SERIE ZUR US-WAHL: FINANZ- UND STEUERPOLITIK

Staatsschulden wie in Zeiten von Krieg

Sowohl Trump als auch Obama hatten mit hohen Defiziten zu kämpfen

Staatsschulden wie in Zeiten von Krieg

Von Peter De Thier, WashingtonAmerikas Staatsschulden sind auf Kurs, an der Wirtschaftsleistung gemessen jenen Rekordstand zu übertreffen, der nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht wurde. Ökonomen warnen seit Jahren davor, dass der Schuldenberg bald nicht mehr tragbar sein wird. Doch Präsident Donald Trump, der nach seinem Amtsantritt sagte, dass es “kein Problem” sein werde, die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen, hat zu keinem Zeitpunkt Pläne zum Defizitabbau vorgelegt.Im Gegenteil: Trump will mehr als 1 Bill. Dollar in die Infrastruktur investieren und plädiert zudem für weitere, breit angelegte Steuersenkungen. Sein demokratischer Gegner Joe Biden glaubt, durch höhere Einkommenssteuersätze (siehe Text oben) für die reichsten Amerikaner das Loch in der Staatskasse zumindest teilweise stopfen zu können. Auch ihm fehlt es aber an strukturellen Ansätzen, um den öffentlichen Haushalt wieder ins Lot zu bringen. Düstere Prognosen Die Zahlen sprechen Bände. So prognostiziert die unabhängige Behörde Congressional Budget Office (CBO) bis Ende dieses Jahres einen Anstieg der Schuldenquote von 79 auf 98 %. Der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde demnach kommendes Jahr auf 104 % und bis 2050 auf 195 % klettern, rechnet das Institut vor. Dabei sind die Zahlen ein wenig irreführend und eignen sich keineswegs, um das wahre Ausmaß der Schuldenmisere zu illustrieren. Das CBO berechnet nämlich lediglich “Schulden, die von der Öffentlichkeit gehalten werden”. Keine Berücksichtigung finden in den Zahlen die Zahlungsverpflichtungen der gesetzlichen Rentenversicherungen, des Einlagensicherungsfonds Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und anderer Behörden, die sich untereinander Geld schulden.Werden auch diese in die Berechnungen mit einbezogen, dann betrug die Schuldenquote nach Angaben der Federal Reserve Bank von Saint Louis bereits im zweiten Quartal des laufenden Jahres 135,6 %. Dabei sind sich sowohl der regionale Fed-Ableger als auch die Budgetbehörde CBO darin einig, dass selbst nach Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie die Schulden in den kommenden drei Jahrzehnten buchstäblich explodieren könnten.Das wiederum birgt erhebliche, gesamtwirtschaftliche Gefahren. Laut CBO würden steigende Schulden nämlich bedeuten, dass höhere Zinsen, die früher oder später unvermeidlich sind, die Anfälligkeit für einen Konjunktureinbruch erhöhen würden. Sicher sei, dass steigende Finanzierungskosten das Wachstum abwürgen würden und eine weitere Finanzkrise heraufbeschwören könnten, warnen die Experten.Weder Trump noch Biden haben Ideen vorgelegt, wie sie die ausufernde Haushaltsmisere in den in den Griff bekommen wollen. Schon während des Wahlkampfs vor vier Jahren hatte Trump versprochen, innerhalb von acht Jahren die Staatsschulden komplett zu eliminieren. Gekommen ist es aber ganz anders. Nach Darstellung von Trumps eigenen Ökonomen, die Budgetentwürfe für die kommenden Jahre erstellt haben, würde im Falle des Inkrafttretens der Schuldenberg nach acht Jahren unter dem Präsidenten um 8,3 Bill. auf 28,5 Bill. Dollar steigen.Wie auch Präsident Ronald Reagan während der achtziger Jahre argumentierte, behauptet Trump in Widerspruch zu seinen eigenen Haushaltsplänen, dass robustes Wachstum zusätzliches Geld in die Staatskasse spülen wird und Defizite verringern wird. Dabei erwies sich auch unter Reagan das Konzept der “trickle down economics”, wonach niedrigere Steuern Unternehmensinvestitionen ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen, Einkommen erhöhen und somit zu einem Geldsegen für den Fiskus führen, als Fiktion. Nun kommt noch erschwerend hinzu, dass angesichts der Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen solides Wachstums zumindest auf mittlere Frist gesehen ohnehin zweifelhaft erscheint. Defizite unter DemokratenZwar sollen die von Biden geplanten Steuererhöhungen die Schulden über 10 Jahre um 4 Bill. Dollar reduzieren. Doch auch er und sein früherer Chef Barack Obama waren selbst nicht für Sparsamkeit bekannt. Während die Demokraten acht Jahre lang im Amt waren, häuften sie Defizite in Höhe von 6,8 Bill. Dollar an, und unter dem Gespann Obama-Biden kletterte die Gesamtverschuldung von 10,6 auf knapp 20 Bill. Dollar, sie verdoppelte sich also fast.Demokraten verteidigen die Bilanz damit, dass ihr Präsident mit den Folgen der Weltrezession zu kämpfen hatte und allein das Konjunkturgesetz American Recovery and Reinvestment Act, welches den Weg bereitete für eine Erholung, mehr als 830 Mrd. Dollar kostete. Auch weisen sie darauf hin, dass Obama und Biden nach der Schuldenkrise, die im Sommer 2011 zum ersten Downgrade von US-Staatsanleihen in der Geschichte geführt hatte, sich für einen Kompromiss stark machten, der in den darauffolgenden Jahren zu Zwangseinsparungen führte.