Regierungskrise

Unsicherheit um Italien hält an

In Italien herrscht Unsicherheit, wie es mit dem Land weitergeht. Nach dem von Staatspräsident Sergio Mattarella abgelehnten Rücktritt von Premierminister Mario Draghi bleibt dieser bis Mittwoch formell weiter im Amt. Neuwahlen gelten jedoch als wahrscheinlich.

Unsicherheit um Italien hält an

bl Mailand

Die Unsicherheit in Italien über die weitere Entwicklung hält an. Das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Mario Draghi hinterlässt ein Machtvakuum. Draghi war am Freitag nicht in seinen Amtssitz zurückgekehrt. Dem Vernehmen nach bereitet er seine Rede vor, die er am Mittwoch vor den beiden Kammern des Parlaments halten will. Der frühere EZB-Präsident will darin die Gründe für seinen Rücktritt erläutern. Am Montag reist Draghi zu einem auf einen Tag verkürzten Besuch nach Algerien, um Gaslieferungen auszuhandeln.

Staatspräsident Sergio Mattarella hatte das Rücktrittsgesuch des Premierministers am Donnerstagabend nicht angenommen und ihn aufgefordert, sich dem Parlament zu stellen. Befürworter der Fortsetzung seiner Arbeit hoffen, Draghi noch umzustimmen. Der Premier hatte am Donnerstag seinen Rücktritt eingereicht, obwohl er die Vertrauensabstimmung über ein Hilfspaket im Umfang von 23 Mrd. Euro für Haushalte und Unternehmen mit großer Mehrheit gewonnen hatte. Der Casus Belli für ihn war jedoch die verweigerte Zustimmung der Regierungspartei 5 Sterne. Draghi hatte in den letzten Tagen wiederholt deutlich gemacht, nicht für eine andere Regierungsmehrheit zur Verfügung zu stehen.

Obwohl es innerhalb der populistischen Bewegung Befürworter einer Fortsetzung der Regierungsbeteiligung gibt, glauben Beobachter nicht, dass Draghi seine Regierungsarbeit fortsetzen will. Er sei entschlossen, aufzuhören. Manche Beobachter hoffen, er könne wenigstens bis zur Verabschiedung des Haushalts 2023 im Herbst im Amt bleiben. Das ist höchst unwahrscheinlich. Als Alternative gilt eine neue technische Regierung unter Führung von Wirtschaftsminister Daniele Franco oder Verfassungsgerichtspräsident Giuliano Amato. Doch das weitaus wahrscheinlichste Szenario sind Neuwahlen Ende September oder Anfang Oktober. Nach einer Auflösung des Parlaments durch Mattarella müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.

Umfragen zufolge könnte dabei die rechtsextreme Oppositionspartei Fratelli d’Italia (FdI) mit einem Wahlsieg rechnen. Sie ist verbündet mit Silvio Berlusconis Forza Italia und Matteo Salvinis rechtsnationaler Lega und verlangt sofortige Neuwahlen. Die Rechtsparteien fordern unter anderem einen Nachtragshaushalt mit einer massiven Neuverschuldung. Allerdings sind auch diese Parteien teilweise zerstritten, vor allem was Waffenlieferungen an die Ukraine angeht, die Salvini ablehnt, FdI-Chefin Giorgia Meloni aber befürwortet.

Unterstützung erhielt Draghi dagegen von der sozialdemokratischen PD und der Splitterpartei Italia Viva von Ex-Premierminister Matteo Renzi, die Neuwahlen ablehnen und für eine Fortsetzung der Regierung Draghi plädieren. Besorgt zeigt sich auch die EU-Kommission und sogar der Vatikan rief zur Wahrung der Stabilität in Italien auf.

Unterdessen beruhigte die kurze Atempause bis zu einer endgültigen Entscheidung vorübergehend die Finanzmärkte, die am Donnerstag mit einem Einbruch der Börse in Mailand sowie einem deutlichen Anstieg des Spreads zwischen deutschen und italienischen Zehnjahresanleihen reagiert hatten. Der Spread blieb am Freitag bei 219 Basispunkten praktisch stabil. Die Börse schloss mit einem Plus von etwa 2%. Eine Ende der Regierung Draghi würde Italien weit zurückwerfen. Sowohl das aktuelle Hilfsprogramm über 23 Mrd. Euro als auch ein weiteres Dekret über 10 Mrd. Euro mit Steuererleichterungen für einkommensschwache Haushalte, der geplanten Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 9 Mrd. Euro sowie Waffenlieferungen an die Ukraine wären dann wohl blockiert.

Darüber hinaus könnten Reformvorhaben wie die Liberalisierung des Wettbewerbsrechts nicht umgesetzt werden. Die Auszahlung einer weiteren Tranche von 21 Mrd. Euro aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm könnte dann wohl nicht erfolgen. Ein weiterer Anstieg des Spread würde die Finanzierungsbedingungen für das mit rund 150% des Bruttoinlandsprodukts verschuldete Land an den Märkten drastisch verschlechtern.