterschiedlich klar benannt. Der Chef der SPD-Gruppe im Parlament, Jens Geier, erklärte, die Arbeit der Kiewer Regierung an der Umsetzung des Assoziierungsabkommens, an demokratischen Reformen, wirtschaftlichem Wohlstand und sozialem Fortschritt verdienten die größtmögliche finanzielle und technische Unterstützung. Vor einem Beitritt müssten aber die entsprechenden Kriterien erfüllt werden –„also eine stabile Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewährleistung des gemeinsamen politischen Besitzstandes“.

Deutlicher äußerte sich Manfred Weber, der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion: Das Parlament gebe „ein klares Ja zum Kandidatenstatus“ und ein klares Signal, dass die Ukraine willkommen sei, betonte er. Über das mögliche Beitrittsprozedere zu spekulieren sei aktuell noch nicht an der Zeit. Auch von führenden FDP-Politikern kam Unterstützung, unter anderem von der EU-Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer.