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Steuerliche Forschungsförderung in Sicht

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 25.4.2019 Fast könnte man sagen: Ein Traum wird wahr. Lang hat die deutsche Wirtschaft sich für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung starkgemacht. Nun rückt das Vorhaben zum Jahresbeginn...

Steuerliche Forschungsförderung in Sicht

Von Angela Wefers, BerlinFast könnte man sagen: Ein Traum wird wahr. Lang hat die deutsche Wirtschaft sich für die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung starkgemacht. Nun rückt das Vorhaben zum Jahresbeginn 2020 in greifbare Nähe. Der Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung ging jüngst in die Ressortabstimmung der Bundesregierung. Die Novelle mit einem Entlastungsvolumen von 1,27 Mrd. Euro pro Jahr hat damit gute Chancen auf Realisierung. Der für den 15. Mai geplante Kabinettstermin dürfte halten. Die Differenzen zwischen Scholz und seinen Kabinettskollegen für Wirtschaft und Forschung, Peter Altmaier und Anja Karliczek (beide CDU), sind weitgehend ausgeräumt. Ein letzter wichtiger Streitpunkt soll im parlamentarischen Verfahren zwischen Union und SPD beigelegt werden. Dabei geht es um die Möglichkeit, auch Auftragsforschung steuerlich zu fördern. Offen ist auch, ob die Bundesländer den Entwurf mittragen. Sie müssen einen wesentlichen Teil der Steuerausfälle mit schultern.Die Wirtschaft zeigt sich erleichtert über den Fortschritt. “Wir sind froh, dass wir nach 30 Jahren Diskussion endlich einen konkreten Entwurf haben”, sagte Berthold Welling, Steuerexperte und Geschäftsführer des Chemieverbands VCI, der Börsen-Zeitung. Für die deutsche Wirtschaft ist es eine der raren steuerlichen Entlastungen der aktuellen Regierung. Denn obwohl sich in anderen Industrieländern die Unternehmensbesteuerung in den vergangenen Jahren deutlich ermäßigt hat und Deutschland nach der umfassenden Reform 2008 wieder in der Spitzengruppe der Belastung liegt, hat die schwarz-rote Koalition keine konkreten Pläne für eine wettbewerbsfreundliche Reform.Scholz etwa dringt international auf Einführung einer Mindestbesteuerung von Konzernen. Die Rufe von Bundeswirtschaftsminister Altmaier nach geringeren Unternehmenssteuern sind bislang ein frommer Wunsch. Schon die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung ist ein Entgegenkommen der SPD an die Union. Sie zählt nicht zu den sogenannten “prioritären Maßnahmen”, auf deren Umsetzung sich die Koalition verständigt hat. Innovationskraft schwindet Die deutsche Wirtschaft hält die steuerliche Forschungsförderung – neben der bereits bestehenden Projektförderung – hierzulande für dringend geboten. Viele andere Industrieländer nutzen dieses Förderinstrument. Hierzulande ist der Standort in Gefahr: Der Industrieverband BDI zeigte jüngst auf, dass Deutschland seine Position in der Spitzengruppe der Länder mit hoher Innovationskraft verloren hat. Im Vergleich von 34 Staaten lag Deutschland laut BDI 2012 noch unter den Top-Drei-Standorten. 2018 erreichte es nur noch Position 9 (siehe Grafik). China habe sich in derselben Zeit von Platz 24 an die Spitze emporgearbeitet. Zudem: Das Ziel der schwarz-roten Koalition, 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2025 für Forschung und Entwicklung auszugeben – öffentlich und privat – lässt sich aus Sicht der Wirtschaft ohne Steuerförderung nicht erreichen.Der Entwurf von Scholz sieht eine Zulage von 25 % der Bemessungsgrundlage von 2 Mill. Euro pro Unternehmen vor – umgerechnet 500 000 Euro. Die Bemessungsgrundlage orientiert sich an Löhnen und Gehältern der an dem Forschungsvorhaben Beschäftigten. Die Ausgestaltung als Zulage erlaubt es auch Verlustunternehmen wie Start-ups von der Förderung zu profitieren. Die limitierte Bemessungsgrundlage begünstigt kleine und mittlere Unternehmen relativ stärker, weil ein größerer Teil des Vorhabens durch Förderung gedeckt ist. Wirtschafts- und Forschungsministerium hatten ursprünglich eine Begrenzung auf Unternehmen mit bis zu 3 000 Beschäftigten verlangt, um vor allem Forschung in mittelständischen Firmen anzuschieben, die sich schwertun. Dieses bürokratische Monster hat Scholz vermieden. Besonders bei Forschungskooperationen wäre diese kompliziert geworden.Umstritten ist noch die Frage, ob auch Auftragsforschung förderfähig sein soll. Gerade für mittelständische Unternehmen wäre es damit möglich, gezielt ein Forschungsinstitut zu beauftragen. Nach dem aktuellen Entwurf hätte es davon keinen Vorteil, da nicht der Auftraggeber gefördert wird, sondern nur in Deutschland steuerpflichtige forschende Firmen. Die Wirtschaft wünscht sich indessen mehr Spielraum. “Sinnvoll ist es, die Forschungsförderung bei demjenigen anzusiedeln, der das Risiko trägt”, sagte Welling. Wirtschafts- und Forschungsministerium vertreten ebenfalls diese Haltung. Das Finanzministerium befürchtet aber, dass Aufträge im EU-Ausland landen und mit deutschen Steuermitteln finanziert werden. Auftragsforschung umstrittenDem widerspricht etwa der VCI. “Ein Großteil der Auftragsforschung verbleibt im inländischen Wirtschaftssektor”, erklärte Welling. Von 67 Mrd. Euro Aufwendungen der deutschen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung (2015) entfielen 17 Mrd. Euro auf Auftragsforschung. Rund ein Viertel gehe zwar ins Ausland, großenteils aber an verbundene Unternehmen. Die mittelbare Förderung ausländischer EU-Unternehmen durch deutsche Fördermittel erreicht laut VCI nur 1 % des gesamten Fördervolumens.