Nord Stream 2

Signale der Annäherung

Die US-Regierung geht im Streit über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 Berichten zufolge auf Berlin zu. Auch im Streit über Milliardenzölle auf Stahl und Aluminium stehen die Zeichen auf Entspannung.

Signale der Annäherung

rec Frankfurt

Vor dem für Mitte Juni geplanten Besuch von US-Präsident Joe Biden in Brüssel stehen die Zeichen im transatlantischen Verhältnis zunehmend auf Entspannung. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien will die amerikanische Regierung die Nord Stream 2 AG und deren Geschäftsführer Matthias Warnig von Sanktionen verschonen, die sie seit Monaten wegen der fast fertiggestellten Erdgas-Pipeline von Russland zur deutschen Ostseeküste androht. Bereits zu Wochenbeginn war bekannt geworden, dass die EU-Kommission auf zusätzliche Gegenzölle im Streit über den Handel mit Stahl und Aluminium verzichtet. Andernfalls würden zum 1. Juni weitere Milliardenzölle auf US-Produkte in Kraft treten.

Vier Monate nach dem Machtwechsel im Weißen Haus signalisieren somit beide Seiten Entgegenkommen. In einem ersten Schritt sind Brüssel und Washington bereits Anfang März aufeinander zugegangen, indem sie verkündeten, wechselseitige Strafzölle in Milliardenhöhe auszusetzen. Hintergrund sind in diesem Fall nicht die von Bidens Vorgänger Donald Trump verhängten Sonderzölle auf Stahl und Aluminium, sondern der Konflikt über unrechtmäßige Subventionen in der Luftfahrtindustrie. In beiden Streitfällen streben EU-Kommission und US-Regierung nach eigenem Bekunden im Verlauf dieses Jahres eine Lösung an, um die Wirtschaftsbeziehungen samt wechselseitiger Milliardenbelastungen zu befrieden.

Das ist für Deutschland von größtem Interesse. Denn die USA sind mehr denn je wichtigster Handelspartner – trotz Trump und Chinas Aufstieg. Zwar hat das Reich der Mitte beim Güterhandel in etwa gleichgezogen. Doch Analysen der Außenhandelsexperten Martin Braml und Gabriel Felbermayr zeigen: Berücksichtigt man auch den immer bedeutsameren Handel mit Dienstleistungen und Erträge aus Direktinvestitionen und von Tochterfirmen, sind die USA mit Abstand vorn (siehe Grafik).

Von herausragender Bedeutung für die transatlantischen Beziehungen ist Nord Stream 2. Wenige Dutzend Kilometer Rohre müssen noch auf den Meeresgrund – dann soll die Pipeline bis zu 55 Mrd. Kubikmeter Erdgas pro Jahr nach Deutschland transportieren. Washington sieht darin einen geopolitischen Sündenfall zum Vorteil Russland. Deshalb protestiert die Biden-Administration wie schon die Vorgängerregierung, das hat Außenminister Anthony Blinken gerade erst seinem Kollegen Heiko Maas deutlich gemacht. Anders als Trump hat Biden es indes zugleich auf bessere Beziehungen zu Deutschland und der EU abgesehen.

Vor diesem Hintergrund begrüßte Maas den jüngsten Schritt Washingtons. Berichten zufolge will die US-Regierung darauf verzichten, die für den Bau zuständige Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG, eine Tochter des russischen Energiekonzerns Gazprom, samt ihrem Chef Matthias Warnig mit Strafen zu belegen. „Das empfinden wir als einen konstruktiven Schritt“, sagte Maas. Stattdessen nehmen die USA russische Firmen ins Visier. So soll es aus dem vierteljährlichen Bericht des US-Außenministeriums an den Kongress hervorgehen. Verhängt haben die USA bereits Sanktionen gegen das Verlegeschiff Fortuna und dessen russischen Eigentümer KVT-Rus.

In Moskau wurden die Berichte mit Wohlwollen aufgenommen. Ein Verzicht auf Sanktionen kann nach Auffassung der russischen Regierung dazu beitragen, die Beziehungen zu den USA zu normalisieren. Es handele sich um ein positives Signal, sollte es sich bewahrheiten, sagte Regierungssprecher Dmitri Peskow. In den USA schlugen die Pläne hohe Wellen. Die Opposition schäumte. Senatoren der Republikaner sprachen von einem großen Sieg für Russlands Präsidenten Wladimir Putin und warfen Biden vor, in Putins Falle getappt zu sein. Es ist also längst nicht ausgemacht, ob Bidens Kalkül aufgeht – oder ob er sich dem innenpolitischen Druck beugen muss. Auf Unterstützung aus Brüssel darf die Bundesregierung im Wunsch nach Fertigstellung von Nord Stream 2 nicht bauen, wenn Biden die EU-Spitzen nächsten Monat in Brüssel trifft: Die EU-Kommission ist ebenfalls dagegen. Sie befürchtet eine zu große Abhängigkeit von Russland und Nachteile für die Ukraine als Transitland für russisches Erdgas gen Deutschland.