Shutdown bremst US-Volkswirtschaft

Verhärtete Fronten in Washington - Verwaltungsstillstand geht wohl in die dritte Woche

Shutdown bremst US-Volkswirtschaft

Der Shutdown in den USA geht ab morgen in die dritte Woche. Die volkswirtschaftlichen Folgen eines fortgesetzten Verwaltungsstillstands können erheblich sein. Der längste der bisher 21 Verwaltungsstopps seit 1976 liegt mehr als zwanzig Jahre zurück und weist Parallelen zur aktuellen Situation in Washington auf.Von Stefan Paravicini, New York Noch vor wenigen Tagen schien sich US-Präsident Donald Trump seiner Sache wieder einmal sehr sicher zu sein. “Realisieren die Demokraten nicht, dass die meisten Leute, die nicht bezahlt werden, ihrer Partei angehören?”, fragte er am 27. Dezember in einem Eintrag in den sozialen Medien, nachdem Teile der Verwaltung sechs Tage zuvor zu einem vorläufigen Halt gekommen waren, weil die US-Regierung sich mit der Opposition nicht auf die Details zur weiteren Finanzierung einer Reihe von Bundesbehörden einigen konnte. Heute beginnt Tag 14 des sogenannten Shutdown, der rund 800 000 Mitarbeiter und Vertragspartner von Behörden im ganzen Land unmittelbar betrifft. Morgen beginnt die dritte Woche des Verwaltungsstillstands, und derzeit deutet vieles darauf hin, dass die politische Blockadehaltung in Washington dem Land den bisher längsten Shutdown bescheren könnte, seit 1976 das Prozedere für die Verabschiedung der Haushalte für die Behörden verändert wurde. Schadensmeldung für 2013 Dass es sich bei den Betroffenen des Shutdown ausschließlich um Anhänger der Oppositionspartei handelt, darf als äußerst unwahrscheinlich gelten. Der volkswirtschaftliche Schaden, den ein längerer Stillstand der Behörden auch für nicht unmittelbar Betroffene nach sich zieht, lässt sich ohnehin weder rot noch blau färben, also mit keiner Farbe der beiden dominierenden politischen Lager versehen.Die Auswirkungen eines Regierungsstillstands für die US-Volkswirtschaft können erheblich sein, das haben Analysten zuletzt anhand des 16 Tage währenden Shutdown im Herbst 2013 erhoben, als insgesamt 850 000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zeitweise freigestellt wurden. Das könnte die Wirtschaftsleistung im selben Jahr um bis zu 20 Mrd. Dollar gesenkt haben, wie die Ratingagentur Moody’s damals schätzte. Auf das Jahr hochgerechnet hätte das die USA damals immerhin 0,5 Prozentpunkte ihres Wirtschaftswachstums gekostet. Insgesamt entgingen der Volkswirtschaft mehr als 6 Millionen Arbeitstage. Nur ein Teil der Mitarbeiter der Verwaltung wurde für die nicht geleisteten Stunden bezahlt, was die öffentliche Hand 2 Mrd. Dollar kostete.Aber nicht nur die betroffenen Angestellten und Auftragnehmer der Behörden spüren die wirtschaftlichen Folgen eines Verwaltungsstillstands. Auch der private Sektor ist in vielfältiger Weise betroffen. Der etwas mehr als zwei Wochen andauernde Shutdown im Herbst 2013 führte nach Einschätzung des Council of Economic Advisers des damaligen Präsidenten Barack Obama unter anderem dazu, dass in diesem Zeitraum 120 000 Stellen weniger geschaffen wurden. Erhebliche Nebeneffekte”Eine Reihe von Indikatoren zeigt, dass die Stimmung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, der Konsum und einige Elemente der Produktion in der ersten Oktoberhälfte langsamer gewachsen sind als in den vorangegangenen Monaten”, stellten Obamas Wirtschaftsberater 2013 fest. Diese Analyse wurde später auch vom Congressional Research Service bestätigt, der in einem 2014 veröffentlichten Bericht zu dem Schluss kam, dass ein Verwaltungsstillstand die US-Volkswirtschaft pro Woche mindestens 0,1 Prozentpunkte ihres Wachstums kostet.Ein Bericht des Bureau of Economic Analysis, der in eine größere Auswertung des Congressional Research Service Eingang fand, veranschlagte allein den Effekt der wegen des Shutdown im Herbst 2013 ausgefallenen Arbeitstage auf 0,3 Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums im Quartal. Standard & Poor’s bezifferte den ökonomischen Schaden jedes weiteren Verwaltungsstillstands damals auf mindestens 6,5 Mrd. Dollar pro Woche. “Ein Shutdown betrifft nicht nur Washington und seine Angestellten, sondern wirkt sich über Wirtschaftssektoren im ganzen Land aus – von Shopping Malls bis zu Nationalparks, von Auftragnehmern bis zu Hotels”, erklärten die Analysten der Ratingagentur damals. Weihnachtliche GelassenheitKevin Hassett, der Chair des Council of Economic Advisers von US-Präsident Donald Trump, bewertet die ökonomischen Folgen des aktuellen Verwaltungsstillstands dennoch gelassen. Sobald die weitere Finanzierung der Behörden vom Kongress beschlossen sei, würden die ausgefallenen Lohnzahlungen nachgeholt, erklärte Hassett kurz vor dem Jahreswechsel in einem Interview von National Public Radio (NPR). Sofern der Shutdown in dieser oder der nächsten Woche enden würde, bliebe am Ende nur der Effekt, dass die Mitarbeiter, die über Weihnachten ohnehin Urlaub nehmen wollten, keine Urlaubstage dafür in Anspruch nehmen mussten. Neuer Rekord drohtSollte die Pattsituation in Washington über die nächste Woche hinaus Bestand haben, dürfte der Optimismus auch bei den loyalsten Beratern des US-Präsidenten sinken. Denn am Freitag in einer Woche würde der Shutdown die 21 Tage vollmachen und mit dem bisher längsten Verwaltungsstillstand gleichziehen, der Teile der Verwaltung von Mitte Dezember 1995 bis Anfang Januar 1996 lahmlegte (siehe Grafik). Über denselben Zeitraum rutschte der US-Aktienmarkt um 5 % ab. Und auch wenn jede Verallgemeinerung der ökonomischen Folgen der bisher 21 Shutdowns seit 1976 rasch an seine Grenzen stößt, ist eine Generalisierung bedenkenlos zulässig: Je länger der Shutdown dauert, desto nervöser werden Investoren.Die Kraftprobe im Rahmen des bisher längsten Verwaltungsstillstands in den USA vor mehr als 20 Jahren gewann nach Einschätzung der meisten politischen Beobachter der damalige US-Präsident Bill Clinton. Er stand 1995 einem erst zu Anfang dieses Jahres neu gewählten Sprecher des Repräsentantenhauses gegenüber, nämlich dem republikanischen Abgeordneten Newt Gingrich. Machtprobe wie 1995/96Trump legt es jetzt auf eine Machtprobe mit Nancy Pelosi, der designierten Sprecherin der US-Demokraten im neu gewählten Kongress an. Im Kern des Konflikts steht das Budget für das Department of Homeland Security, das nach dem Wunsch des Präsidenten mehr als 5 Mrd. Dollar für die Errichtung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko erhalten soll, was die Opposition verhindern will.Die Mauer war 2016 eines der Wahlversprechen, die bei Trumps Anhängern im Präsidentschaftswahlkampf am besten ankamen. Kommt Pelosi dem Präsidenten hier entgegen, würde das die Vorbehalte an der Parteibasis gegen die erfahrene Veteranin der Demokraten noch vergrößern und ihre Position als Sprecherin schwächen.