Kreditwürdig

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Die Überarbeitung des geldpolitischen Handlungsrahmens wird die Umsetzung der EZB-Geldpolitik auf Jahrzehnte hinaus verändern.

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Bei der EZB steht die Überarbeitung der Geldpolitik an

Von Christoph Rieger *)

Die Überarbeitung des geldpolitischen Handlungsrahmens wird die Umsetzung der EZB-Geldpolitik auf Jahrzehnte hinaus verändern. Die Auswirkungen gehen weit über die Zinssteuerung hinaus. Eine neue Analyse spricht sich für eine großzügigere Liquiditätsausstattung mit einem strukturellen Anleiheportfolio aus und skizziert ein Basisszenario für QT.

Vor der großen Finanzkrise versorgte die Europäische Zentralbank die Banken über kompetitive Auktionen gerade so mit Reserven, dass sie ihre Mindestreservepflicht erfüllen konnten. Die Reserven waren knapp. Nach 2007 führten Mengentender mit Vollzuteilung für bis zu drei Jahren und umfangreiche Anleihekäufe zu einem Übermaß an Reserven. Die Überschussliquidität erreichte im vergangenen Jahr einen Höchststand von 4,8 Bill. Euro. Seitdem ist sie rückläufig, da die TLTROs zurückgezahlt und die QE-Anleihebestände reduziert werden. Für die Zukunft scheinen die meisten EZB-Mitglieder ein System mit "reichlichen Reserven" zu bevorzugen, und eine neue Analyse geht davon aus, dass die Talsohle bei den Reserven und Anleihebeständen in 2026 durchschritten wird.

Womit ist zu rechnen?

In seiner Rede auf der EZB-Geldmarktkonferenz sagte Lane, dass Bankreserven durch eine Reihe von Maßnahmen geschaffen werden könnten, darunter ein strukturelles Anleiheportfolio und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte. Ein Verweis auf die analytischen Grundlagen für den neuen Handlungsrahmen findet sich in den Fußnoten zu Lanes Rede, die sich auf ein unveröffentlichtes Papier von drei EZB-Mitarbeitern beziehen, das inzwischen als CEPR-Diskussionspapier veröffentlicht worden ist.

Dies sind unsere wichtigsten Folgerungen: QT wird bis Mitte 2026 auf Autopilot bleiben, wobei die SMA-Erwartungen für den Portfolioabbau als neutrale Benchmark dienen. Ab Mitte 2026 werden Reserven über ein strukturelles Anleiheportfolio wieder erhöht, um sie bei 3,75% der Gesamtaktiva zu stabilisieren (1,5 Bill. Euro in heutigen Euro-Beträgen). Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um ein neues Portfolio handeln wird, während der Abbau von APP und PEPP aus rechtlichen Gründen fortgesetzt wird. Geht man von einem jährlichen Wachstum der Bankbilanzen von 4,4% aus (Durchschnitt seit 1999), so würde dies Nettoanleihekäufe von rund 80 Mrd. Euro pro Jahr bedeuten. Reserven in Höhe von 1,5 Bill. Euro würden gerade ausreichen, um €STR dauerhaft an den Einlagensatz zu binden, ein Niveau, das die Autoren als "Friedman Rule consistent Excess Liquidity" (FREL) bezeichnen.

Zusätzlich zu der Bereitstellung von Reserven über ein Anleiheportfolio kann Liquidität über Offenmarktgeschäfte ("geliehene Reserven") geschaffen werden. Dadurch könnten die Reserven bis zum oberen Ende des geschätzten FREL-Intervalls, d.h. 4% der Bankaktiva ansteigen. Dies wären zusätzliche 100 Mrd. Euro in heutigen Euro-Beträgen, und das Volumen würde sich bei Liquiditätsstress wahrscheinlich erhöhen. Hinsichtlich der Preisgestaltung schwebt den Autoren eine enge Spanne zwischen Hauptrefinanzierungssatz und Einlagensatz vor, um der Fragmentierung des Geldmarktes Rechnung zu tragen.

Offene Fragen

Die Ausgestaltung des strukturellen Anleiheportfolios wird von großer Bedeutung sein, da es im Laufe der Zeit die bei weitem größte Aktivposition in der EZB-Bilanz darstellen wird. Um die Risiken für die Finanzstabilität durch eine übermäßige Komprimierung der Laufzeitprämie einzudämmen, sprach sich Lane auf der Konferenz dafür aus, "die längsten Laufzeiten wegzulassen", "supranationalen Anleihen Vorrang vor nationalen Anleihen" zu geben und "Anleihen des privaten Sektors einzubeziehen". Um die Knappheit an sicheren Vermögenswerten nicht zu verschärfen, sollten sich die Ankäufe nicht ausschließlich auf "Wertpapiere mit dem höchsten Rating (oder mit der kürzesten Laufzeit)" konzentrieren. Für die EZB scheint ein neutrales, auf dem Kapitalschlüssel aufbauendes Portfolio ähnlich dem APP/PEPP naheliegend, möglicherweise mit einer Übergewichtung in Supras.

Es scheint ein breiter Konsens darüber zu bestehen, dass die EZB strukturelle langfristige Refinanzierungsgeschäfte mit Laufzeiten von mindestens einem Jahr anbieten sollte. Lane zum Beispiel argumentiert, dass längerfristige Operationen Engpässe bei der Kreditvergabe beheben und damit auch eine "mögliche Unterfinanzierung von Investitionsprojekten zur Unterstützung der grünen Transformation" angehen könnten. Somit könnten sehr langfristige grüne Tender zu günstigen Zinssätzen erwogen werden. Hinsichtlich der zu akzeptierenden Sicherheiten betonen die meisten auf der EZB-Geldmarktkonferenz geäußerten Ansichten die Vorteile eines breiten Sicherheitenrahmens. Lane argumentierte beispielsweise, dass "längerfristige Refinanzierungsgeschäfte gegen einen breiten Sicherheitenpool eine Ausweitung des Bestands sicherer Vermögenswerte bewirken können". Kreditforderungen dürften daher ein wesentlicher Bestandteil bleiben.

Was die Mindestreserve angeht, scheint sich der EZB-Rat darauf verständigt zu haben, mit weiteren Anpassungen zu warten, bis Klarheit über den operativen Rahmen herrscht. Schließlich hängt alles miteinander zusammen. Höhere Mindestreserveanforderungen verringern die Überschussliquidität, eine geringere Verzinsung der öffentlichen Einlagen erhöht sie. Wir halten an unserer Ansicht fest, dass der Mindestreservesatz letztendlich von 1% auf 2% angehoben und die Obergrenze für die Verzinsung öffentlicher Einlagen von €STR-20 BP auf 0% gesenkt werden wird.

Angesichts der Komplexität des Projekts scheint es ehrgeizig, bis zum Frühjahr fertig zu werden. Und selbst wenn es länger dauert, wird es keine absolute Gewissheit geben, dass der neue Handlungsrahmen wie erwartet funktioniert. Die oben skizzierte Ausgestaltung wird von EZB-Chefvolkswirt Lane und seinen Mitarbeitern als neutral eingestuft. Wir würden es als großzügig bezeichnen, was die Liquiditätsversorgung und die Anleihebestände angeht. Schnabels Grundsatzrede zu diesem Thema Anfang des Jahres oder der Ansatz der BoE wären restriktiver. Die Bundesbank hat sich bisher zurückgehalten, aber in einer früheren Analyse für einen deutlich restriktiveren Ansatz plädiert.

Mehr Raum

Dabei sollte einem marktbasierten System, in dem die Banken um die knappen Reserven konkurrieren, mehr Raum gegeben werden (siehe hier). Dies verdeutlicht die Bandbreite der Meinungen, und die Debatte dürfte sich in den kommenden Monaten weiter zuspitzen. Sollte sich die großzügigere Ausgestaltung durchsetzen, müssten die kurzfristigen Zinsen letztendlich höher ausfallen, um das angestrebte Inflationsziel zu erreichen.

*) Christoph Rieger leitet bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research.

*) Christoph Rieger leitet bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research.

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